Olympia:Die triste Wirklichkeit für ein paar Tage verdrängt

Der Mythos des Eiskunstlaufs ist längst verblasst. Trotzdem schaffen es Aljona Savchenko und Bruno Massot, bei Olympia die Massen zu rühren.

Kommentar von Barbara Klimke, Pyeongchang

Halbleere Hallen, keine Stars, wenig Sternchen, stetig abnehmendes Interesse: Das ist die triste Wirklichkeit des Eiskunstlaufs in Deutschland in den vergangenen Jahren gewesen. Dann hat Bruno Massot am Donnerstagabend bei der Party im Deutschen Haus zur Magnum-Sektflasche gegriffen, sie heftig geschüttelt und ist in Formel-1-Manier auf die Gäste losgegangen. Zumindest der versammelten Sportprominenz dürfte im Sprühregen die Erkenntnis gekommen sein, dass dieser Sport nicht grundlos einst die Massen rühren konnte.

Es bedurfte eines gerade noch rechtzeitig eingebürgerten Franzosen, der famosen Aljona Savchenko sowie der Weltbühne Olympia, um das Potenzial eines verblassten Mythos zu beleuchten. Wenigstens ein paar Tage lang, solange der Jubel um das erste Paarlauf-Gold in Deutschland seit 66 Jahren anhält. Eiskunstlauf ist eine Sportart, die zu ihrer Perfektion jahrzehntelanges hartes Training, Mut, Willen und Disziplin erfordert.

Trainer König kanalisierte Savchenkos Ehrgeiz

Konsequenterweise werden im Scheinwerferlicht des Erfolgs stets nur die Einzelkünstler angestrahlt, obwohl das Olympiagold von Savchenko/Massot einer ausgesprochenen Teamleistung entspringt.

Selbstverständlich muss die Zusammenarbeit zweier Läufer harmonieren, aber den Erfolg des Duos haben zur Hälfte die Menschen dahinter ausgemacht, jene ohne Pailletten. Allen voran Trainer Alexander König, früher selbst Paarläufer, dem es gelang, Savchenkos Kreativität freizusetzen und gleichzeitig ihren immensen Ehrgeiz zu kanalisieren. König griff moderierend ein, wenn Spannung in der Luft lag. Dazu kommen Choreografen, Assistenten, Physiotherapeuten, Teamärzte und Kostümschneider.

Es spricht für die Deutsche Eislauf-Union, dass sie vor vier Jahren der Versuchung widerstand, für Aljona Savchenko und ihren damals neuen Partner einen international renommierten Trainer im Ausland zu suchen. Stattdessen sollte das Paar die Grundlagen an hiesigen Stützpunkten schaffen. Man sollte zunächst den eigenen Trainern Vertrauen schenken, hieß die Devise, schließlich habe man sie für solche Aufgaben ausgebildet.

Noch in der Stunde des Erfolges hat der Sportdirektor den Blick in die Zukunft gerichtet, in jene Tage, wenn die Olympiasieger nicht mehr Pirouetten drehen. Die Athleten haben jahrelang ihre ganze Kraft dem Eiskunstlauf gewidmet, sagte er, nun müsse der Verband dafür sorgen, dass sie ein erfülltes Leben nach der Karriere führen können. Auch das ist eine Haltung, auf die man in der Stunde des Erfolgs anstoßen kann. Es muss ja nicht gleich die Sektdusche sein.

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