Ski-WM: Slalom der Frauen:Bauchlandung

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Die einst so hoch geschätzten deutschen Slalom-Frauen gehen im WM-Rennen unter, Maria Riesch verpasst knapp Bronze. Dafür wissen zwei Österreicherinnen nicht, wohin mit ihrem Glück.

Thomas Hummel, Garmisch

Wolfgang Maier stand plötzlich am Zaun und sprach in einige Mikrofone hinein. Er grinste dabei oft, lächelte manchmal, doch was der Sportdirektor des Deutschen Ski-Verbands da sagte, war eigentlich gar nicht zum Lachen. Es glich eher einer Generalabrechnung mit einigen seiner Skifahrerinnen. Und weil Wolfgang Maier seine harschen Worte mit einem so freundlichen Ausdruck untermalte, erhärtete sich der Eindruck, dass da einer nun gar keinen Spaß mehr versteht.

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Marlies Schild absolviert zwei fehlerfreie Läufe und gewinnt Gold im Slalom. Maria Riesch bleibt ein undankbarer Platz, die anderen deutschen Läuferinnen enttäuschen.

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"Es ist eine Enttäuschung, was wir hier abgeliefert haben", sagte der 50-Jährige nach dem WM-Slalom der Frauen am Gudiberg. Und er fühlte sich bestätigt. Denn Maier hatte die Frauen schon seit dem schlechten Abschneiden zwei Wochen zuvor in Zwiesel harsch angegangen. Der Tenor: Viele Mädchen beim DSV haben großes Talent, ruhen sich aber darauf aus und richten es sich bequem ein hinter den Erfolgen von Maria Riesch. Der WM-Slalom spiegelte genau das wider.

Nur Riesch konnte um die Medaillen mitfahren - wieder einmal. Dabei gelangen auch ihr nicht die allerglücklichsten Rennen, im ersten Lauf verlor sie im oberen Steilhang acht Zehntel auf die Österreicherin Marlies Schild. Als Fünfte riskierte sie im zweiten Lauf viel und machte zu Halbzeit der Strecke einen schlimmen Fehler, der ihr schließlich eine Medaille kostete.

Riesch kam auf Platz vier, 67 Hundertstel Sekunden hinter der drittplatzierten Maria Pietilae-Holmner. Weit enteilt: die Österreicherinnen Kathrin Zettel (Silber, eine Sekunde vor Riesch) und Marlies Schild (1,34 Sekunden vor Riesch).

Noch bis in den Dezember hinein galten die deutschen Frauen in den technischen Disziplinen Slalom und Riesenslalom als das beste, was im Weltcup herumfährt. Kein Team würde technisch so genau fahren, so keck, so beschwingt die Berghänge bezwingen. Hinter Maria Riesch bereitete sich eine Horde junger Nachfolgerinnen auf den Durchbruch nach ganz oben vor. Der Slalom der Frauen an diesem Samstag sollte der Höhepunkt der Weltmeisterschaft in Garmisch-Partenkirchen werden, das Skistadion am Gudiberg war mit 11.000 Zuschauern seit Wochen ausverkauft, angeblich hätten die Veranstalter mehr als 40.000 Karten verkaufen können.

Doch irgendwann während dieses Winters wendete sich plötzlich die Tendenz. "Seit Dezember hat sich das Abschneiden bei dieser WM abgezeichnet", schimpfte Maier.

Das Abschneiden sah dann so aus: Katharina Dürr lieferte im ersten Lauf eine wilde Fahrt und hatte da schon 3,99 Sekunden Rückstand (am Ende Platz 23). Christina Geiger schied zum sechsten Mal im achten Weltcup-Rennen aus, weil sie in der Haarnadel ein Tor nicht erwischte. Fanny Chmelar sagte nach dem ersten Lauf: "Ich hab auf der Strecke gemerkt, dass mehr drin war, dass ich mal Gas geben muss." Und nach dem zweiten Lauf: "Das war mehr als bescheiden." Sie kam auf Rang 15 und versteckte sich erst einmal hinter den Absperr-Luftpolstern vor den Blicken der Zuschauer.

Susanne Riesch stolperte dann sinnbildlich für das deutsche Slalom-Team nach einem Fahrfehler über eine Stange und rutschte 20 Meter auf dem Bauch den Hang hinunter. Es war fast schon bemitleidenswert. Danach war sie erleichtert, dass die Heim-WM endlich vorbei war: "Jetzt ist der Druck weg, die Last."

