Snowboard:Aufbruch vom Herzensberg

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Elegant in der Balance: Ramona Hofmeister. (Foto: Marco Bertorello/AFP)

Ramona Hofmeister hat ihre Rückenprobleme überwunden, ihr Material gewechselt und zeigt sich nach drei Gesamtweltcup-Siegen schon wieder in beeindruckender Form. Auf den üblichen Triumph beim Saisonfinale am Götschen wird sie diesmal trotzdem verzichten müssen.

Von Thomas Becker

Müsste sich Ramona Hofmeister eine Rennpiste malen, sie würde wohl exakt so aussehen wie die am Götschenkopf. Die schönsten Momente ihrer Karriere hat sie im Zielraum neben der Götschenalm erlebt: Dreimal in Serie nahm sie hier die große Kristallkugel für die Gesamtweltcupsiegerin entgegen, keine vier Kilometer von ihrem Geburtsort Bischofswiesen. 23 Hundertstelsekunden fehlten ihr in der vergangenen, von heftigen Rückenbeschwerden durchzogenen Saison zum vierten Triumph, sodass es bei der kleinen Kugel als saisonbeste Parallel-Riesenslalom-Raceboarderin blieb. Es ist also schon ein besonderer Hang für sie.

Auch der Formcheck vor dem Weltcup-Auftakt ging am vergangenen Wochenende hier über die Bühne, in Form eines hochkarätig besetzten Europacups. Zweifache Siegerin: Ramona Hofmeister, wer sonst? Doch als die 27-Jährige am Donnerstag in Carezza in die Weltcupsaison startete - und natürlich gleich wieder gewann -, wusste sie, dass es heuer nichts werden wird mit dem Saisonfinale auf ihrem Herzensberg. Denn das Weltcup-Finale am 16./17. März findet diesmal zwölf Kilometer weiter südöstlich statt, am Obersalzberg.

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Warum gerade da? In einem maximal überschaubaren Mini-Familienskigebiet mit drei Kilometern Piste und gerade mal 150 Metern Höhenunterschied? Nun, weil man das Grande Finale der weltbesten Raceboarder unbedingt im Landkreis behalten wollte und die bisherige Location am Bundesstützpunkt diesmal nicht zur Verfügung steht. Der veranstaltende WSV Bischofswiesen, für den auch Hofmeister startet, hatte bemängelt, dass im vergangenen, sehr schneearmen Winter wegen des Weltcup-Finales fast alle Nachwuchsrennen am Götschen hatten ausfallen müssen, weil der wenige Schnee im März fast komplett in die Weltcuppiste geschoben wurde.

Welten lägen zwischen ihrer aktuellen Verfassung und der im vergangenen Winter, erzählt sie

Nachdem Anfang November im Verein die Entscheidung gegen die Austragung des Saisonfinales gefallen war, machten sich Snowboard-Germany-Präsident Michael Hölz, Sportdirektor Andreas Scheid und Finanz- und Marketingchef Stefan Knirsch auf die Suche nach Alternativen im Talkessel Berchtesgaden, fanden bei Bürgermeister Franz Rasp und Landrat Bernhard Kern Gehör, und auch der Internationale Ski- und Snowboardverband Fis gab nun grünes Licht für die finalen Rennen am Eckerbichl-Lift. "Die ganze Region mit vielen regionalen Stakeholdern und Geldgebern hat an einem Strang gezogen und gezeigt, wie wichtig ihnen das Event ist", sagte Knirsch, "alle wollen diesen Heimweltcup. Das hat den Ausschlag gegeben, dass wir trotz der fortgeschrittenen Zeit nicht aufgegeben haben. Das Saisonfinale bleibt in Berchtesgadener Hand." Mit der Entscheidung für das Gebiet am Obersalzberg habe man - trotz der Herausforderungen, die ein neuer Standort mit sich bringt - strategisch wichtige Schritte für die Zukunft gemacht.

Am Götschen hat Ramona Hofmeister schon dreimal die Kristallkugel der Weltcup-Gesamtsiegerin entgegengenommen. (Foto: Jasmin Walter/Gepa/Imago)

Finale dahoam, wenn auch ums Eck: Ramona Hofmeister wird es mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Wichtiger ist ihr, dass sie rechtzeitig zum Auftakt in Carezza (am Samstag steht in Cortina d'Ampezzo schon das nächste Rennen an) die Probleme mit dem Rücken endlich in den Griff bekommen hat. Welten lägen zwischen ihrer aktuellen Verfassung und der im vergangenen Winter, erzählte sie nach den beiden Europacup-Siegen: "Diese zwei Tage am Götschen waren wichtig fürs Renngefühl. Ich bin jeden Lauf durchgekommen. Darum geht's, um am Ende gute Ergebnisse einzufahren. Jetzt fühle ich mich top vorbereitet, das Selbstbewusstsein stimmt."

Unlängst beim Medientermin von Snowboard Germany im Münchner "Backstage" hatte sie die Reporter noch mit einer anderen Nachricht überrascht, als sie in einem Nebensatz von einem neuen Ausrüster berichtete. Warum wechselt man nach zehn überaus erfolgreichen Jahren mit nun 16 Weltcup-Siegen noch mal das Brett? "Fährt sich ganz anders", sagt sie über das neue Fabrikat aus der Schweiz, "liegt stabiler für meine Statur." So ungewöhnlich dieser Schritt erscheinen mag: Wenn, dann bietet sich eine solche Umstellung in einer Saison ohne Großereignis an, also in einer wie dieser. Olympia 2026 habe sie schon im Hinterkopf, gibt sie zu. Schließlich war sowohl bei Olympischen Winterspielen (Bronze 2018) als auch bei Weltmeisterschaften (Bronze 2019, Silber 2021) stets noch ein Hauch Luft nach oben, was einer Seriensiegerin wie Hofmeister nicht schmecken kann.

Auch neben der Piste tut sich einiges. Seit April hat sie eine Schäferhündin namens Chili - und in ihrem Job als Polizistin wieder was dazugelernt. Nach der Rechtsmedizin im Vorjahr schaute sie diesmal beim Kriminaldauerdienst und der Spurensicherung vorbei. "Da ging's um Großbrände, Drogensachen und Sexualdelikte", erzählte sie, "der Beruf ist so vielseitig." Fast so vielseitig wie all die Rennpisten in ihrem anderen Job.

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