Ski alpin:Der Waghalsige nimmt Tempo raus

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Ungewöhnlicher Auftritt: Beim Nachtslalom in Schladming fuhr Linus Strasser zielstrebig und ohne großes Risiko. Auf der durch Neuschnee rutschigen Planai kam er mit etwas Rückstand ins Ziel und wurde 13. (Foto: imago images/GEPA pictures)

Nach dem Karriereende von Felix Neureuther hat Linus Straßer das Potenzial, Weltcups im Slalom zu gewinnen. Wenn er nicht in einer anderen Rolle gefordert ist.

Von Felix Haselsteiner

Der zweite Lauf in Schladming, er dürfte Linus Straßer nicht leichtgefallen sein. Dezent, zielstrebig und ohne großes Risiko fuhr Straßer am Dienstagabend über die Piste auf der Planai, kam mit etwas Rückstand ins Ziel und wurde 13. Er habe, sagte Straßer im Interview beim BR, "oben schon probiert, Gas zu geben". In dem schwierig gesteckten Lauf, auf der durch Neuschnee rutschigen Planai, habe er sich dann während der Fahrt entschieden, Speed rauszunehmen. Für Straßer, der sonst immer angreift, auch wenn ein Ausfall eine mögliche Konsequenz ist, ist das ungewöhnlich - aber eben auch Teil einer neuen Rolle, die er in der Slalommannschaft des DSV einnimmt.

Am Wochenende zuvor, beim Slalom in Kitzbühel, hatte Straßer noch die andere Taktik gewählt - und diese auch verteidigt. Im zweiten Lauf hatte er da wild riskiert, war nicht in den Rhythmus gekommen und schon im oberen Streckenteil ausgeschieden. Straßer ließ dennoch keine negativen Gedanken zu. Im Zielraum sagte er mit einem Schulterzucken, man müsse eben riskieren, um zu gewinnen. Und weil das deutsche Slalomteam in Kitzbühel eine ansprechende Leistung zeigte, in Sebastian Holzmann und Anton Tremmel zwei Athleten in die Top 20 fuhren, war Straßers Ausfall kein allzu großes Thema.

In Schladming zeigte sich nun, dass die Entwicklung des deutschen Slalom-Teams doch noch mehr Zeit brauchen wird, als man nach Kitzbühel hätte denken können. Christian Schwaiger wird damit leben können: "Wir haben keine kompakte Mannschaft, in der vier oder fünf in den Top-30 fahren", sagte der Cheftrainer der deutschen Männermannschaft bereits zum Saisonbeginn. Schwaiger, der in dieser Saison den Posten von Matthias Berthold übernommen hat, sagt, die technischen Spezialisten seien "gute Jungs", aber: "Die sind noch nicht so weit."

Den Riesentorlauf in Garmisch wird Straßer auslassen, auch um seine Hand zu schonen

Dass Ausreißer nach oben durchaus möglich sind, hatte das Ergebnis vom Sonntag gezeigt. Tremmel lag in Kitzbühel als Siebter des ersten Durchgangs kurzzeitig inmitten der Weltspitze, fiel dann zwar im zweiten Durchgang noch einige Plätze zurück, fuhr aber sein bestes Weltcupresultat ein. Holzmann qualifizierte sich als 30. gerade noch für den zweiten Lauf, kämpfte sich dann mit einer starken Fahrt nach vorne. "Man sieht, dass man mithalten kann", sagte Tremmel. Der 25-Jährige steht gemeinsam mit Holzmann genau für die Entwicklung, die Schwaiger sehen möchte: Beide fahren im Europacup, eine Ebene unter dem Weltcup, regelmäßig in der Spitze mit und zeigen ab und an ihr Potenzial in der Eliteklasse - dazu kommen jedoch auch Rückschläge wie in Schladming, als sich außer Straßer keiner der Athleten aus der deutschen Gruppe für den zweiten Durchgang qualifizieren konnte.

Dass Straßer in solchen Situationen nicht beherzt angreifen kann, versteht sich von selbst. Skifahren mag ein Einzelsport sein, das Mannschaftsergebnis hat dennoch größeres Gewicht als man annehmen könnte. Dass die deutsche Slalom-Männermannschaft in den vergangenen Jahren recht entspannt durch den Weltcup reisen konnte, lag an den regelmäßigen guten Ergebnissen von Felix Neureuther. Nach dessen Karriereende bleibt Straßer zwar als einziger deutscher Slalomfahrer übrig, der das Potenzial hat, Weltcuprennen zu gewinnen - aktuell jedoch ist es seine Aufgabe, nicht immer mit viel Risiko zu fahren, sondern Punkte zu liefern.

Mit dem Slalommonat Januar darf Straßer zufrieden sein. Top-10-Ergebnisse in Zagreb und Adelboden, Top-20-Ergebnisse in Wengen und Schladming sind sehenswert, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Straßer in den Wochen zuvor mit einer Handverletzung ausgefallen war. "Ich war erstmal einfach froh, dabei zu sein und dann ist es wirklich sehr gut verlaufen", sagte Straßer nach Schladming, gab aber auch zu, dass er sich auf ein paar Tage Pause freute: "Körperlich und im Kopf zehrt das schon an einem." Den Riesentorlauf in Garmisch-Partenkirchen am Wochenende wird Straßer auslassen, auch um die Hand zu schonen. Am Wochenende darauf bietet sich dem DSV-Team beim Slalom in Chamonix eine erneute Chance für eine Überraschung, denn, wie Sebastian Holzmann es in Kitzbühel trotzig sagte: "Wir wissen, dass wir es können, aber wir müssen es noch mehr zeigen."

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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