Sieglose Nürnberger:Höchster Therapiebedarf

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Schlechte Laune nach dem Abpfiff: Nürnberg gewinnt einfach nicht (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Der 1. FC Nürnberg hat nach 16 Spielen in der neuen Saison noch immer nicht gewonnen. Vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 hofft die Anhängerschaft auf den erlösenden Erfolg. Sie hat sich in eine Art Selbsthilfegruppe gewandelt - den Fans bleibt Humor, Resignation und Trotz.

Von Lisa Sonnabend, Nürnberg

Auf der Anzeigetafel am Valznerweiher steht: 1. FC Nürnberg 9, Gäste 0. Doch natürlich hat dieses Ergebnis nicht die erste Mannschaft der Vereins erzielt, einen derart hohen Sieg hat der Bundesligist aus Franken ja noch nie erzielt. Überhaupt, ein FCN-Sieg wäre derzeit außergewöhnlich. Wenn ein Verein drei- oder viermal hintereinander nicht gewinnen kann, ist von einer Negativserie die Rede. Doch der 1. FC Nürnberg hat es geschafft, in 16 Spielen nacheinander den Platz nicht als Sieger zu verlassen. Es muss sich anfühlen wie die ewige Hölle.

Auf dem Rasen unter der Anzeigetafel trainieren die Spieler, Trainer Gertjan Verbeek ruft sie immer wieder zu sich, gibt Anweisungen. Diesen Samstag (18.30 Uhr) steht das Heimspiel gegen Schalke an, es ist die letzte Chance auf einen Sieg vor der Winterpause. Während die Profis Torschüsse üben, diskutieren die Fans am Spielfeldrand: über das unglückliche Unentschieden am vergangenen Samstag gegen Hannover, das sich die Nürnberger noch nach einer 3:0-Führung einfingen, über den Schiedsrichter, der ein Tor der Hannoveraner zählen ließ, obwohl Mame Diouf klar im Abseits stand.

Es ist ein düsterer Wintertag, ein kalter Wind zieht über das Vereinsgelände, das neben einer Tankstelle und einem Baumarkt liegt. 50 Kiebitze sind an diesem Nachmittag gekommen. "Wir sind gut drauf, wir lachen viel", sagt Dave Hufer und schiebt hinterher: "Solange wir nicht an den Club denken." Als Grundschüler war der 63-Jährige erstmals im Stadion, seitdem hat er fast jedes Heimspiel gesehen. "Wir sind Kummer gewohnt", meint er. Doch langsam wird es ihm zu viel. "Das ganze Wochenende war ich krank, Magenschmerzen." Er glaubt, es lag am Club.

Die Fans aus Franken sind viel gewohnt, Nürnberg ist Rekordabsteiger. Doch 16 Spiele ohne Sieg, das hat hier noch keiner erlebt. Nie zuvor hat ein Bundesligist so oft nicht gewonnen, nicht einmal das berüchtigte Tasmania Berlin. Es bleibt in diesen Tagen nur Galgenhumor, Resignation, Trotzstimmung. Und die Hoffnung.

Das Ehepaar Melanie und Michael Zeeh schlendert vom Fanshop hinüber zum Platz. Den Toaster mit Nürnberg-Logo und das Gläschen Club-Senf haben sie nicht gekauft, dafür einen Wandkalender. "Es ist der Wurm drin", sagt Michael Zeeh, "aber jetzt ist es endlich mal an der Zeit. Es muss ja mal. Es muss." Die Japanerin Manami Konno ist extra aus Tokio für eine Woche nach Nürnberg gekommen. Sie schaut beim Training zu, am Samstag geht es ins Stadion, am Sonntag zurück in die Heimat. Konno ist ein großer Fan von Mittelfeldspieler Makoto Hasebe. "Er ist nicht stark, aber mental stark", schwärmt die 30-Jährige. Über die Niederlagen ist auch sie informiert. "Vielleicht bringe ich Glück", sagt sie und lacht. Später, nach dem Training, lässt sie sich von Hasebe ein Poster signieren.

Torwart Raphael Schäfer steht wenige Meter entfernt, er hat keine große Lust, über die vergangenen Spiele zu sprechen. "Die Stimmung im Team ist gut wie immer", beteuert er. Ob nun der Sieg kommt? "Ich kann es nicht versprechen." Auch Trainer Verbeek will nichts Negatives sagen und versichert: "Die Mannschaft ist gut vorbereitet. Sie hat hart trainiert." Schlecht hat sie in den vergangenen Partien auch nicht unbedingt gespielt, nur das Glück fehlte. Verteidiger Javier Pinola, der schon lange beim 1. FC Nürnberg ist, aber schon lange nicht mehr zum Einsatz kam, sagt: "Wir müssen uns endlich belohnen jetzt."

Offensivmann Mike Frantz schleicht vorbei auf dem Weg zur Kabine. Auf dem linken Arm trägt er ein großes Tattoo, eingraviert sind die Worte: "Vergangenheit ist Geschichte, die Zukunft ein Geheimnis." Vor ein paar Tagen war Frantz in einer Fußballsendung des regionalen Senders Franken Fernsehen geladen. Natürlich ging es mal wieder um die viele Niederlagen, worum auch sonst? Der 27-Jährige philosophierte: "Wenn du die Kacke an den Füßen hast, bekommst du sie nicht so schnell weg." Doch Frantz gab sich zuversichtlich: "Wir werden auch davon wieder auferstehen."

Auferstehen sollte der Club tatsächlich bald. "Man weiß ja gar nicht mehr, wie sich ein Sieg anfühlt", seufzt Alexander Endl, der seit fast sieben Jahren das Online-Magazin Clubfans United betreibt. Seine Artikel tragen in diesen Tagen Überschriften wie: "Fußball-Gott verhöhnt den Club" oder "Schiri blind, Linienrichter Hydrant". Eben erhielt Endl einen Anruf von einem Fan, der Trost suchte. Mal wieder. "Inzwischen sind wir hier eine Art Selbsthilfegruppe geworden", sagt Endl. "Laufe ich durch die Stadt, sehe ich kaum ein Lächeln mehr in den Gesichtern der Leute." Wie seiner Meinung nach das Spiel gegen Schalke ausgeht? "Ich tippe auf einen 3:1-Sieg", sagt Endl. "Ein 2:1 würden unsere Nerven nicht aushalten."

© SZ vom 21.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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