Fall Djokovic:Diplomatischer Streit an zwei Fronten

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Dauersieger: Novak Djokovic mit Turnierdirektor Craig Tiley und dem Pokal, den er neun Mal gewonnen hat. (Foto: William West/AFP)

Das Einreiseprozedere für die Australian Open führt nicht nur in Serbien zu Verstimmungen. Noch bevor im Fall Djokovic die Verhandlung startet, muss die Tschechin Renata Voracova ausreisen.

Von Barbara Klimke, Melbourne/München

Kalkül und Strategie gehören zu den wichtigen Vorgehensweisen im Sport und in der Justiz. Und so hatte die Regierung Australiens am Wochenende um zwei Tage Prozessaufschub gebeten vor der Verhandlung über den Fall Djokovic am Federal Circuit Court in Melbourne, der zu einem Weltereignis wurde. Der Verzug sei abzulehnen, beschied Richter Anthony Kelly: Der ursprünglich angesetzte Termin, Montagmorgen um 10 Uhr australischer Zeit, wurde beibehalten. Doch noch ehe die Anhörungen begannen, hatte auch die Gegenseite vorgelegt. In Prozessunterlagen machte sie erstmals einen bis dahin unbekannten Fakt publik: Der Tennis-Weltranglistenerste war am 16. Dezember 2021 laut einem auf diesen Tag datierten Test mit Corona infiziert.

Es war jene Information, die gefehlt hatte in diesem so bizarren wie aufsehenerregenden Fall, der dazu führte, dass eine der bekanntesten Sportpersönlichkeiten der Welt, der 20-malige serbische Grand-Slam-Sieger Novak Djokovic, der in Australien neun Mal den riesigen Silberpokal, den Normal Brooks Challenge Cup, erobert hatte, beim zehnten Anlauf am Donnerstag vergangener Woche von Grenzschutzbeamten am Flughafen abgeführt wurde. Das Visum wurde annulliert.

Streit um Einreise
:Richter lehnt Ministeriums-Antrag auf Vertagung im Fall Djokovic ab

Die australische Regierung wollte erst am Mittwoch über die Einreiseverweigerung für den Tennisspieler verhandeln, doch es bleibt bei Montag. Fragen wirft ein angeblich positiver PCR-Test auf.

Nach Auffassung der Border Force hatte Djocovic die Einreisevoraussetzung nicht erfüllt, die eine vollständige Impfung verlangen. Die offenbar nicht einhellig kommunizierte Auskunft, ob eine maximal sechs Monate zurückliegende Covid-Infektion für die Genehmigung einer Impfausnahme, einer Medical Exception, genügt, ist das Streitthema, das nicht nur die australischen Gesundheitsbehörden und Ministerien der Zentral- und Landesregierungen seit Tagen beschäftigte.

In der Abschiebeunterkunft wird Djokovic mit glutenfreiem Essen und einem Laptop versorgt

Statt auf den Trainingsplätzen im Melbourne Park am Yarra River fand sich Djokovic, 34, am Donnerstag in einer innerstädtischen Abschiebeunterkunft wieder, Tür an Tür mit Asylbewerbern. Vor dem Gebäude harrte seine Anhängerschaft mit Bannern und serbischen Flaggen neben Menschenrechtsaktivisten aus, die auf das Schicksal der zum Teil seit Jahren Internierten aufmerksam machten. Einen von diplomatischer und anwaltlicher Seite geforderten Umzug Djokovics in ein Hotel gestatteten die Behörden bis zur Gerichtsverhandlung nicht, wie die Zeitung The Age berichtete. Allerdings wurde seinem Wunsch entsprochen, ihn mit glutenfreiem Essen, Trainingsgeräten sowie einem Laptop zu versorgen, wie das Büro der serbischen Premierministerin Ana Brnabic erklärte. Man habe alles versucht, "um die Situation für Djokovic einfacher zu machen".

