SZ-Formsache:Meister im Pritscholatl

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Der unbekannte Fackelläufer: Jörg Maurer, 70, aus Garmisch-Partenkirchen, Autor der Krimireihe mit Kommissar Jennerwein. (Foto: Derek Henthorn / oh)

Vom Volleyball an der Schule tun ihm heute noch die Arme weh, vielleicht erzählt der Krimiautor Jörg Maurer auch deshalb viel lieber von einer "peruanischen Urform" dieser Sportart.

SZ: Sport ist... ?

Jörg Maurer: ... schön, aber die Berichterstattung darüber ist meistens gemein! Denn hast du nach schweißtreibendem Training endlich den vierten Platz ergattert, heißt es in den Kommentaren: "Blechmedaille, Holzplatz, unter ferner liefen". Beim dritten: "Gerade noch aufs Treppchen geschafft". Beim zweiten: "Wieder leider nicht ganz vorne mit dabei, international unbedeutend". Beim ersten: "Warum nicht schon früher? Und wie lange kann er sich dort halten?" Und hältst du dich dann einige Zeit auf dem Spitzenplatz, heißt es: "Rekordmeister? Wie langweilig!"

Ihr aktueller Fitnesszustand?

Mittel. Es ist nicht so, dass ich gar nichts täte. Aber es könnte mehr sein.

Felgaufschwung oder Einkehrschwung?

Hüft-, Wetter- und Stimmungsumschwung.

Sportunterricht war für Sie?

Wegweisend. Unser damaliger Turnlehrer Bibi Rehm, die eine Hälfte der legendären "Rehm-Buam", hat mit seinem Bruder im Mattenraum gejodelt und Gstanzl geprobt, wir Schüler haben in der Zeit meistens Volleyball gespielt. Unsere Klasse ist dann auch Schulmeister geworden. Learning by doing - was will man mehr.

Ihr persönlicher Rekord?

Volleyball-Dauer-Pritschen über eine ganze Schulstunde. Mir tun heute noch die Arme weh.

Stadionbesucher oder Fernsehsportler?

Ich war nur ein einziges Mal im Fußballstadion. Am 30.5.2017, ich bin extra nach München gefahren. Die Enttäuschung war groß. Man sieht so gut wie nichts. Es werden auch keine Torszenen wiederholt, die Spieler machen nach einem Tor einfach weiter. Und abgestiegen sind sie bei dem Spiel auch noch. Seitdem: Fernsehsportler.

Bayern oder Sechzig?

Da fragen Sie noch! Da ist die Antwort doch so offensichtlich und alternativlos, dass sich jedes weitere Wort erübrigt! Also, sowas! (Am 30.5.2017 stiegen die Münchner Löwen nach einem 0:2 gegen Jahn Regensburg in die dritte Liga ab - das könnte ein Indiz sein, Anm. d. Red.)

Ihr ewiges Sport-Idol?

Emil Zatopek, die "Lokomotive aus Prag". Lief in einer unmöglichen, irgendwie ungesunden Körperhaltung, wirkte immer so, als wäre er am Ende aller Kräfte, bevorzugte merkwürdige Trainingsmethoden (Dauerlauf mit seiner Frau im Huckepack), hielt Bier für ein isotonisches Getränk, verzichtete weitgehend auf Trainer, hat trotzdem alles gewonnen.

Ein prägendes Erlebnis?

Als Mitglied des TV Garmisch wurde ich 1972 für den Olympiafackellauf eingeteilt, für einen Kilometer Bundesstraße zwischen Ortsende Garmisch und Burgrain. Der Aufwand war enorm: Begleitfahrzeuge, Sicherheitsdienst, Polizei, ein Pressewagen - die begeisterten Zuschauermassen, die ich erwartet hatte, blieben allerdings aus, denn es regnete und kein Mensch säumte den unbesiedelten Weg. Nicht einmal ein Foto wurde geschossen. Und dafür habe ich wochenlang trainiert.

In welcher Disziplin wären Sie Olympiasieger?

Volleyball, allerdings in der peruanischen Urform. Was wenige wissen: In der Regentschaft von Pachkutiq, dem neunten und grausamsten Herrscher über das Inkareich, soll das Spiel Lfloxchatl (Kampf der Erlesenen) seine Blütezeit gehabt haben. Es ähnelte in vielem schon dem heutigen Volleyball. Lfloxchatl zu spielen war lediglich den Frauen des Stammes gestattet. Ziel des Spiels war es, einen Neugeborenen, stets Abkömmling einer adeligen Dame, so über das geflochtene Netz zu heben, zu werfen, zu pritschen (pritscholatl), dass der adelige Spross das eigene Spielfeld wohlbehalten verließ und drüben genauso wohlbehalten ankam. Auch die Annahme von unten, das Baggern (baqatl), ist auf den Inkaterrassen Perus entstanden. Pro Mannschaft waren drei Berührungen erlaubt. König durfte folgerichtig nur werden, wer als Königssäugling mindestens sieben solcher Spiele unbeschadet überstanden hatte. In einigen Tälern rund um Pisaq und Cuzco wird heute noch Lfloxchatl gespielt, und der peruanische Volleyballverband stellt immer wieder Anträge, auf dass die Disziplin des wahren und ursprünglichen Volleyballs olympisch würde. (Schneller SZ-Faktencheck: Scheint alles zu stimmen, kann man sogar in einem Jörg-Maurer-Krimi nachlesen, d. Red.).

Mit welcher Sportlerin/welchem Sportler würden Sie gerne das Trikot tauschen?

Mit Boris Becker. Aber wenn ich es mir recht überlege: vielleicht nur bis 1999. Dann würde ich ganz gerne wieder zurücktauschen.

Unter der Rubrik "Formsache" fragt die SZ jede Woche Menschen nach ihrer Affinität zum Sport. Künstler, Politiker, Wirtschaftskapitäne - bloß keine Sportler. Wäre ja langweilig.

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