Snowboarderin Amelie Kober:Auf der Kante

Lesezeit: 3 min

Deutschlands Snowboard-Hoffnung Amelie Kober hat sich für die Olympischen Spiele in Vancouver qualifiziert - dort soll sie mit einem Erfolg den Verband retten.

Fabian Heckenberger

Im Sommer hat Amelie Kober alle Erwartungen enttäuscht. Ihre Kollegen auf der Polizeischule hatten die 22-Jährige vor der Abschlussprüfung als Anwärterin Nummer eins auf eine völlig vermasselte Prüfung ausgemacht. Als Profi-Snowboarderin ist Kober viel unterwegs, da sammeln sich Fehlstunden an, tun sich Wissenslücken auf. Es wurden Wetten auf Kobers Versagen abgeschlossen, Hoffnungen auf minimale Leistung in sie gesetzt, und dann das: bestanden. Die 22-Jährige ist seitdem Polizeimeisterin, und einige Mitschüler sind ihr Geld los.

Die letzte Kandidatin: Amelie Kober hat inzwischen das Selbstbewusstsein, um in Vancouver Gold im Snowboard zu gewinnen. (Foto: Foto: AFP)

Im Februar steht für Amelie Kober die nächste große Prüfung an, auf dem Snowboard bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver, und dort kann sie nicht auf den Luxus des Unterschätztwerdens setzen. Kober hat gute Aussichten, die Wettbewerbe im Parallel-Riesenslalom als Siegerin abzuschließen. Von den letzten acht Weltcups hat Kober sechs gewonnen, zweimal wurde sie Zweite, zuletzt am Dienstag in Telluride/Colorado. Damit hat sie sich im ersten Qualifikationsrennen direkt die Teilnahme an den Spielen gesichert. Für Vancouver ist sie nun endgültig die große Favoritin. "Es ist super, schon so früh Gewissheit zu haben", sagt Kober. Sie gibt sich locker, sie erwartet in Kanada "wahrscheinlich schon eine Medaille". Beim Deutschen Snowboard-Verband (SVD) klingt das nicht ganz so entspannt. "Wir wollen keinen Druck ausüben, aber man muss es deutlich sagen: Der Verband braucht Erfolge", sagt Geschäftsführer Timm Stade. Gemeint sind vor allem: Erfolge von Amelie Kober.

Im Snowboarden gehen sie Herausforderungen wenn möglich eher entspannt an, doch nun geht es um die Existenz des Verbandes. Vor zwei Jahren hat der SVD eine Zielvereinbarung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) getroffen. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Snowboarder aus Vancouver zwei Medaillen mitbringen. Bleibt der SVD hinter dieser verhandelten Vorgabe zurück, droht die Kürzung von Fördergeldern. Der Etat des seit Jahren klammen Verbandes beträgt 1,1 Millionen Euro, etwa 70 Prozent davon kommen vom DOSB. In der Finanzkrise ist den Snowboardern bereits der Fahrzeugsponsor abhanden gekommen.

Medaille dringend nötig

Für das Trainingslager schossen die Sportler 42.000 Euro aus eigener Tasche zu. "Wenn das Geld noch weniger wird, geht nicht mehr viel", sagt Stade. Vielleicht ließen sich die Herren beim DOSB noch erweichen und würden die Forderung angesichts der Münchner Olympiabewerbung auch bei nur einem Edelmetall beibehalten. "Die Zielvereinbarung lässt etwas Raum für Verhandlungen", hofft Stade: "Aber eine Medaille brauchen wir."

Hinter Kober haben sich im Parallel-Riesenslalom Selina Joerg und Patrick Bussler in Telluride für die Spiele qualifiziert, Anke Karstens muss noch einmal unter die ersten 16 fahren. Die Boardercross-Fahrer David Speiser und Konstantin Schad bewegen sich international im Mittelfeld, und Christophe Schmidt geht in der olympischen Halfpipe nur an den Start, wenn er sich am 7. Januar am Kreischberg qualifiziert. Wahrscheinliche Medaillenträger sind sie alle nicht. "Im Gegensatz zu vor vier Jahren schauen alle auf mich", sagt Amelie Kober, die 2006 in Turin aus dem Stand heraus Silber gewann.

Silber in Turin

Wiederholt sie diesen Erfolg, dann zeigt sich der DOSB vielleicht großzügig. Wenn nicht, müsste der SVD sparen und mindestens eine Disziplin aus seinem Programm streichen. Das träfe wohl die Sparte Halfpipe, die seit Jahren bei den Frauen gar nicht und bei den Männern spärlichst besetzt ist. Während PGS nur noch als Wettkampfsport existiert, ist Halfpipe die letzte Anbindung des SVD an den Breitensport und als spektakuläre Disziplin großer Anreiz für Sponsoren."Wenn wir Halfpipe beenden, können wir den Laden zumachen", heißt es beim Verband. Diese Sonderstellung der Freestyler sorgt für Murren. Bei der Teampräsentation im November sagte Kober: "Wenn man seit Jahren das sportliche Zugpferd ist, dann erwartet man, dass auch in anderen Bereichen des Verbandes mal etwas passiert."

Kober kann sich kritische Töne leisten. Der Verband hat die Fahrerin nötiger als umgekehrt. Eine "phantastische Athletin" sagt Stade, "ihre superphänomenale Entwicklung wird fast unheimlich, seit sie auch mental immer konstanter wird". Wie zum Beweis blendet die Gerühmte die Begleitmusik aus, sagt Termine ab und konzentriert sich derzeit auf die Piste, die Schwünge, die Balance auf den Kanten. Amelie Kober sagt: "Ich bin Athletin, finanzielle Belange des Verbandes dürfen nicht der Grund für meinen Erfolg oder Misserfolg sein."

© SZ vom 17.12.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: