Ski alpin - Frauen:Schritt für Schritt

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Die Erfolge von Michaela Wenig und Kira Weidle bei der Abfahrt in Gröden deuten an, dass die zweite Reihe bei den DSV-Frauen an Selbstvertrauen gewinnt.

Von Johannes Knuth, Gröden/München

Rechter Schwung, linker Schwung, eine Bodenwelle vor dem nächsten Tor, und dann schienen die Probleme schon wieder von vorne loszugehen.

Michaela Wenig war gerade auf der Abfahrt in Gröden unterwegs, sie war auf der tückischen Saslong-Piste zuvor im Training erstaunlich gut zurechtgekommen, es war nur so: Gute Probefahrten waren der 26-Jährigen schon oft gelungen, nur der Transfer ins Rennen nicht - ein Klassiker der Sportpsychologie, nicht nur im Abfahrtssport. Jetzt schien sich die Geschichte zu wiederholen; Wenig ließ sich von der Welle in die Luft heben, kurz bevor es in die noch welligere Ciaslat-Passage ging, es sah schon wieder nicht gut aus.

Diesmal allerdings war etwas anders. Wenig bremste oder driftete nicht, um mit Gewalt auf die vermeintliche Ideallinie zurückzufinden. Sie fuhr einen etwas weiteren Weg, führte ihre Ski aber weiter auf den Kanten, frech und mutig. "Ich habe es im Rennen zuvor oft nicht heruntergebracht", sagte sie später am BR-Mikrofon, aber diesmal habe sie "einfach weitergekämpft. Und diesmal lohnte sich das Ringen mit der Schwerkraft, Wenigs Linie war nicht nur frech, mutig und kämpferisch. Sie war auch noch immer sehr schnell.

Fünfte ist Michaela Wenig vom SC Lenggries am Ende in der Abfahrt von Gröden geworden, es war das beste Ergebnis ihrer bisherigen Karriere, zuvor war sie einmal als 17. eingetroffen. Kira Weidle vom SC Starnberg rundete das Ergebnis mit Platz acht ab, da geriet fast in Vergessenheit, dass Viktoria Rebensburg am Mittwoch gar nicht am Start gewesen war - auch, um Kräfte zu sparen für ihre Spezialdisziplin Riesenslalom am Freitag in Courchevel. Rebensburg war in den vergangenen Jahren auch in den schnellen Disziplinen meist die Alleinunterhalterin in der Weltspitze gewesen, aus Sicht des Deutschen Skiverbands, doch jetzt, im noch jungen Winter, tritt allmählich auch die zweite Reihe immer selbstbewusster auf. Und erfolgreicher. "Manche Dinge, die brauchen einfach, bis sie sich entwickeln", sagte Wenig in Gröden, dann fügte sie einen bemerkenswerten Satz an: "Ich denke, wir sind endlich so weit, dass wir sagen: Wir können jetzt regelmäßig vorne reinfahren."

Jürgen Graller klang nach dem Rennen hörbar erfreut, wie ein Gärtner, der sieht, dass seine Saat langsam aber sicher aufblüht. Der Cheftrainer der DSV-Frauen erzählte am Telefon noch mal davon, wie er vor einem Jahr die Auswahl übernahm, als Läuferinnen wie Wenig mit hohen Startnummern ins Rennen gingen, sich über zerfurchte Pisten mühten, nicht immer so mutig auf der Kante fuhren. "Das technische Rüstzeug hat nicht so gepasst, um auf hohem Niveau konkurrenzfähig zu sein", sagte Graller. Er veranlasste, zusammen mit Disziplintrainer Andreas Fürbeck, in etwa das, was Mathias Berthold und Christian Schwaiger zuvor im Speed-Ressort der Männer eingeführt hatten: Viele Riesenslalom-Einheiten, um das Kurvenfahren zu verbessern, daraus erwuchs alles weitere, Selbstvertrauen, bessere Resultate, günstigere Startnummern. Er sei auch ein Freund direkter Ansprache, sagte Graller, wie Schwaiger bei den Männern - aber die Fahrerinnen "verkraften das auch. Und jetzt ist auch eine Vertrauensbasis da."

Kira Weidle zum Beispiel, Jahrgang 1996. Debüt bereits als 19-Jährige im Weltcup, sie war damit vielen Alterskolleginnen voraus und ließ sich doch Zeit. "Wenn ich im ersten Training im Netz lande, wo soll denn dann die Sicherheit herkommen?", fragte sie im vergangenen Winter. "Deshalb mache ich das gerne Schritt für Schritt." Sie wurde Elfte in der Olympia-Abfahrt, Dritte zum Saisonbeginn in Lake Louise - bis heute das beste DSV-Resultat bei den Frauen in diesem Winter, neben einem dritten Rang von Rebensburg. Wenig wiederum hatte sich im Vorwinter umsonst für die Olympia-Zulassung bemüht, aber Graller sagte ihr immer wieder: "Irgendwann kriegst du das alles zurück." Er sah ja, dass Wenig "eine der akribischsten Arbeiterinnen ist, die wir haben", im Training, bei der Abstimmung der Ski; ansonsten füge sie sich ins Team ein wie alle anderen auch: "Die pushen sich, haben Spaß zusammen, gönnen sich die Erfolge. Die haben ein Riesen-Potenzial", so Graller.

Es wird nicht immer voran gehen, "es braucht einfach Zeit im Speed", weiß Graller, bis die Fahrerinnen die wichtigsten Tücken aller Abfahrten erlernet haben. Wenig wurde am Donnerstag im Super-G 25., Meike Pfister 28., Weidle 32., Rebensburg war als Siebte beste Deutsche. "Aber sie haben erkannt, dass sie dranbleiben müssen, es ist ein langer Weg, da haben wir schon einige Schritte gemacht", sagte Graller. Und viele kleine Schritte, man kennt das von den DSV-Männern, führen irgendwann ja auch ans Ziel.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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