Tennisspielerin Andrea Petkovic:Konkurrenz für die glücklichsten Menschen der Welt

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Tatsächlich, das ist ein Siegerpokal und Andrea Petkovic hält ihn (rechts ihre Finalgegnerin Mayar Sherif). (Foto: Flaviu Buboi/NurPhoto/Imago)

Andrea Petkovic erringt in Rumänien ihren siebten Turniersieg und nähert sich rasant ihrem Ziel, erneut die Top 60 zu erreichen. Dann könnte sie auch ihre Entscheidung, nach der Saison aufzuhören, nochmals überdenken.

Von Gerald Kleffmann, Cluj-Napoca/München

Am Sonntagabend noch veröffentlichte die Frauen-Tour WTA ein kleines Video, es zeigte etwas Ungewöhnliches: Aufschlag Mayar Sherif, Andrea Petkovic holt mit der Vorhand aus, knüppelt direkt auf den Ball, Punkt. 6:1, 6:1. Das Match ist vorbei. Kurz darauf umarmt sie die Ägypterin am Netz, und als Petkovic sich wieder in die Platzmitte begibt, lässt sie ihre Freude heraus. Sie wirft den Schläger in die Höhe, reißt die Arme empor, danach rennt sie zu ihrem Trainer und drückt ihn fest. "Es hat sich viel länger angefühlt als sechs Jahre", wird sie später sagen, bezugnehmend auf ihren letzten Titelgewinn 2015; damals hatte sie zum sechsten Mal einen Turniersieg errungen, in Antwerpen.

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Nun also in Cluj-Napoca auf Sand ihr siebter Erfolg, der Petkovic, inzwischen 33 Jahre alt, selbst überrascht. "So viele Dinge sind passiert, ich war schon bereit, meine Karriere zu beenden", sagte sie, "ich habe sie fast beendet, ich habe fünf neue Jobs angefangen." Aber Tennisprofi, das steht fest, ist sie immer noch zuallererst. Was niemandem mehr als sie erfreut. "Dass ich jetzt wieder zurück bin, um das zu machen, was ich am meisten liebe, Tennis und dann auch zu gewinnen, ist das beste Gefühl", sagte sie. Es mag zwar ein Tal namens Tsum im zentralen Himalaya geben, wo angeblich die glücklichsten Menschen leben. Aber aus Darmstadt kommt jetzt Konkurrenz. "Ich bin die glücklichste Person der Welt gerade", versicherte Petkovic.

Petkovic will ihre Entscheidung, aufzuhören, nochmals überdenken

Wäre der Witz nicht etwas zu naheliegend, man müsste betonen, dass die frühere Top-Ten-Spielerin in Cluj-Napoca, in der rumänischen Region Transsilvanien gelegen, ihren altbekannten Biss wiedergefunden hat. Der berühmteste Beißer der Literatur hat ja in diesen Gefilden einst sein Unwesen getrieben. Petkovic selbst hat vor ein paar Tage auch explizit mit einem Foto Bezug auf diesen blutrünstigen Herrn genommen. "Suche Graf Dracula", so hatte sie bei Instagram ein Bild untertitelt, auf dem sie in die Ferne spähte, die Handfläche über den Augen zum Sonnenschutz ausgeklappt. Ihren speziellen Humor hat sie nach wie vor, das wird sich gottseidank auch nie ändern, aber das Aufblitzen ihrer rhetorischen Leichtigkeit darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie ernsthaft sie ihren Beruf gerade in diesem Jahr, das ja eigentlich ihre Abschiedssaison werden soll, betreibt. Oder kommt es doch anders?

"Ich bin dankbar, dass ich immer noch hier rumhänge.": Andrea Petkovic genießt auch mit 33 Jahren ihr Dasein auf der WTA Tour. (Foto: Flaviu Buboi/NurPhoto/Imago)

Schon in Wimbledon hatte sie der SZ gesagt, dass sie ihre Entscheidung, aufzuhören, überdenken wird. "Ich habe mich innerlich noch nicht verabschiedet. Natürlich, das Ende ist in Sicht. Aber ich versuche es wirklich von Tag zu Tag zu nehmen", so hatte sie ihre Situation beschrieben und betont: "Ich nehme jede Woche als ein Geschenk. Ich bin so glücklich, dass ich fit und gesund bin und genieße es. Ich bin dankbar, dass ich immer noch hier rumhänge." Und sie meinte: "Ich fühle mich jünger und motivierter und frischer, als ich mich vor drei, vier Jahren gefühlt habe. Momentan habe ich so eine Freude am Trainieren, am Spielen, am Match-Spielen. Ich habe mich noch nicht zu tausend Prozent entschieden. Es kommt auf ein paar Faktoren an." Sie meinte: auf ihre Fitness, ihr inneres Befinden, ihren Weltranglistenplatz. Dieser nämlich entscheidet darüber, welche Turniere sie spielen kann.

Petkovic war aus den Top 100 gefallen, auch bedingt durch ihre Knie-Operation vergangenes Jahr. Zu Beginn dieser Saison hat sie gar nicht so viele Matches gewonnen, aber doch hatte sich ihre zunehmend bessere Form angedeutet. Viele Spiele, auch gegen Top-Profis, verliefen eng. Die Qualifikation für Tokio schaffte sie nicht ganz, auch, weil sie sich letztlich dafür entschied, lieber auf die Teilnahme an WTA-Turnieren zu setzen. Um zu punkten. Um zu klettern im Ranking. Das erneute Erreichen der Top 60 hatte Petkovic als Ziel ausgegeben, mit diesem Platz wäre sie sicher in allen wichtigen Turnierfeldern drin.

"Ich hoffe, ich kann diese gute Form mit über den Ozean nehmen"

Sie nähert sich rasant diesem Ziel, 68. ist sie nun, denn schon vor dem Event in Rumänien hatte sie ja ein Finale erreicht. Im Hamburg verlor sie erst in der letzten Turnier-Partie gegen die Rumänin Elena-Gabriela Ruse. Gemäß ihrer eigenen Ankündigung müsste langsam eigentlich eine Klausel greifen, die besagt, dass sie tatsächlich auch 2022 weitermachen muss, auf dem Platz. "Wenn ich gute Leistungen zeigen kann und mein Ranking zurückkriege", dies hatte sie in Wimbledon ja auch gesagt, "dann ist für mich nicht unbedingt am Ende des Jahres Schluss."

Nun aber folgt erst mal eine neue Saisonphase, an der Petkovic auch partizipieren wird. Sie reist in die USA, dort stehen diverse Hartplatzturniere an inklusive den US Open, dem letzten der vier Grand Slams in diesem Jahr. "Ich hoffe, ich kann diese gute Form und das Selbstvertrauen, das ich hier in Cluj errang, mit über den Ozean nehmen", sagte Petkovic.

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