Heiko Vogel bei Gladbachs zweiter Mannschaft:"Weit mehr als unsportlich"

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"Dieses Urteil diskriminiert alle Frauen im Sport": Alexandra Popp, Kapitänin der deutschen Fußballnationalmannschaft. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Ein Gladbacher Fußballtrainer beleidigt eine Schiedsrichterin - als Wiedergutmachung bietet er vor dem Sportgericht an, Frauen zu trainieren. Spielerinnen der ersten und zweiten Liga reagieren mit einem Protestbrief.

Von Ulrich Hartmann

Der Fußballtrainer Heiko Vogel, 45, von Borussia Mönchengladbachs zweiter Mannschaft ist also der Meinung: "Frauen haben auf dem Fußballplatz absolut nichts zu suchen." Das hat er jedenfalls im Eifer des Gefechts am 30. Januar während eines Regionalligaspiels zu der Schiedsrichter-Assistentin Vanessa Arlt gesagt. Wegen andauernder verbaler Entgleisungen gegen Entscheidungen des Schiedsrichters Marcel Benkhoff ("Wenn man so blind ist ...", "Wie kann man so schlecht sein") war Vogel in der 54. Minute per gelb-roter Karte des Spielfeldrands verwiesen worden. Nachdem er sich hinter einen Zaun zurückgezogen hatte, sagte er laut Sonderbericht auch noch zu Arlt: "Frauen beim Fußball gehören verboten."

Am 9. März ist Vogel dafür vom Sportgericht des Westdeutschen Fußballverbands (WDFV) zu 1500 Euro Strafe und zwei Spielen Sperre verurteilt worden. Dass die Sache mittlerweile bundesweit hochkocht und zu einer gesellschaftlichen Debatte geworden ist, liegt über die milde erscheinende Strafe hinaus an einer zusätzlichen Auflage, die Vogel an jenem 9. März bekommen hat. Ihm wurde vom Sportgericht, das aus acht Männern besteht, zusätzlich "auferlegt", bis zum 30. Juni "sechs Trainingseinheiten einer Frauen- oder Mädchenmannschaft seines Vereins zu leiten".

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Weil der Gladbacher U23-Trainer als "Strafe" Frauen- oder Mädchenteams trainieren soll, protestieren zahlreiche Profifußballerinnen. Bayerns Basketballer schlagen in der Euroleague Istanbul.

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Es hat ein bisschen gedauert, ehe die Strafe Wellen geschlagen hat. Das mediale Echo hat sich aber derart verstärkt, dass Gladbachs Sportdirektor Max Eberl jetzt die Wogen glätten wollte, indem er erklärte: "Heiko Vogel hat in der Verhandlung angeboten, Frauen- und Mädchenmannschaften zu trainieren, um seine Wertschätzung gegenüber dem Frauen- und Mädchenfußball zu zeigen." Doch auch diese versuchte Beschwichtigung hat all jene nicht beruhigen können, die finden, es dürfe nicht als Strafe dargestellt werden, Frauen- oder Mädchenmannschaften zu trainieren. Alle Versuche, Vogels Beleidigungen zu relativieren, erhitzten die Gemüter nur zusätzlich.

Nun hat das Präsidium des WDFV unter dem Vorsitz von Peter Frymuth, einem der Vizepräsidenten des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), entschieden, "das Urteil des WDFV-Sportgerichts im Verfahren gegen Heiko Vogel durch das WDFV-Verbandsgericht überprüfen zu lassen". Auch die Anordnung der Auflage "sieht das Präsidium kritisch".

Es hat seit dem Urteil am 9. März zehn Tage gedauert, ehe das Präsidium diese Auflage für kritisch erachtete. Womöglich hatte das aus 15 Männern sowie der Frauenfußball-Ausschuss-Vorsitzenden Marianne Finke-Holtz bestehende Präsidium einen solchen Akt der Buße zunächst sogar für ganz gut befunden, ehe die öffentliche Reaktion gezeigt hat, dass der vermeintliche Akt der Buße eine Diffamierung des Frauen- und Mädchenfußballs womöglich nur noch verstärkt.

Am Samstag hat die Nationalspielerin Alexandra Popp im Internet einen offenen Brief aller Fußballerinnen der ersten und zweiten Liga veröffentlicht. Darin heißt es: "Es ist keine Wertschätzung, wenn man zum Ausgleich für unsportliches Verhalten anbietet, für ein paar Stunden eine Frauenmannschaft zu trainieren; dieses Urteil diskriminiert alle Frauen im Sport." Außerdem seien Vogels Kommentare an jenem 30. Januar "weit mehr als nur unsportlich" gewesen, "sondern beleidigend und diskriminierend". Die DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg bestärkte die Spielerinnen: "Es ist mir auch unbegreiflich, dass man ein Training einer Frauenmannschaft als Teil einer Strafe verordnet."

Den Westfälischen Nachrichten sagte die Schiedsrichterin Arlt, 29, hauptberuflich tätig in der Pressestelle des Polizeipräsidiums Münster, über Vogels Verhalten am 30. Januar: "Da fehlte an dem Tag leider jedes Quäntchen Respekt, das hat mich schier sprachlos gemacht." Dass weder von ihm noch von Verantwortlichen der Borussia zeitnah eine Entschuldigung gekommen sei, finde sie "enttäuschend". Erst bei der Sportgerichtsverhandlung habe sich Vogel bei ihr "glaubwürdig und aufrichtig entschuldigt".

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