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Sportdirektor Maier machte jedoch überhaupt nicht den Eindruck, als würde für die Mädchen ein gemütlicher Saisonausklang folgen. "Jetzt wissen alle, wo sie stehen und dass sie so nicht weitermachen können." Er hält den jungen Fahrerinnen mangelndes Engagement vor, zu wenig Ziestrebigkeit, zu wenig Biss. Das fällt nur niemandem auf, weil die Öffentlichkeit auf Maria Riesch blickt. Auch diesmal lag die ganze Last eines gelungenen WM-Tages auf der 26-Jährigen vom SC Partenkirchen.

Enttäuscht, frustriert, abgeschlagen: Katharina Dürr. (Foto: Getty Images)

Immerhin schenkte sie den 11.000 Zuschauern einen umjubelten zweiten Lauf. Sie konnte zwar nach der ersten Zwischenzeit nur knapp ein Ausscheiden verhindern, kam aber dennoch mit Bestzeit ins Ziel, die Menschen am Hang und auf der Tribüne durften wenigstens dieses eine Mal so etwas wie Enthusiasmus zeigen, ein bisschen ausgelassenen, lauten Jubel. Doch schon Pietilae-Holmner danach war schneller und am Ende hätte Schild schon ausfallen müssen, damit Riesch noch ihre dritte Bronze-Medaille bei dieser WM gewinnt. Doch Schild brachte ihren Lauf sicher herunter, Riesch musste als geschlagene Vierte die Sponsorenwand verlassen und schleuderte ein paar Meter weiter ihre Ski und Stöcke wütend in den Schnee.

Ihr Verlobter und Medienberater Marcus Höfl stand leicht irritiert neben ihr und blickte mit seiner schwarzen Sonnenbrille wie ein Fuchs umher, ob diesen Ausbruch negativer Emotionen auch nicht zu viele gesehen haben. Viele Minuten sprachen die beiden miteinander, als Letzte ging Riesch zu den Kameras und Mikrofonen. Und war plötzlich gar nicht mehr zornig. "Ich bin einfach nicht richtig ins Fahren gekommen. Vielleicht konnte ich zu wenig trainieren hier", sagte sie im Hinblick darauf, dass drei Slalom-Spezialistinnen vor ihr lagen, während sie ja schon drei Wettbewerbe absolviert hatte in Garmisch. Auch ihre WM-Bilanz sah sie nun positiv: "Auch wenn es mit dem ersehnten und allseits erwarteten Gold nicht wurde, ich fand's trotzdem gut."

Gut fanden diese WM auch die österreichischen Ski-Frauen. Richtig gut sogar. Vier von fünf Goldmedaillen gingen an Fahrerinnen aus dem Österreichischen Ski-Verband, der Slalom hinterließ zwei Siegerinnen, die gar nicht wussten, wohin mit ihrem Glück. Die eigentlich zurückhaltend wirkende Marlies Schild jauchzte laut ins Stadionmikrofon, die 29-Jährige gilt seit Jahren als wohl beste Slalom-Fahrerin, kam nach Großveranstaltungen aber immer geschlagen nach Hause. Dreimal Silber und einmal Bronze hatte sie schon gewonnen. In dieser Saison siegte sie bei fünf von sieben Weltcup-Slaloms. "Alle haben heute Gold von mir erwartet", sagte sei, der Druck sei enorm gewesen, die Nachtruhe vor dem Rennen schlecht. Dennoch reichte es endlich zu Gold. "Ich glaube an Schicksal, vielleicht hatte es seinen Grund, dass ich so lange auf Gold warten musste", sagte sie.

Noch gerührter stand Kathrin Zettel im Zielraum. Die 24-Jährige war Ende 2010 schon vor dem Karriereende gestanden, weil die seit Jahren anhaltenden Schmerzen in Hüfte und Knie einfach nicht besser werden wollten. Sie machte Urlaub in Dubai, während die Kolleginnen in den USA und Kanada schon Weltcup-Rennen fuhren. In Garmisch konnte sie im Zielraum ihre Tränen nur mit Mühe zurückhalten. "Es ist ein Traum, ich bin so überwältigt. Das macht vieles wieder gut", sagte sie. Dennoch steht immer noch ein Rücktritt im Raum. "Ich muss mich mit den Ärzten zusammensetzen und besprechen, wie es weitergeht."

Eine unklare Zukunft - es war das einzige, was die überglückliche Kathrin Zettel am Samstag mit den völlig enttäuschten deutschen Slalom-Frauen gemein hatte.

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