Spielabbrüche bei den Australian Open:Brennende Fragen

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42,1 Grad und steigend: Der Pole Jerzy Janowicz kämpft mit der Hitze. (Foto: dpa)

Wegen der exzessiven Hitze setzen die Organisatoren der Australian Open in Melbourne einen Notfall-Plan in Kraft. Spieler und Trainer sind trotzdem verärgert: Die Kriterien, nach denen über Weiterspielen oder Aufhören entschieden wird, geben Rätsel auf.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Nun ist es jedem überlassen, sich Maria Scharapowa in einem Eisbad liegend vorzustellen, trotzdem muss es zur Sprache kommen, die Werbekönigin aus Russland redet ja selbst offen darüber. Am Donnerstagnachmittag lag sie wieder in der Wanne und regenerierte von ihrem 3:28-Stunden-Krimi gegen die Südtirolerin Karin Knapp, den sie mit 10:8 im dritten Satz für sich entschieden hatte.

Da erhielt sie eine Mail. Sie las sie gut durch und dachte nur: "Das ist jetzt aber ein bisschen spät." Jemand von der Turnierleitung der Australian Open hatte sie informiert, dass es definitiv zu heiß sei und alle Spiele ausgesetzt würden - außer jene in den beiden Arenen, die sich per Dach schließen lassen. Scharapowa rieb sich nach ihrem Bericht über den Unterarm, schaute ungläubig - und lächelte.

Es war ein bittersüßer Gesichtsausdruck, das Thema Hitze ist zu ernst, als dass es von den am meisten Betroffenen - den Tennisspielern dieses millionenschweren Grand-Slam-Turniers in Melbourne, - als eine nur kuriose Begebenheit abgehakt wird. Vielmehr gilt die Hitzeglocke, die aus der Wüste Australiens in den Süden zog und die Metropole seit Dienstag erdrückt, als Ausnahmeereignis, das am vierten Veranstaltungstag seinen offiziellen Stempel erhielt. "Wir geben bekannt, dass die Extreme-Hitze-Politik angewandt wird", wurde über Lautsprecher verkündet. Da war es 13.52 Uhr und im Freien 42,1 Grad - so heiß wie noch nie in dieser Woche.

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Weil der Wetterdienst zu diesem Zeitpunkt eine weitere "exzessive Hitze" vorhersagte, wie Hauptschiedsrichter Wayne McKewen referierte, beschlossen die Organisatoren, nun jene Regeln erstmalig in aller Konsequenz anzuwenden, die in einem früher entworfenen Papier namens "extreme heat policy" Maßnahmen für den Notfall darstellen. Ab sofort war es verboten zu trainieren. Matches auf den Außenplätzen liefen nur bis Satzende, dann wurden sie abgebrochen. Neue Partien begannen nicht.

Die Dächer der beiden Hauptarenen wurden geschlossen - aber erst am Ende des gerade gespielten Satzes. "Die entscheidenden Parameter, die darüber bestimmen, ob nicht mehr gespielt werden kann, wurden erreicht", ergänzte Turnier-Arzt Tim Wood, wobei er nicht im Detail ausführte, wie der relevante Koeffizient aus Temperatur, Luftfeuchtigkeit und anderen Werten zu diesem Urteil führte. Die medizinische und meteorologische Abteilung hätten so entschieden, hieß es nur - eine eher lapidare Erklärung, die bei den Profis nicht gut ankam. Vor allem nicht bei der Frau aus dem Eisbad.

Man fühle sich im Stich gelassen, gab Scharapowa zu verstehen. "Ich weiß, es ist eine schwierige Entscheidung", sagte die Russin mit dem formidablen Amerikanisch, sie lebt seit langem in den USA, "aber die Frage, die ich habe, ist: Keiner von uns kennt genau die Grenze, wann das Dach geschlossen wird. Die Spieler nicht, die Trainer nicht."

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Bei 42 Grad im Schatten tritt die "Extreme Heat Policy" in Kraft: Am vierten Tag der Australian Open müssen die ersten Spiele unterbrochen werden. Die Verunsicherung unter den Profis ist groß, Maria Scharapowa verlangt klärende Worte.

Auch die Zahl, die über Unterbrechung oder Weiterspielen entscheide, kenne keiner, weshalb sie forderte: "Es liegen so viele Fragen in der Luft - sie sollten gelöst werden." Weil da nicht eine Verliererin sprach, sondern eine vom eigenen Kampfgeist begeisterte Zweitrundensiegerin, hatten die Worte der Weltranglisten-Dritten zusätzliches Gewicht. "Als mein Spiel zu Ende war, wusste ich gar nicht, dass draußen nicht mehr gespielt wurde", fuhr die 26-Jährige fort, einmal in Fahrt. Stimmt die Kommunikation zu den Spielern also nicht? "Das ist eine gute Frage", sagte sie nach ihrer eigenen Steilvorlage - das hieß demnach: Nein, tut sie nicht.

Komplizierter wird der Fall auch dadurch, dass bei den Australian Open etwa im Gegensatz zu den US Open kein Tie-Break im entscheidenden Satz - dem dritten bei den Frauen und dem fünften bei den Männern - gespielt wird und endlos lange Matches möglich sind. "Die Offiziellen können doch nicht darauf hoffen, dass der letzte Satz rasch vorbei ist", schlussfolgerte Scharapowa und dürfte viel Zustimmung ernten.

Maria Scharapowa bei den Australian Open (Foto: Getty Images)

Der Brasilianer Thomaz Bellucci etwa wollte bei seiner Drei-Satz-Niederlage gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga "nach jedem Punkt sofort aufgeben". Sein Pech: Er spielte in der zweitgrößten Arena, als die Außentemperatur mit 43,3 Grad ihren Rekordwert der Woche erreichte. Erst nach dem zweiten Satz wurde das Dach geschlossen - da fühlte sich Bellucci längst wie paniert.

Andererseits aber gibt es auch Spieler (vor allem Topspieler), die nicht oder kaum klagten. Der 17-malige Grand-Slam-Gewinner Roger Federer war einer der ersten, der meinte, die Hitze sei eher eine "mentale Sache". Ein Vorstoß des Spielerausschusses, dem Federer vorsitzt, ist nicht zu erwarten, zumindest nicht bei dieser Veranstaltung.

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Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Jarkko Nieminen, sein Gremiumskollege im Players Council der Männer, schloss dies sogar aus - "während eines Turniers können wir nicht in die Leitung eingreifen", sagte der finnische Doppelspezialist: "Aber wir sammeln jede Erfahrung und werden darüber reden." Möglich wäre, früher zu starten und dann mittags zu pausieren. "Ja, das ist eine Überlegung", sagte Nieminen. Nach der Anwendung der Hitze- Politik wurde schließlich Stunde um Stunde geprüft, ob der Betrieb auf allen Plätzen wieder aufgenommen werden könne. Stunde um Stunde verstrich. Um 18 Uhr kehrten die ins Spielercafé oder in den Fitnessraum verbannten Akteure zurück.

Die nächste Herausforderung indes wartet. Das Melbourner Phänomen namens "cool change" droht an diesem Freitag die letzte Pointe dieser verrückten Woche zu werden. Winde aus dem Süden sorgen Experten zufolge für einen satten Temperatursturz. Aber schon am Donnerstagabend hatten die Verantwortlichen zu kämpfen. Auf den Außenplätzen gab es die zweite lange Spielpause. Es regnete.

© SZ vom 17.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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