Spielort Kaiserslautern:Der verblasste Mythos vom Betzenberg

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Das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern, damals noch im Umbau. (Foto: dpa/dpaweb)
  • Das Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg war einmal Symbolbild für den Wert des Fußballs in Kaiserslautern.
  • Deutschland trifft dort am Abend auf Aserbaidschan. Sollte der FCK jedoch absteigen, sieht es nicht gut aus für das Stadion.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und Tabellen in der WM-Qualifikation.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Egal, von wo aus man sich dieser Stadt nähert, über ihr thront dieses Fußballstadion und zieht den Blick auf sich. Kaiserslautern ist ohne den FCK, den ersten Fußballklub der Stadt, und dieses Stadion auf dem Betzenberg nicht zu denken. Der Franzose Youri Djorkaeff erzählte nach seinem Wechsel vom Edelklub Inter aus der schicken Modestadt Mailand zum FCK, er habe beim ersten Blick auf das Stadion gewusst, er werde hierher, in die nur knapp 100 000 Einwohner zählende Stadt in der Westpfalz kommen. Das Stadion stehe sinnbildlich dafür, was der Fußball hier wert sei. Im Sommer 1999 war das, ein Jahr zuvor war Djorkaeff Weltmeister geworden und der FCK zum vierten - und bisher letzten Mal - deutscher Meister.

Die Geschichte mit dem Weltstar Djorkaeff und dem FCK, sie ist dann nicht gut ausgegangen. Der Großverdiener wurde in drei Spielzeiten nie heimisch in der Pfalz. Die damalige Führung um Jürgen "Atze" Friedrich musste sich in einem Steuerprozess um die Abtretung von Persönlichkeitsrechten von FCK-Profis, unter anderem Djorkaeff, verantworten und wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Sein Nachfolger beim FCK, der Schweizer Rene C. Jäggi, erstattete damals eine umstrittene Selbstanzeige, der Klub geriet durch die Nachzahlung von 8,95 Millionen Euro an das Finanzamt in Liquiditätsprobleme, in deren Folge unter anderem das Stadion veräußert wurde. Seither geht es immer weiter ein Stücken bergab auf dem Betzenberg.

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Der große Fußball hat in den vergangenen Jahren nicht mehr oft "uffm Betze" vorbei geschaut. Zehn der vergangenen zwölf Jahre spielte der stolze Klub in der zweiten Liga, aktuell steht der FCK dort auf dem vorletzten Platz. Es ist von symbolischem Wert, wenn an diesem Sonntag die deutsche Nationalmannschaft mal wieder in Kaiserslautern ein WM-Qualifikationsspiel bestreitet. Der Weltmeister empfängt Aserbaidschan, die Auswahl von Trainer Joachim Löw ist schon für die WM 2018 in Russland qualifiziert, die Partie mehr ein Schaulaufen an diesem ganz speziellen Ort und in diesem ganz speziellen Stadion.

1954 wurde Deutschland zum ersten Mal Weltmeister, mit fünf Spielern aus Kaiserslautern: Werner Liebrich, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel und den Walter-Brüdern Ottmar und Fritz. Nach Fritz Walter ist das Stadion benannt, auf der Tribüne wird am Sonntag Horst Eckel, mittlerweile 85 Jahre alt, das Spiel verfolgen - er ist der einzige der fünf Weltmeister des FCK von 1954, der noch lebt.

Zuletzt, nach einer 0:5-Pleite seiner Nachfolger im FCK-Trikot gegen Union Berlin hat er sich zu Wort gemeldet und "Zusammenhalt" gefordert. Es ist eine offene Frage, ob der FCK mit dem vorletzten Tabellenplatz in Liga zwei bereits auf dem Tiefpunkt abgekommen ist. Denn es ist auch eine offene Frage, ob der unter Altlasten ächzende Verein überhaupt die Lizenz für die dritte Liga bekäme. Und bei all diesen Fragen rückt wieder das Stadion ins Zentrum der Betrachtung, das einerseits noch immer wie eine Trutzburg und ein Denkmal der guten, alten Zeit über der Stadt thront. Andererseits aber wirkt dieser riesige Kasten seit dem Ausbau zur WM-Arena 2006 für knapp 50 000 Zuschauer auch wie ein Mahnmal für den Niedergang eines großen deutschen Fußballklubs.

