Ski alpin:Linus Straßers einsamer Siegesschrei

Lesezeit: 3 min

Linus Straßer jubelt über seinen ersten Platz. (Foto: dpa)

Der Deutsche gewinnt in Zagreb den ersten Weltcup-Slalom seiner Karriere - und verschafft den deutschen Alpinen einen unverhofft süßen Neujahrsauftakt.

Von Johannes Knuth, Zagreb/München

Der Schrei, der hatte es auch in sich. Einsam vibrierte er durch den Zagreber Abend, und er machte auch nicht das Fehlen der Zuschauer wett, die am Bärenberg, dem Hausberg der kroatischen Hauptstadt, für gewöhnlich Rockkonzertstimmung verbreiten, wenn die alpinen Slalomläufer dort zu Gast sind. Aber dieser Schrei, den der Münchner Skirennfahrer Linus Straßer am Mittwochabend in die kroatische Nacht schickte, war immerhin eine angemessene Entschädigung für die trostlose, pandemiebedingte Kulisse. Dann kamen dem Urheber die Tränen.

Kamil Stochs Tourneesieg
:Sein eigenes Maß

Erst fast ausgeschlossen, dann ganz vorne: Kamil Stoch feiert einen emotionalen dritten Tournee-Erfolg. Karl Geiger gelingt in Bischofshofen ein versöhnlicher Abschluss.

Von Volker Kreisl

Der aktuelle Winter hatte nicht gerade erbaulich begonnen für die Alpinen des Deutschen Skiverbandes (DSV): Viktoria Rebensburg war zurückgetreten, Thomas Dreßen hatte sich einer Hüftoperation unterzogen, zwei der besten Athleten der vergangenen Winter, ausgerechnet. Die verbliebenen Vorfahrer spendeten dann gleich einige Mutmacher, auch Straßer, der im zweiten Slalom des Winters Sechster wurde, aber ein Podiumsbesuch gelang nur Alexander Schmid, im Parallelrennen in Lech/Zürs. Bis Straßer am Mittwoch in Zagreb antrat, dem ersten von sieben Slaloms in diesem Januar. Und gleich dieser erste gelang dem 28-Jährigen vom TSV 1860 München so makellos wie ein junger Tiefschneehang: Ein forscher, aber nicht zu forscher erster Lauf, Platz acht; dann ein zweiter wie im "Flow", wie Straßer später schwärmte: "Dass es ganz nach vorne reicht", gab er zu, hätte er freilich "nie gedacht", aber gut, bilanzierte er, nun schon wieder recht trocken im Abgang: "Umso schöner".

Der letzte deutsche Erfolg im Slalom gelang einem prominenten Vorfahren: Felix Neureuther

Deutsche Siege bei den Alpinen haben meist einen gewissen Seltenheitswert, die Weltspitze rückt seit Jahren noch enger zusammen, in Zagreb war das erneut zu bestaunen. Nur wer sich mit der Entschlossenheit eines Präriepferdes in den Kurs stürzte, durfte sich überhaupt Hoffnungen auf den Sieg machen. Für den bislang letzten deutschen Erfolg in einem Weltcup-Slalom musste man freilich nicht ganz so tief im Archiv stöbern: Felix Neureuther hatte im November 2017 in Levi gewonnen. Straßer hatte sogar schon ein Dreivierteljahr zuvor in Stockholm erstmals in der höchsten Liga des Alpinsports gesiegt, allerdings nicht im Spezialslalom, sondern in einem Parallel-Event, das im Kollegium noch immer nicht ungeteilte Zuneigung erfährt. Straßer war damals auch dem Podium im Slalom schon sehr nahegekommen, als Fünfter in Schladming, allerdings bereits im Januar 2015. Und jetzt, der Satz nach ganz vorne?

Auch Straßers Winter hatte zuletzt eher mäßig temperiert begonnen, in der Vorbereitung hatte er leichte Schmerzen im linken Knie nicht ganz ernst genommen, und was klein begann, war bald ein größeres Hindernis: Eine Sehne war entzündet, Straßer verpasste drei Monate Schneetraining. Die ersten Versuche im neuen Winter verliefen entsprechend holprig, Rang 29 im Parallelrennen in Lech/Zürs, Platz 18 zum Slalom-Auftakt in Alta Badia. In Madonna di Campiglio, kurz vor Weihnachten, preschte er schon wieder auf Rang sechs vor; der Straßer dort hatte bereits viel mit jenem Fahrer gemein, der im Vorwinter ein paar hochseriöse Ergebnisse unter den besten Zehn präsentiert hatte. Aber dass es im nächsten Rennen gleich für den Sieg reichen würde?

"Es ist ein bisschen surreal", sagte Straßer nun. Ihm hätten die Zuschauer schon sehr gefehlt, denn "geteilte Emotionen sind die schöneren im Leben". Er habe sich vor dem Rennen auch "nicht gut gefühlt", allerdings sei es im Sport manchmal so: "Wenn man es unbedingt will, passiert es nicht, und wenn man es passieren lässt, dann passiert es auch."

Ski alpin
:Herrscherin über den Weltcup

Petra Vlhova stammt aus einer slowakischen Kleinstadt, lässt die Konkurrenz aus traditionellen Ski-Kraftzentren aber hinter sich - dank eines simplen wie unerbittlichen Plans.

Von Johannes Knuth

So in etwa war es auch in Straßers bisheriger Karriere passiert. Vor sechs Jahren war er erstmals in die Weltspitze im Slalom gestürmt, Platz 14 in Kitzbühel, wo er als Kind mit den Eltern oft Ski fuhr, Platz fünf dann in Schladming, dort, wo Zehntausende rund um das Rennen eine gigantische Après-Ski-Sause veranstalten, wo die Fahrer ihre Emotionen also besonders gut teilen können. Straßer musste die kommenden Jahre allerdings lernen, dass es in dieser Art nicht einfach so weitergeht. Er wurde etwas nachlässig, dann wollte er es unbedingt gut machen, aber wie das halt so ist im Sport: Der Athlet erreicht damit oft das Gegenteil, zumal in diesem hektischen Tanz durch die Slalomstangen, wo Millimeter zwischen Sieg und einer Nullrunde trennen. Erst im Vorjahr fand sich Straßer wieder regelmäßig in der Weltspitze ein. Und nun?

"Der Linus ist jetzt aufgeräumter, er hat seine Lektionen gelernt", hatte DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier unlängst der Nachrichtenagentur dpa gesagt: "Er hat das Geschäft verstanden und weiß genau, was er machen muss." Davon kündete am Mittwochabend nicht zuletzt ein einsamer Schrei in der Nacht von Zagreb.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: