DFL-Empfang:Sorgen um den Fußball-Standort

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DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. (Foto: dpa)

DFL-Geschächstführer Christian Seifert stellt in Frage, ob Deutschland eine führende Fußballnation bleibt. Überragende Bedeutung für Liga und Nationalelf hat für ihn die DFB-Akademie.

Kommentar von Philipp Selldorf

Besucher des 13. Neujahrsempfangs der Deutschen Fußball Liga erinnerten sich mit einigem Vergnügen der ersten Auflage der Veranstaltung. Sie fand damals in den Diensträumen der DFL im Frankfurter Zentrum statt und warf bei den Verantwortlichen die Frage auf, ob es nach dem ersten Neujahrsempfang noch einen zweiten Neujahrsempfang geben werde. Der Albtraum eines jeden Gastgebers war Wirklichkeit geworden: Man hatte groß eingeladen und groß aufgetischt, und blieb dann auf einem ergiebigen Buffet sitzen, weil keine Gäste kamen.

Dass Berge von Gulasch und Knödeln übrig bleiben, die man in den nächsten Tagen selbst aufessen muss, darüber brauchen sich die DFL-Leute heutzutage keine Sorge mehr zu machen, ihre Gesellschaft zum Jahresstart ist längst eine Institution in der Branche, Besucher reisen aus fernen Ländern und Orten an, zum Teil sogar, wie am Dienstag der ehemalige Klub- und DFL-Funktionär Heribert Bruchhagen, aus dem ostwestfälischen Harsewinkel. Die 13. Ausgabe des Neujahrsempfangs fand nun erstmals nicht wie gewohnt in dem alten Großbürgerpalais in Frankfurt statt, sondern in einer ausrangierten und ebenfalls alten Maschinenhalle im etwas weniger schicken Offenbach, was man aber nicht als programmatische Ansage zu interpretieren braucht.

Das Ungewöhnliche der Veranstaltung besteht darin, dass die Gäste dem Gastgeber zuhören, wenn er sie im Rahmen einer durchaus länger dauernden Grundsatzrede begrüßt. Christian Seifert, der Geschäftsführer der DFL, hat den Ruf erworben, ein guter Redner zu sein, und dass er diesen Ruf zurecht besitzt, ließ sich auch diesmal am Verhalten des Publikums studieren. Während Seifert auf der Bühne das Wort führte, nutzten die Gäste dies nicht etwa als Gelegenheit, mit ihrem Nachbarn zu plaudern, auf dem Handy neueste Meldungen zu studieren oder vor der Tür eine Zigarette zu rauchen.

Nein, die allermeisten wollten tatsächlich wissen, was Seifert zu sagen hatte. In früheren Ansprachen hatte er den Akteuren des Fußballs öfter ins Gewissen geredet, immer wieder ging es um die Frage, wie viel Vermarktung und Profitmaximierung das Spiel verträgt und wie in Zeiten der wundersamen Geldvermehrung im Fußball der Wettbewerb aufrechterhalten werden kann. Diesmal ging es explizit um ein Kernthema des größten Volkssports der Welt: um den Sport an sich und dessen Werdegang im Land der Bundesliga.

"Das wichtigste Projekt der nächsten zehn oder 15 Jahre"

Seifert stellte in Frage, ob Deutschland auch im nächsten Jahrzehnt eine führende Fußballnation bleibe, er macht sich da offenbar ernsthafte Sorgen. "Wir haben massiven Nachholbedarf in der Nachwuchsentwicklung", sagte er. Der Arbeit der im Aufbau befindlichen DFB-Akademie räumt er daher überragende Bedeutung für das Gedeihen der Liga und der mit ihr verbundenen Nationalmannschaft ein - es handele sich um "das wichtigste Projekt der nächsten zehn oder 15 Jahre".

Das Motto "zurück zur Weltspitze", das der zuständige DFB-Direktor Oliver Bierhoff im Zuge der Ausbildungsoffensive ausrief und das sich zunächst nicht anders anhörte als frühere Sinnsprüche ("zsmmn" bzw. "zusammen Geschichte schreiben"), nimmt Seifert wörtlich: Es definiere nicht nur "ein sportliches Ziel, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit" für den Fußball-Standort Deutschland. Ohne guten Sport keine gute Vermarktung, so einfach ist das.

Die Vertreter der Akademie in der Zuhörerschaft hörten diese Worte mit gemischten Gefühlen. Einerseits spüren sie, dass der Erfolgsdruck nicht kleiner wird, andererseits sind sie dankbar für prominente Promotion. Es geht bei dieser Reform nach Überzeugung der Verantwortlichen nicht um ein paar Kleinigkeiten, die der Förderung von Rechts- oder Linksverteidigern dienen, sondern um schmerzliche Eingriffe bis tief in den Alltag des deutschen Amateurfußballs. Ganze Spielklassen sollen in Nachwuchsjahrgängen entfallen. Daher wollen die Akademievertreter dem DFB-Präsidium möglichst bald ihre umwälzenden Ideen präsentieren. Sie fürchten eine erfolgreiche EM - die der gegenwärtig herrschenden Reformbereitschaft den Schwung nehmen könnte.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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