Tennis: Australian Open 2010:Gutes Geschäftsklima

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Trotz Wirtschaftskrise melden die Tennis-Verantwortlichen vor den Australian Open steigende Einnahmen. Die Frauen-Tour zahlt jetzt auch Antrittsgelder.

René Hofmann

Maria Scharapowa hat einen neuen Vertrag unterschrieben. Keinen gewöhnlichen Vertrag. Weil die Russin eine ganz besondere Tennisspielerin ist, fiel auch das Schriftstück außergewöhnlich aus. Genauer gesagt: Die Summe, die Frau Scharapowa dafür erhält, dass sie auch in den kommenden fünf Jahren in Kleidung der Firma Nike Filzbälle jagt, ist ungewöhnlich. Ungewöhnlich hoch. Der Deal, der kürzlich besiegelt wurde, bringt der 22-Jährigen angeblich 70 Millionen Dollar ein. Das meldet zumindest die Wirtschafts-Agentur Bloomberg. Offizielle Bestätigungen gibt es - wie in solchen Fällen meistens - nicht.

Rekordanschluss: Vor den Australian Open in Melbourne setzt Maria Scharapowa mit einem hochdotierten Sponsorenvertrag einen Trend. (Foto: Foto: Reuters)

Aber sollte die Summe auch nur annähernd stimmen, würde die Überweisung die 45 Millionen Dollar locker toppen, die Venus Williams im Jahr 2000 mit Reebok für einen Fünf-Jahres-Vertrag aushandelte. Die Nummer galt damals als Rekordabschluss im Frauensport. Scharapowa, die im Jahr 2004 als 17-Jährige Wimbledon gewann, trägt bereits länger den Haken auf dem Herzen. Nike nahm sie unter Vertrag, als sie elf war. Zahlen die zeigen, wie groß und hart das Geschäft mit dem weißen Sport inzwischen geworden ist.

Mit den Australian Open beginnt an diesem Montag das Geschäftsjahr 2010 so richtig. Und wenn nicht alle Anzeichen trüben, dann wird es ein gutes. Das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres galt neben seinen Brüdern - den French Open, Wimbledon und den US Open - lange als der Benjamin der Familie. Indem sie neben der Rod-Laver-Arena eine zweite, riesige, mit einem mobilen Dach ausgerüstete Tennisbühne bauten, Night Sessions einführten und die Veranstaltung als "Grand Slam der Region Asien/Pazifik" ausrichteten, haben die Veranstalter das geändert. 2005 nahmen sie 77 Millionen US-Dollar ein, in diesem Jahr sollen es 140 Millionen werden. Das Männer-Endspiel ist bereits so gut wie ausverkauft. Neben den Tickets bringen auch Sponsoren Geld. Trotz Wirtschaftskrise konnten zwei Geldgeber ersetzt und die Einnahmen aus dieser Quelle um zehn Prozent gesteigert werden.

Showkampf auf dem Fluss

Zimperlich sind die Verantwortlichen dabei nicht. Unter den 32 Sponsoren ist Betfair, eine Firma, die Online-Wetten anbietet. Ob das angesichts immer wieder auftauchender Manipulations-Verdächtigungen in dem Sport so klug ist, sei dahingestellt. Wer in den kommenden zwei Wochen für mindestens den Preis von drei Päckchen Zigaretten ein Ticket für den Melbourne Park löst, kann sich dort auf jeden Fall fürs Online-Wetten registrieren lassen. Oder am Stand der Express-Post seine Aufschlaggeschwindigkeit messen. Oder sich eine Eis-Massage aus Evian-Edelwasser gönnen. Um das Turnier jenseits des Zauns anzupreisen, wird auf dem Yarra-Fluss, der durch Melbourne fließt, auf einem Floß ein Tennisfeld errichtet, auf dem Patrick Rafter zu einem Schau-Match gegen Wally Masur antritt. Wer glaubt, obszöner ließe sich der Kampf ums Geld nicht inszenieren, liegt allerdings falsch.

Gerade hat die Frauen-Tennistour WTA, deren Gesamt-Preisgeld im vergangenen Jahr auf 86 Millionen US-Dollar stieg, die neue Ausgabe des Shopping- und Restaurantführers vorgestellt, den sie zusammen mit den Duty-Free-Shops von Dubai herausgibt. In ihm stellen die Spielerinnen vor, wo sie in den 24 Städten, in denen bedeutende Turniere ausgetragen werden, am liebsten Geld ausgeben. Die Russin Swetlana Kusnetzowa beispielsweise empfiehlt das Edelkaufhaus Saks auf der Fifth Avenue in New York, Venus Williams ein kleines, antikes Juwelier-Geschäft an der Piazza di Spagna in Rom.

Passenderweise kam die Meldung in der gleichen Woche, in der bekannt wurde, dass die WTA seit dem 1. Januar Antrittsgelder erlaubt. Anders als bei den Männern, wo Extra-Gagen (die oft ein Vielfaches des Sieger-Preisgeldes ausmachen) für besonders gefragte Spieler seit 1990 legal sind, gab es bei den Frauen bisher strikte Vorgaben, wer welche Veranstaltung besuchen musste. Wollten kleinere Turniere eine spezielle Spielerin locken, mussten sie tricksen. Meist ging das über gesonderte Werbe-Vereinbarungen oder Vergünstigungen für die Entourage. Die Williams-Schwestern sollen auf diese Art nach Informationen des Internetdienstes TennisReporters.net beim Turnier in Dubai etwa 650.000 Dollar zusätzlich eingenommen haben, Maria Scharapowa bei einer Tournee durch Asien noch mehr.

Tour neben der Tour

Am Gelde hängt, zum Gelde drängt die ganze Tenniswelt. Inzwischen wird aber auch deutlich, wo diese Gier hinführen könnte: zu einer Tour neben der Tour. Zwischen Neujahr und den Australian Open gibt es traditionell einige Einladungsturniere, auf denen zwar keine Weltranglisten-Punkte verteilt werden, aber verlockende Schecks. Viele Profis nutzen die Gelegenheit gerne, um sich entspannt einzuspielen.

Mittlerweile gibt es so viele solcher Veranstaltungen, dass die Direktoren der regulären Turniere, die zeitgleich stattfinden, Mühe haben, interessante Felder zusammenzubekommen. Von den 20 Männern an der Spitze der Weltrangliste machten 16 einen Bogen um die beiden Turniere, die in der vergangenen Woche in Auckland und in Sydney ausgetragen wurden. "Das ist beunruhigend", sagt selbst der einstige Profi Justin Gimelstob, der nun für die ATP wirkt.

© SZ vom 18.01.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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