Ski alpin:Der Zweifler und die coole Sau

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Die Deutschen Skirennfahrer bestätigen auch in den Dolomiten ihre Form - Felix Neureuther überzeugt, obwohl er kaum auf Schnee trainiert hat. Nur Fritz Dopfer, der WM-Zweite von Vail, hadert mit seinen Resultaten.

Von Johannes Knuth, Alta Badia

Ob es den erfolgreichen Skirennfahrer Fritz Dopfer jemals gegeben hätte, wenn er es sich damals anders überlegt hätte? Wenn er sich 2007 nicht dem Deutschen Skiverband, sondern doch den Österreichern angeschlossen hätte, dem Land seiner Mutter, der rot-weiß- roten Alpinmaschine, die reich ist an Ressourcen und noch reicher an hochbegabten Rennfahrern?

Dopfer wählte den DSV. Zunächst mit magerem Ertrag im Weltcup, beim 25. Auftritt erwarb er zum ersten Mal die Zutrittsberechtigung für den zweiten Durchgang. Eine derart lange Probezeit hätten sie ihm im Österreich wohl nicht gewährt. Dopfer probierte es jedenfalls tapfer weiter, mit vielen kleinen Schritten. So kam er schließlich ans Ziel: Im vergangenen Februar führte ihn sein Weg bei der WM in Vail als Slalom-Zweiter aufs Podest. Der 28-Jährige verheimlicht nicht, dass ihn auf diesem Pfad auch einige Zweifel begleiteten. "Du fragst dich manchmal schon: Bin ich dem Ganzen überhaupt gewachsen?", sagte er vor kurzem. "Aber ich habe während meiner Karriere nie aufgegeben. Ich habe nicht geschaut, was einmal war."

Dopfers Fatalismus: "Analysieren und weitermachen - etwas anderes bleibt eh nicht übrig."

Die Deutschen Skirennfahrer haben am Wochenende in den Dolomiten ein passables Wochenende verlebt. Josef Ferstl sicherte sich auf der tückischen Abfahrt in Gröden Platz zehn. Felix Neureuther rutschte am Sonntag im Riesenslalom in Alta Badia nach einem guten ersten Lauf zwar auf Rang acht ab, "aber ich kann damit sehr gut leben", versicherte er, "man muss daran denken, wo ich im Sommer stand". Stefan Luitz reihte sich als guter Zehnter ein, Dominik Schwaiger als sehr guter 19. Und auch vom Frauen-Riesenslalom aus Courchevel/Frankreich traf gute Kunde ein für den DSV, Viktoria Rebensburg war Vierte geworden, ihr bestes Ergebnis nach einem lauwarmen Saisonstart.

Felix Neureuther ist mit Rang acht im Riesenslalom von Alta Badia zufrieden. (Foto: Peter Kornatz)

Allein Fritz Dopfer, zuletzt die Nummer zwei im Staat der deutschen Alpinen hinter Neureuther, ist gerade aus dem Kreis der Besten gefallen. In den Riesenslaloms wurde er 20. (Sölden), 17. (Beaver Creek) und 14. (Val d'Isère), im Slalom schied er aus, und in Alta Badia fuhr er nicht schlecht, aber er fuhr wie ein Zweifelnder, er verschenkte an jedem Tor ein paar Zehntelsekunden. Dopfer beendete den Tag als 17., 2,68 Sekunden hinter Sieger Marcel Hirscher, es war sein zweitschlechtestes Resultat des noch jungen Winters. Dopfer würzte sein Fazit mit einer Prise Fatalismus: "Die Enttäuschung ist ziemlich groß. Jetzt heißt es analysieren und weitermachen. Etwas anderes bleibt eh nicht übrig."

Dopfer und Neureuther, die beiden Medaillenbeschaffer des WM-Slaloms von Vail, hätten kaum unterschiedlicher in die neue Saison eintauchen können. Neureuther ist aus einem diffizilen Jahr offenbar gestärkt hervorgegangen. Im vergangenen Winter fuhr er gut, aber irgendwann schmerzte der Rücken so stark, dass selbst Spritzen und Schmerzmittel nicht mehr halfen. "Felix war am Saisonende nicht mehr konkurrenzfähig", erinnert sich Cheftrainer Mathias Berthold, "wir wussten oft nicht: Kommt er zum Frühstück oder nicht?" Neureuther nutzte den Sommer, um zu heilen, sie wollten seine Verletzung so gut wie es geht aus dem Körper treiben, damit er diesmal auch am Ende des Winters noch kann, am besten auch im nächsten und übernächsten. Der 31-Jährige verpasste dafür viele Praxiseinheiten auf Schnee. Was ihn aber nicht daran hinderte, zuletzt schon wieder vorzügliche Ergebnisse in die Wertung zu tragen, Platz zwei im Riesenslalom von Val d'Isère zu Beispiel.

Fritz Dopfer hadert : An jedem Tor verliert er derzeit ein paar Zehntelsekunden. (Foto: Marco Trovati/AP)

Berthold sagt: "Der ist halt ne' coole Sau, oder?"

Bertholds Mahnung: "Wenn bei Fritz ein Rädchen nicht greift, schlägt die Leistung um."

Und dann ist da Dopfer, der nach seiner WM-Medaille seinem ersten Weltcup-Sieg näherrücken wollte, der aber stattdessen seine Sicherheit aus dem Frühjahr irgendwie verlegt hat. Vor dem ersten Riesenslalom Ende Oktober auf der steilen Gletscherrampe in Sölden fanden sie keinen vergleichbaren Hang, auf der die Fahrer ihre Schwünge hätten proben können. Neureuther störte das nicht, Dopfer schon, seine Vorbereitung trug den Keim des Zweifels in sich - und der blühte nach den ersten Rennen auf. In Sölden war Dopfer "ein bisschen überfordert", sagte er später. Er trainierte noch häufiger, als er ohnehin trainiert, aber er blieb im Mittelfeld stecken.

Dopfer hatte seinen Silbermedaille von Vail stets als Bestätigung und Antrieb gedeutet, aber manchmal, sagt Berthold, kann Erfolg lähmen: "Wenn du dich mit dem Erfolg, den du gehabt hast, ständig vergleichst." Es sei eine Stärke Dopfers, dass er dieser Versuchung kaum verfalle, beteuert Berthold, "aber manchmal denkt er schon an gewisse Sachen zurück". Die Leistungen aus besseren Tagen können bremsen, sie erzählen davon, dass man gerade weniger an den Gegnern scheitert, als an sich selbst. "Wenn Fritz die Sicherheit hat, dann fährt er gut. Wenn aber irgendwas in dem System nicht funktioniert, ein Rädchen nur, dann schlägt seine Leistung um", sagt Berthold.

Man darf davon ausgehen, dass Dopfer seine Formdelle ausbeulen wird, es ist ja nicht seine erste. Vor zwei Jahren reichte er zu Saisonbeginn meist zweistellige Platzierungen ein, er fuhr auch damals wie ein Zweifelnder - am Saisonende fand er sich dann fast exklusiv unter den besten Zehn wieder. Manchmal kann der Blick zurück auch Zuversicht spenden.

© SZ vom 21.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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