Barcelona-Trainer Setién:"Gestern war ich noch bei den Kühen in meinem Dorf spazieren"

Barcelona-Trainer Setién: Quique Setién bei seiner Vorstellung am Dienstag.

Quique Setién bei seiner Vorstellung am Dienstag.

(Foto: AP)
  • Barças Trainer Ernesto Valverde, 55, willigte in die Vertragsauflösung ein - und machte den Weg frei für Quique Setién.
  • Der 61-Jährige ist ein Mann blumiger Worte, war unter anderem Profi bei Atlético Madrid, zuletzt Trainer beim Erstligisten Betis Sevilla - und bewundert Pep Guardiola und Johan Cruyff.
  • Offen ist, wie es mittelfristig weitergeht. Setiéns Vertrag läuft bis 2022, enthält aber eine Klausel, die es dem nächsten Präsidenten ermöglicht, Setiéns Vertrag in 2021 aufzulösen.

Von Javier Cáceres

Es war nahezu Mitternacht, als eine tagelange Groteske ein Ende nahm, die an eine längst vergessene Ära erinnerte. An jene Zeit, da der FC Barcelona sich häufiger dem Gespött der Öffentlichkeit ausgeliefert hatte - und auch letztmals einen Trainer entlassen hatte: 2003.

Die aktuelle Groteske: Tagelang hatte Barça die spanischen Sportmedien auf Trab gehalten, vertraulich über - letztlich gescheiterte - Verhandlungen oder Anbahnungsgespräche mit früheren Legenden und heutigen Trainern wie Xavi Hernández (Al Sadd) und Ronald Koeman (niederländische Nationalelf) berichtet und sogar Mauricio Pochettino ins Gespräch gebracht. Der hat zwar unter anderem als Coach von Tottenham Hotspur überzeugt, ist aber ein dermaßen radikaler Anhänger von Barças Lokalrivalen Espanyol Barcelona (und Sympathisant von Real Madrid), dass er sagte, eher würde er auf einer Ranch in Argentinien arbeiten als bei Barça.

Zwischendrin poppte auch der Name von Massimiliano Allegri auf, am Ende meinte die Zeitung El Mundo Deportivo, Barça suche den neuen Trainer bei Google. Montag, kurz nach 23 Uhr, war es dann so weit: Barças Trainer Ernesto Valverde, 55, willigte in die Vertragsauflösung ein - und machte den Weg frei für Quique Setién, 61.

Der Unterhaltungsfaktor der Trainerkrise bei Barcelona war unter anderem deswegen so hoch, weil es recht viele Anlässe gegeben hatte, Valverde zu entlassen. Ende letzter Saison zum Beispiel, als Barça beim FC Liverpool von Jürgen Klopp eine 3:0-Führung aus dem Halbfinalhinspiel der Champions League verspielte und der Schock darüber so tief saß, dass auch das Pokalfinale gegen den FC Valencia trist zu Ende ging. Auf der anderen Seite hatte Barcelona unter Valverde seit 2017 zwei Meistertitel und den Pokal geholt, überdies den Supercup, eine eher rudimentär interessante Trophäe, die ihm nun gleichwohl zum Verhängnis wurde. Am Donnerstag nämlich verlor Barcelona im Supercup-Halbfinale gegen Atlético Madrid, spielte andererseits aber das wahrscheinlich beste Saisonspiel.

Dass Barça in Spaniens Liga die Tabelle anführt und sich in der Champions League in einer starken Gruppe (gegen Inter Mailand, Borussia Dortmund, Slavia Prag) als Sieger durchsetzte, war am Ende uninteressant. "Ja, die Resultate waren gut. Aber die Dynamik nicht", sagte Barças Präsident Josep María Bartomeu am Dienstag - und räumte ein, dass "man" alles hätte besser machen und zum Beispiel Valverde das triste Spektakel ersparen hätte können, am Montag noch das Training zu leiten. Obwohl alle Welt wusste, dass er als entlassen galt. "Man"?Bartomeu ist immerhin der Präsident. Valverde wirkte, immerhin, vergnügt, als er das Klubgelände in seinem PKW verließ. Anderntags gab es Kondolenzschreiben von Spielern wie Lionel Messi. Was nicht unbedingt eine Hypothek für Setién sein muss.

Setién bewundert Guardiola und Cruyff

Denn: Er ist ein Mann blumiger Worte, war unter anderem Profi bei Atlético Madrid, zuletzt Trainer beim Erstligisten Betis Sevilla und ein glühender Anhänger von aktuellen Spielern wie Sergi Busquets, der ihm ein Trikot schenkte, und Messi ("Wenn er aufhört, werde ich ewig weinen"). Vor allem ist er ein Bewunderer von Barças Trainerlegenden Pep Guardiola ("meine Referenz") und Johan Cruyff. "Ich habe Cruyff gesagt, dass ich den kleinen Finger hergegeben hätte, wenn ich unter ihm hätte spielen können", sagte Setién einmal, durch Cruyff habe er "die Essenz des Spiels" verstanden. Und: dass dessen Basis die Offensive, der Ballbesitz, hohes Pressing und die Kontrolle über das Spielfeldzentrum sind. Wozu man wissen muss, dass Setién sich als Schach-Aficionado mit Anatoli Karpow und Garri Kasparow gemessen hat.

Am Dienstag wurde Setién vorgestellt, und dass er ideologisch passt, trat auch da wieder zutage. "Meine Ziele? Möglichst alles zu gewinnen. Und der beste Weg zum Ziel ist es, gut Fußball zu spielen", sagte Setién. Über seine Berufung ("ich habe keine fünf Minuten nachgedacht") wirkte er gerührt: "Gestern war ich noch bei den Kühen in meinem Dorf spazieren, heute trainiere ich die besten Spieler der Welt." Er selbst hätte nicht damit gerechnet, sagte er, denn er hat weder einen langen Lebenslauf als Coach (unter anderem Racing Santander, Lugo, Las Palmas) noch Titel.

Offen ist, wie es mittelfristig weitergeht. Setiéns Vertrag läuft bis 2022, enthält aber eine Klausel, die es dem nächsten Präsidenten ermöglicht, Setiéns Vertrag in 2021 aufzulösen. In der kommenden Saison stehen turnusmäßig Präsidentschaftswahlen an, die Besetzung der Trainerposten spielt in solchen Prozessen immer eine extrem wichtige Rolle. Sollte Setién triumphieren, würde er über den Sommer hinaus bleiben. Andernfalls gäbe es wohl vorgezogene Neuwahlen, erst recht nach der stillosen Absetzung Valverdes, der auch dafür zahlte, dass Barça ein Problem hat.

Seit den Verpflichtungen von Marc André ter Stegen, Ivan Rakitic und Luis Suárez (2014) hat kein Transfer mehr eingeschlagen, Zugänge wie Coutinho (derzeit FC Bayern) und Ousmane Dembélé (früher Dortmund) waren teure Fehlgriffe. Jetzt ist Suárez am Knie verletzt, er fällt bis Saisonende aus. Ob Ersatz geholt werde, sei offen, sagte Setién, er habe keine Zeit gehabt, darüber zu reden, alles sei so schnell über die Bühne gegangen. Außer für Valverde, der einer entwürdigenden Entmachtung beiwohnen musste.

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