Musste Australien bereits verlassen: die Tschechin Renata Voracova. (Foto: Jean-Yves Ahern/USA Today Sports)

Die Bekanntgabe der jüngsten Corona-Infektion des Branchenprimus der Tenniswelt - er war bereits im Frühsommer 2020 nach seiner stark kritisierten Adria-Tour erkrankt - erleichtert es, die jüngsten Ereignisse in einen zeitlichen Bezugsrahmen zu setzen. Darüber hinaus wirft sie ein interessantes Schlaglicht auf den Umgang Djokovics mit dem Virus. Am 17. Dezember, einen Tag nach dem Positivtest am 16. Dezember, trat er bei einer Veranstaltung der serbischen Post auf, die ihn mit einer Briefmarke ehrte: Dankbar und stolz präsentiert er auf Fotos, ohne Maske, dieses "seltene Geschenk", wie er bei Twitter schrieb. Ob er das Testergebnis zu diesem Zeitpunkt kannte, ist ungewiss. Vom selben Tag kursieren Fotos, die ihn mit jugendlichen Spielern in einem Tenniscenter zeigen. Am 18. Dezember, so berichtet die französische Zeitung L'Equipe, habe ein Foto-Shooting mit ihm stattgefunden. Und wenn man Youtube-Bildern glauben darf, dann wäre er auch am 25. Dezember nicht in Quarantäne gewesen, jedenfalls nicht zu dem Zeitpunkt, als er auf regennasser Straße Tennis spielte.

Unabhängig davon wäre eine Infektion am 16. Dezember auch zu spät gewesen für eine dringliche Frist, die die Organisatoren der Australian Open gesetzt hatten. Denn bereits am 10. Dezember, also sechs Tage zuvor, mussten alle Spieler die notwendigen Dokumente für ihre Medical Exemption, ihre Befreiung von der Impfpflicht, einreichen, wie die Zeitungen The Age und The Sydney Morning Herald berichteten. Die Papiere wurden anschließend einer Überprüfung durch zwei unterschiedliche medizinische Gremien des Tennisverbandes und des australischen Bundesstaats Victoria unterzogen; alle Anträge waren anonymisiert, hat der Turnierdirektor in Melbourne, Craig Tiley, betont - wohl um dem Vorwurf einer Sonderbehandlung für prominente Spieler zu entkräften. Die Anwälte Djokovics hatten stets erklärt, alle Regeln befolgt zu haben; wann die Ausnahmeerlaubnis beantragt wurde, war bis zur Gerichtsverhandlung unklar. Auch Boris Becker, der ehemalige Trainer des Weltranglistenersten und ein Freund der Familie Djokovic, ist davon ausgegangen, dass die eingereichten Unterlagen den Anforderungen genügten. "Wären die Papiere, die er erhalten hat, nicht in Ordnung gewesen, wäre Novak niemals in den Flieger gestiegen", sagte Becker der Bild: "Er ist ja schließlich kein Idiot."

Unterdessen deutete sich am Wochenende an, dass das Einreiseprozedere für Tennisspieler zu den diesjährigen Australian Open, die am 17. Januar beginnen, der australischen Regierung nicht nur bilaterale diplomatische Spannungen mit Serbien bescherte. Denn auch ein zweites Land, Tschechien, ist verstimmt. Renata Voracova, 38, eine Doppelspezialistin, hatte den Kontinent freiwillig verlassen, nachdem auch ihr Visum von den australischen Grenzbehörden annulliert worden war. Voracova, die ebenfalls nicht zweimal geimpft war und kürzlich von einer Corona-Infektion genesen ist, hatte anders als Djokovic allerdings die Passkontrolle am Flughafen zunächst problemlos passiert. Sie spielte sogar ein Match in einem Vorbereitungsturnier auf die Australian Open. Dennoch wurde ihre Medical Exemption noch einmal geprüft, als die Causa Djokovic hohe Wellen schlug. Auch sie wurde in die Abschiebeunterkunft gebracht; es soll zudem einen dritten Fall geben.

"Anscheinend hat uns die Australian Tennis Association irregeführt, was sehr ärgerlich ist", sagte sie vor der Ausreise tschechischen Medien. "Ich wollte mich hier aufs Tennis konzentrieren, nicht auf Visa und Quarantäne." Tschechiens Botschaft in Canberra hat einen Brief an das australische Außenministerium geschickt. Und Erklärungen verlangt.

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