Seit 2003 gehört das Stadion nicht mehr dem FCK, sondern einer städtischen Betreibergesellschaft, die auch die Schulden aus dem Ausbau übernommen hat. Der Klub zahlt noch bis 2035 jährlich eine Miete und übernimmt die Betriebs- und Instandhaltungskosten. Das sind rund zehn Millionen Euro im Jahr, für einen Zweitligisten ist das zu viel, für einen Drittligisten nicht mehr zu stemmen, zumal die derzeit 2,4 Millionen Euro Miete noch nicht einmal die Zinsen des 65 Millionen Euro-Kredits bedienen. Die Stadt ist hochverschuldet und könnte bei Mindereinnahmen durch die Miete nicht helfen. Würde in diesem Fall die rheinlandpfälzische Landesregierung als Bürge einspringen? Immerhin wollten einst Stadt, Land und Klub die fünf WM-Spiele 2006 ja unbedingt. Der Preis, das weiß man inzwischen, war hoch, vermutlich zu hoch.

In der Krise wurde zuletzt sogar über einen möglichen Abriss des Stadions nach einem Abstieg des FCK spekuliert. Der SWR fragte besorgt: "Gehen auf dem Betze bald die Lichter aus?" Und die Bild-Zeitung fragte das Undenkbare: "Wird der Betzenberg bei Abstieg abgerissen?" Die Spekulationen waren aufgekommen, nachdem der Kaiserslauterer Stadtrat einen Antrag der CDU-Fraktion abgelehnt hatte, sich öffentlich mit der Zukunft des Fritz Walter-Stadions und den umliegenden Grundstücken zu befassen. Der Kaiserslauterer Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) beschwichtigte, die Stadt erwäge zwar eine Umgestaltung umliegender Grundstücke, aber nicht die Umnutzung oder gar den Abriss des Stadions. Der aktuelle FCK-Vorstand versicherte, niemand müsse Angst um den Betze haben und forderte zu "Sachlichkeit" auf.

Auf eine Bewerbung für die EM 2024 wurde verzichtet

Aber das mit der Sachlichkeit und dem FCK ist so eine Sache. Seit Jahren macht der Klub öfter durch Grabenkämpfe Schlagzeilen als durch sportliche Erfolge. Einst bedeutete das so oft beschworene "Betze-Feeling", dass die Fans ihre Mannschaft regelmäßig nach Rückständen doch noch zum Sieg schrien und selbst der FC Bayern Angst hatte, "uffm Betze" anzutreten.

Vor 20 Jahren war der FCK noch ein europaweit gefürchteter Außenseiter mit Sieger-Gen, heute verzweifelt der Klub immer mehr daran, dass die eigene Bedeutung schwindet. Das "Betze-Feeling", das Beschwören des Zusammenhalts, ist Mythos, die Realität eine andere. Nach dem ersten Sieg zuletzt mit dem neuen Trainer Jeff Strasser keimt wieder die Hoffnung auf den Klassenerhalt. Die Klubführung plant eine Ausgliederung, hofft auf Investoren. Aber wer tut sich das an?

Auf eine Bewerbung zur Austragung möglicher Spiele beim Zuschlag für die EM 2024, für die sich der DFB neben der Türkei bewirbt, hat Kaiserslautern zuletzt übrigens verzichtet. Oberbürgermeister Weichel begründete diesen Verzicht mit einem "unkalkulierbaren finanziellen Risiko".

© SZ vom 08.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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