Skicross:Die Kämpferin gibt auf

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"Die Zeit ist gekommen, sich neuen Aufgaben zu widmen": Heidi Zacher, hier im Jahr 2019 am Blue Mountain in Kanada, arbeitet nun als Bankfachwirtin. (Foto: Matic Klansek/Gepa Pictures/imago)

Sieben Weltcup-Siege, zwei Olympia- und sechs WM-Teilnahmen, aber auch zahllose Verletzungen: Heidi Zacher beendet ihre ebenso erfolgreiche wie harte Karriere. Mögliche Nachfolgerinnen sind im DSV rar.

Von Thomas Becker

Eine der härtesten Proben in ihrer an Härten nicht eben armen Karriere musste Heidi Zacher vor vier Jahren im Münchner Postpalast an der Donnersberger Brücke bestehen. In der Form ihres Lebens war Deutschlands beste Skicrosserin kurz vor Olympia gestürzt: Kreuzbandriss. Wenige Tage später kam sie dennoch zur Einkleidung in den Postpalast - um wenigstens einen Hauch von Olympia-Atmosphäre mitzubekommen. Statt sich für das Ringe-Fest von Pyeongchang auszustaffieren, wo sie als Medaillenkandidatin gegolten hatte, konnte sie nur zuschauen und einen Einblick in ihre Sportlerseele geben, im Sitzen, denn das Knie war mit einer Orthese ruhig gestellt.

Kurz vor den nächsten Winterspielen nun die nächste Hiobsbotschaft aus dem Hause Zacher: Sie beendet ihre Karriere, nach 16 Jahren. "Ich habe sehr oft und sehr hart gekämpft, um nach Verletzungen wieder Rennen fahren zu können. Denn das Rennfahren ist und bleibt meine größte Leidenschaft", teilte die 33-Jährige über den Deutschen Skiverband (DSV) mit. "In den letzten Monaten ist mir jedoch klar geworden, dass mir mein Körper es nicht mehr erlaubt, den Sport mit der letzten Konsequenz ausüben zu können."

Von 2007 datiert ihr erster Kreuzbandriss, 2012 brach das Schienbein, im Januar 2020 das Sprunggelenk

"Unfälle pflastern ihren Weg", so könnte ein Film über die Sportlerin vom SC Lenggries heißen. Zuletzt kämpfte sie nach einem Sturz vom Rennrad mit Rückenproblemen. Von 2007 datiert ihr erster Kreuzbandriss, 2012 brach das Schienbein, im Januar 2020 das Sprunggelenk inklusive Syndesmoseriss. Seitdem hat Zacher kein Weltcuprennen mehr bestritten, insofern kommt der Rückzug nicht überraschend. "Nicht zuletzt die andauernden Rückenprobleme nach dem Trainingsunfall in der Sommervorbereitung lassen es nicht zu, dass ich zu hundert Prozent konkurrenzfähig Rennen fahren kann", erklärte Zacher, die trotz aller Blessuren immer positiv blieb.

Von 2007 datiert Heidi Zachers erster Kreuzbandriss, 2012 brach das Schienbein, 2020 das Sprunggelenk. Zuletzt kämpfte sie nach einem Sturz vom Rad mit Rückenproblemen. (Foto: Sven Simon/imago)

Es sei nun "die Zeit gekommen, sich neuen Aufgaben zu widmen". Die Bankfachwirtin setzt ihre berufliche Tätigkeit fort. DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier würdigte die frühere Rennläuferin: "Heidi Zacher hat über weite Strecken das internationale Niveau in der Disziplin Skicross mitbestimmt und tolle Erfolge für den DSV eingefahren." Sieben Weltcup-Siege, zwei Olympia- und sechs WM-Teilnahmen sorgten dafür, dass der Begriff Skicross und der Name Zacher jahrelang wie selbstverständlich zusammengehörten.

Während bei den Männern fünf DSV-Athleten die Olympia-Norm erfüllten, gelang das bei den Frauen nur Daniela Maier

Längst sind andere Namen dazugekommen. Während bei den Männern fünf DSV-Athleten die Olympia-Norm erfüllten, gelang das bei den Frauen nur Daniela Maier vom SC Urach. Die 25-Jährige ist seit sechs Jahren im Weltcup, hat von den letzten sechs Rennen fünf in den Top Ten beendet, beim jüngsten Weltcup in Schweden wurde sie Sechste und Siebte, belegt in der Gesamtwertung den sechsten Platz. Das zeugt von Konstanz, doch Heli Herdt, der Sportliche Leiter der Skicrosser, traut ihr mehr zu: "Vom Fahrerischen kann sie mit Sandra Naeslund mithalten." Die Schwedin ist zweifache Weltmeisterin, 17-fache Weltcupsiegerin und Gewinnerin des Gesamtweltcups.

Dass bei Maier bislang erst fünf Podiumsplätze zu Buche stehen, liege daran, dass sie "immer mal wieder einen Fehler" einstreue, sagt Herdt. "Aber sie ist stark, sie ist gut drauf, sie kann aufs Podium fahren." Auch bei Maier ist der letzte Kreuzbandriss erst ein Jahr her. Schritt für Schritt komme die Konstanz zurück, und sie könne ihre Stärken - Sprünge und Wellenfahren - verstärkt ausspielen, meint Herdt: "Ihre Quali-Zeiten sind permanent im Top-sechs-Bereich - das wird auch in China eine Rolle spielen."

Dort wird für den DSV bei den Skicross-Frauen neben Maier nur noch die Telemark-Weltmeisterin Johanna Holzmann (SC Oberstdorf) antreten. Die nach zig Rückschlägen erneut am Knie verletzte Celia Funkler (TSV 1860 München) war in diesem Winter nicht für das Weltcup-Team vorgesehen, wollte sich im Europacup heran kämpfen. Und die frühere Abfahrerin Meike Pfister hat bislang noch kein Rennen bestritten: "Die braucht noch ein paar Skicross-Kilometer", sagt Herdt. Dahinter klaffe bei den Frauen eine Lücke bis zu den Jahrgängen 2002, was der DSV aber nicht exklusiv habe: "Bis auf Schweiz und Kanada haben da alle Nationen eine Delle." Selbst bei Olympia gebe es bei 32 Startplätzen nur 28 Athletinnen. Auch deshalb peilt er eine Kooperation mit Österreich oder Italien an, "um das Training frauenspezifischer gestalten zu können".

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