Ski alpin: "Domi" gehört plötzlich zu den Schnellsten 

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Durchbruch auf der Planai: Dominik Stehle wird Vierter. (Foto: imago/GEPA pictures)
  • Vor zwei Jahren musste sich Dominik Stehle die Liftkarte zum Training selbst kaufen.
  • Jetzt steht er vor mehr als 40 000 Zuschauern in Schladming fast auf dem Podest. Sogar Felix Neureuther sagt: "Das ist schon irgendwo eine einzigartige Geschichte, richtig gut."
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Von Matthias Schmid, Schladming

Felix Neureuther hat ein feines Gespür dafür, wie man in der heutigen Medienwelt Aufsehen erregen kann. Im Sommer des vergangenen Jahres stellte der Skirennläufer ein Bild auf seine Facebook-Seite: Es zeigt ihn und seinen wenige Monate alten Neffen Oskar, wie sie gemeinsam sehr vertieft das Fachmagazin Playboy durchblättern. Auch nach dem Nachtslalom von Schladming gelang es ihm im Zielraum, nach seinem verhängnisvollen Einfädler im Finallauf charmant das Thema zu wechseln. "Reden wir lieber über den Domi und seinen schönen vierten Platz", sagte Neureuther. "Das ist schon irgendwo eine einzigartige Geschichte, richtig gut."

Domi ist sein Teamkollege Dominik Stehle. Und dieser Stehle, den selbst Liebhaber des Skisports lange übersehen haben, verfehlte beim Volksfestrennen an der Planai das Podest nur um 34 Hundertstel Sekunden. Stehle war damit beim sechsten Slalom-Sieg des formidablen Norwegers Henrik Kristoffersen bester Deutscher. Vor dem WM-Zweiten Fritz Dopfer. Zum ersten Mal in seiner Karriere.

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Von Matthias Schmid

Dominik wer? Das hatte sich auch Roberto Blanco gefragt. Der Schlagersänger hatte sich am Dienstagabend eine knallgelbe Ski-Jacke übergestreift und eine rote Schildmütze auf sein Haupt gesetzt mit einem ziemlich kleinen Schild. Blanco hatte als einer von mehr als 40 000 euphorisierten Besuchern Dominik Stehle erstmals zugejubelt. Neureuther übertreibt nicht, wenn er behauptet, dass er Stehles Vita "ziemlich cool" findet. Stehle hat lange warten müssen, bis er mal von Roberto Blanco und einem breiteren Publikum wahrgenommen wird.

Stehle ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Beharrlichkeit und ein bewundernswerter Wille als durchaus lohnenswert erweisen können. Und dass auch zwei Kreuzbandrisse, weitere größere und kleinere Beschwerden sowie Motivationsprobleme nicht unbedingt in der Sackgasse enden müssen. "Ich kann es noch gar nicht richtig fassen. Das ist echt Wahnsinn", bekannte Stehle nach der besten Weltcup-Platzierung seiner Karriere.

Von 21 auf 4

Mit Mut und wunderbaren Carving-Schwüngen hatte sich der Sportler vom SC Obermaiselstein im zweiten Durchgang noch von Rang 21 auf den vierten Rang katapultiert - mitten hinein in die Weltklasse. Er hatte dabei wie der direkt vor ihm gestartete Marcel Hirscher von seiner frühen Startnummer profitiert. Der Schnee nach ihnen wurde immer weicher, die Piste fast unfahrbar.

Es ist jetzt aber nicht so, dass der Allgäuer aus dem Nichts kommt. Stehle tummelte sich in den vergangenen Jahren meistens im zweitklassigen Eurocup, dort, wo sich junge begabte Fahrer für die großen Bühnen im Skizirkus empfehlen wollen, für Rennen wie in Wengen, Kitzbühel und eben in Schladming. Die Trainer des Deutschen Skiverbands wussten zwar schon länger, dass Stehle schnell Ski fahren kann, aber er zeigte es zu wenig. Sie glaubten nicht mehr daran, dass aus ihm noch ein Rennläufer werden könnte, der verlässlich unter den besten 30 landet, vielleicht sogar mal in den Top Ten.

Nicht mehr in seinem Alter. Stehle feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. Im richtigen Leben ist das jung, als Berufssportler bekommt man ein Problem, wenn man in diesem Lebensabschnitt nur hinterherfährt. Im Frühjahr 2014, nach einer Saison, in der er aus der Nationalmannschaft geflogen war und alles selbst bezahlen musste, sogar die Liftkarte, um mittrainieren zu können, wollte er aufhören. Er hatte sich das fest vorgenommen, doch dann sah ihn Mathias Berthold Skifahren und der neue Männer-Chefbundestrainer wunderte sich, dass dieser Stehle nicht in der Mannschaft ist. "Ich bin ja aus Österreich gekommen und habe mir gedacht: Wenn ich so einen Guten gehabt hätte, hätte ich mir alle fünf Finger abgeschleckt", erinnert sich Berthold.

Er riet dem Allgäuer, es noch einmal mit seiner Hilfe zu probieren. Viele haben Berthold deshalb belächelt und spöttisch gefragt: Was er denn bloß mit dem Stehle wolle. "Deshalb bin ich heute auch sehr happy drüber, weil es eine extreme Motivationsspritze für mich war, dass er an mich glaubte", gibt Stehle zu.

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Von sechs Weltcup-Slaloms in dieser Saison hat er sich fünfmal für den zweiten Durchgang qualifiziert. Das war ihm zuvor in acht Jahren nur zweimal gelungen. Wohin das noch führen kann, vielleicht sogar aufs Treppchen, vermögen weder Stehle noch Berthold vorauszusagen. Er kommt erst allmählich von seiner Startnummer in Regionen, die ihm erlauben, im ersten Lauf auf einer noch einigermaßen glatten, bestens präparierten Piste zu fahren; bislang hat er vor allem mit ramponierten Strecken voller Wannen vorliebnehmen müssen. Was in ihm steckt, wenn alle die gleichen Bedingungen haben, hat Berthold in Schladming verraten. "Sie wechseln sich alle im Training mit den Bestzeiten ab." Dominik Stehle bewegt sich also auf dem Niveau von Weltklasseläufern wie Felix Neureuther und Fritz Dopfer. Er kann sie sogar schlagen.

"Heute ist das endlich auch mal im Rennen aufgegangen", sagte Stehle erleichtert. Für ihn ist das alles noch neu und aufregend, er ist es nicht gewohnt, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Er sagt am Ende einen Satz, der ziemlich lustig klingt für einen Profisportler, aber viel aussagt über seinen unverhofften Aufstieg in einem Alter, an dem andere ans Aufhören denken. "Ich muss mir jetzt mal überlegen, was meine nächsten Ziele sind". Roberto Blanco soll wegen einer privaten Skistunde schon angefragt haben.

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