Ski:Auf zwei Bühnen

Lesezeit: 2 min

Zweigleisig unterwegs: Ester Ledecka hat am vorigen Wochenende in Winterberg die Weltcup-Wertung im Parallel-Riesenslalom der Snowboarder gesichert. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Tschechin Ester Ledecka ist die erste Wintersportlerin, die sowohl im Snowboard-, als auch im alpinen Ski-Weltcup antritt. Für die Winterspiele 2018 in Südkorea hat sie bereits jetzt ein ungewöhnliches Projekt in Planung.

Von Johannes Knuth, München

Manchmal, sagt Ester Ledecka, ist sie selbst verwirrt, ganz kurz. Dann schaut sie nach, welches Sportgerät gerade an ihren Füßen hängt, bevor sie sich den Hang hinunterschiebt, ein Paar Skier oder ein Snowboard. Die Bewegungen fließen meistens sowieso ineinander über, weiß Ledecka, "meine Trainer sagen mir entweder: Du fährst Ski wie eine Snowboarderin. Oder: Du fährst Snowboard wie eine Skifahrerin." Nicht, dass sie das stören würde, "beim Skifahren habe ich die Beine auseinander, nicht in einer Bindung. Ansonsten ist es kein großer Unterschied", sagt Ledecka. Letztlich sei es ja so: "Es geht in beiden Sportarten bergab."

Ester Ledecka, 20, aus Prag, zieht seit drei Jahren hauptsächlich als Snowboarderin durch den Weltcup, im Parallel-Riesenslalom und -Slalom. Im Januar 2015 gewann sie ihr erstes Weltcuprennen, eine Woche später war sie Weltmeisterin im Parallelslalom. Am vergangenen Wochenende sicherte sie sich in Winterberg den Gesamtsieg im Riesenslalom-Weltcup, beim letzten Auftritt des Winters. Ihr Geschäftsjahr ist damit allerdings noch nicht abgeschlossen: Ledecka hat seit einer Weile, fast unbemerkt, eine duale Karriere eingeleitet, als snowboardende Skifahrerin. Oder skifahrende Snowboarderin.

Im Februar stellte Ledecka sich in Garmisch-Partenkirchen erstmals im Ski-Weltcup vor. Die Konkurrenz ist zahlreicher, Debütanten reihen sich oft hinter den besten 30 der Welt ein. Ledecka wurde 24., auf der tückischen Kandahar. Am Tag darauf reichte sie im Super-G einen 25. Platz ein, in La Thuile wurde sie 23. (Abfahrt) und 24. (Super-G). Zwischendurch gewann sie halt noch die Snowboard-Weltcupwertung. Ledecka ist die erste Athletin überhaupt, die beide Sportarten vereint, die beide Bühnen bespielt. "Die meisten Skifahrerinnen denken, ich sei verrückt", sagt Ledecka, aber die Konkurrenz meine das schon anerkennend. Sie hat noch einiges vor bei den Alpinen, es ist noch ein wenig verrückter als ihr Doppelleben auf der Tour.

Ledecka war schon einmal nah dran, im Frühjahr 2014. Damals hätte sie sich beinahe für beide Sportarten bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi eingeschrieben. Sie verpasste die Zulassung für die Ski-Auswahl knapp. Für Südkorea, für die nächsten Spiele, hat sie sich vorgenommen, beides zu kombinieren: Snowboard und alle fünf Disziplinen, die das olympische Ski-Programm führt, von der Abfahrt bis zur Kombination: "Es klingt vielleicht verrückt", sagt Ledecka, sie lacht; die meisten Skifahrer spezialisieren sich ja auf zwei, höchstens drei Disziplinen, wegen Konkurrenz und Reisestress. Allerdings kann Ledecka ein recht plausibles Argument hervorbringen: "Es hat noch niemand probiert." Und überhaupt hat sie gelernt, dass es gewinnbringend sein kann, wenn man auf die Lehrmeinung pfeift.

"Die meisten Skifahrerinnen denken, ich sei verrückt" - die Tschechin Ester Ledecka, 20, strebt auf dem Snowboard und mit Alpin-Skiern nach Erfolgen. (Foto: Marius Becker/AP)

Ledecka war fünf, als sie ihre ersten Skirennen fuhr. Sie übte bald auch auf dem Snowboard, das Interesse fürs Skifahren erkaltete, aber nur ein wenig. "Mir haben ständig Leute gesagt, ich soll mich auf dieses oder jenes spezialisieren, dann könnte ich noch erfolgreicher sein", erinnert sie sich: "Aber ich habe mich immer in beiden Disziplinen wohlgefühlt. Warum sollte ich eine aufgeben? Ich bin wie ich bin."

Ledecka plant längst für ihren Olympiawinter. Am Wochenende wird sie beim Ski-Weltcup in Lenzerheide auftreten, beim Finale in St. Moritz dann im Teamwettbewerb. Im kommenden Winter wird sie Riesenslaloms und Slaloms in ihren bereits vollgequetschten Kalender einbauen; nur wer gute Ergebnisse erwirtschaftet, klettert in der Weltrangliste, und nur wer klettert, dem werden gute Startnummern zugesprochen. "Das Reisen ist das größte Problem, aber das war es schon immer", sagt Ledecka. Das andere ist Geld. Nur die besten Zehn werden im Skizirkus ansprechend entlohnt, Ledecka finanziert das Skifahren gerade exklusiv mit dem Snowboarden. Sie unterhält ihr eigenes Team, mit je einem Trainer pro Sportart. In der Szene ist sie bekannt, bei Interviews bauen sie hinter ihr eine Werbetafel auf mit ihren Sponsoren, mehr als ein Dutzend sind es derzeit. Nach der Saison möchte sie trotzdem noch was tun, zur Absicherung: Sie wird ein Wirtschaftsstudium anfangen.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Olympia
:Die triste Wirklichkeit für ein paar Tage verdrängt

Der Mythos des Eiskunstlaufs ist längst verblasst. Trotzdem schaffen es Aljona Savchenko und Bruno Massot, bei Olympia die Massen zu rühren.

Kommentar von Barbara Klimke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: