Ski alpin:Matti ohne Herrchen

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Ein guter Lauf ist zu wenig: Fritz Dopfer schied beim Slalom in Levi im zweiten Durchgang kurz vor dem Ziel aus. (Foto: Gabriele Facciotti/dpa)

Wieder mal hat sich die Reise der Deutschen zum Slalom-Wochenende nach Levi nur bedingt gelohnt. Vereinzelt gelingen gute Durchgänge, doch es fehlt an Konstanz.

Von Johannes Knuth, Levi/München

Wo war eigentlich Matti? Matti, dies zur Info für alle Nicht-Stammgäste des alpinen Skizirkus', ist das Rentier, das Felix Neureuther im Vorjahr für seinen Weltcuperfolg in Levi vermacht wurde, so wie sie das in der finnischen Stadt mit allen Siegern praktizieren. Die Tiere verbleiben nach dem Rennen natürlich auf einer benachbarten Farm im schnuckeligen Lappland, 135 Kilometer nördlich des Polarkreises, und wenn ihre Besitzer alle Jahre mit dem Weltcup-Tross dort Halt machen, tummeln sich ihre animalischen Trophäen in einem Gehege neben der Piste. Am Wochenende waren dort einige Sieger-Rentiere der vergangenen Jahre anwesend: Leo (von Marcel Hirscher, 2016), Igor (Petra Vlhova, 2017) oder Mister Gru (Mikaela Shiffrin, die am Samstag zum dritten Mal in Levi gewann). Matti dagegen fehlte. Er war diesmal von repräsentativen Aufgaben befreit und faulenzte auf einer Farm jenseits des Geländes. Wobei das Rentier durchaus mildernde Umstände vorbringen konnte.

Sein Inhaber, Felix Neureuther, war ja schon vor dem ersten Slalom des Winters abgereist. Der 34-Jährige hatte sich im Training am Freitag den Daumen gebrochen, er wurde bereits am Sonntag in München operiert. Seine Rückkehr in den Weltcup, knapp ein Jahr nach seinem Kreuzbandriss, verschiebt sich um weitere sechs Wochen. "Ich freue mich, wenn ich irgendwann auch mal wieder am Start stehen werde", sagte er vor der Abreise aus Finnland ins ARD-Mikrofon. Dann lächelte er dem Anlass angemessen, also reichlich gequält. Statt eines Rentieres hatte Neureuther diesmal einen Gips erstanden, immerhin einen farbenfrohen, in Pink.

Für den Deutschen Skiverband (DSV) war es am Ende wieder mal eines dieser Einerseits-Andererseits-Wochenenden. Einerseits zeigten Fritz Dopfer, 31, und Anton Tremmel, 23, am Sonntag einen guten bzw. sehr guten ersten Lauf. Marina Wallner hatte am Samstag als 14. zudem die halbe WM-Norm erfüllt, die Anwesenheit unter den besten 15 eines Rennens also. Andererseits schieden Dopfer und Tremmel im zweiten Lauf jeweils kurz vor dem Ziel aus (Tremmel wurde als 27. gewertet, erhält aber keine Weltcuppunkte); Sebastian Holzmann war als 23. der beste Vertreter der DSV-Männer. Linus Straßer, Dominik Stehle und Stefan Luitz hatten die Beförderung in den zweiten Durchgang gar nicht erst geschafft, wie Lena Dürr am Tag zuvor. Das alte Leitmotto, das die deutsche Technik-Abteilungen zuletzt begleitet hatte, war fürs Erste also auch das neue: Es ist ein zäher Kampf um Konstanz in der höchsten Liga des alpinen Skirennsports.

Mathias Berthold, der Cheftrainer der deutschen Männer, hatte diesen Tatbestand bereits in der Vorbereitung bemängelt. Klar, seine Techniker hatten in den vergangenen Jahren einige Weihen gesammelt, WM-Bronze durch Neureuther, WM-Silber von Dopfer, Weltcup-Siege und Podien, zuletzt vor allem dank Stefan Luitz, der in Levi sein Comeback nach Kreuzband-Reha gab. Andererseits: Dopfer leidet noch immer unter den Spätfolgen seines Schien- und Wadenbeinbruchs, der Fortschritt der zweiten Garde, sagte Berthold, stimmte ihn bis zuletzt "nicht sonderlich glücklich". Der Österreicher versetzte Albert Doppelhofer, den Architekt vieler deutscher Technik-Erfolge, im Sommer in den B-Kader, "damit er die Jungs dort fordert und fördert". Für die erste Reihe verpflichtete Berthold Landsmann Bernd Brunner, was sich offenbar rasch auf die Trainingsfahrten auswirkte. "Technisch fahren sie besser Ski als in den letzten Jahren", berichtete Berthold, "was noch fehlt, ist die Konstanz." Der zunächst erfrischende, dann unglückliche Auftritt des jungen Tremmel in Levi, der bei seinem vierten Weltcup-Auftritt erstmals im zweiten Lauf hospitierte, diente da als kleine Fallstudie.

Immerhin: Das richtige Comeback von Stefan Luitz kommt erst noch, in seiner Leib- und Magendisziplin, beim Riesenslalom in zwei Wochen in Beaver Creek. Und die zuletzt stark verbesserte Speed-Mannschaft habe sich im Training zuletzt noch ausgeglichener präsentiert, sagte Berthold, vor allem in der zweiten Reihe hinter Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen. Die Männer starten am kommenden Wochenende mit einer Abfahrt in Lake Louise in den Winter.

Im Kampf um den Gesamtweltcup meldeten sich in Levi derweil die alten Verdächtigen zu Wort. Die Amerikanerin Mikaela Shiffrin gewann ihren 33. Slalom, gleichbedeutend mit Weltcup-Sieg 44, und deutete an, dass sie sich in diesem Winter in erster Linie nur selbst in die Quere kommen kann. Und bei den Männern boten der Österreicher Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen eine packende Vorschau darauf, wie es zwischen den beiden Dauerrivalen in diesem Winter wieder zugehen dürfte: Hirscher gewann 0,09 Sekunden vor dem Norweger; der Dritte André Myhrer lag bereits 1,3 Sekunden zurück. Auch Hirscher gewann sein drittes Rentier ("Mr. Snow"), wie Shiffrin. Die besten Skirennfahrer der Gegenwart können in Lappland so langsam einen Rentier-Zoo eröffnen.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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