Sebastian Vettel in der Formel 1:Gegenwind in Orkanstärke

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Gegenwind für Sebastian Vettel. (Foto: AFP)

Buhrufe, Betrugsvorwürfe, Anfeindungen von Konkurrenten: Sebastian Vettel bekommt in Südkorea deutlich zu spüren, dass nicht jeder begeistert ist, in welch überragender Manier er seinem vierten WM-Titel entgegenjagt.

Von Elmar Brümmer, Yeongam

Ein Orkan zieht auf. Und wer will, kann ein Zeichen darin sehen: Offenbar braucht es Naturgewalten, um Sebastian Vettel auf dem Weg zum vierten WM-Titel zu stoppen. Fitow war eine tropische Depression und hat sich über dem chinesischen Meer zum Taifun gemausert. Nun zieht er Richtung Südkorea. Zumindest seine Ausläufer könnten das Niemandsland treffen, auf dem am Sonntag um 8 Uhr deutscher Zeit der Große Preis von Südkorea gestartet werden soll.

Wie stark Fitow wirklich zuschlägt, ist noch nicht abzusehen. Aber schon seine Existenz weckt Hoffnungen, dass das 14. Saisonrennen wieder etwas spannender wird, als es die jüngsten drei waren. In Spa, in Monza und in Singapur hatte Vettel wenig Gegenwind. Drei Rennen, drei Siege, jeder deutlicher als der zuvor und der letzte mit einem Abstand von 32,6 Sekunden im Ziel so überlegen wie noch kein Vettel-Sieg zuvor: Das sind die Ausgangswerte für das Rennen auf dem Korea International Circuit - und dessen Statistik kann bei den Konkurrenten auch keinen Mut keimen lassen: Bei den drei Korea-Rennen, die es bisher gab, hat Vettel nur zwölf Runden lang nicht geführt.

Ob er eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte erwartet? "Nichts ist automatisch", sagt Vettel, "ich weiß nur, dass wir stark sind und die Strecke unserem Auto liegt." Das klingt wie eine Drohung.

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Die One-Heppenheimer-Show strebt auf ihren Höhepunkt zu. Es sind noch sechs Rennen bis zum Finale, aber bei 60 Punkten Vorsprung auf Ferrari-Fahrer Fernando Alonso könnte Vettel schon am nächsten Wochenende in Japan den Titel einfahren; 2011 glückte der Triumph ihm schon einmal bei dem Rennen. Es wäre Vettels vierter Titel, der ihn auf eine Stufe mit Alain Prost heben würde. Der Franzose ist nicht nur in Sachen Analytik eines von Vettels Vorbildern. Vier Titel in Serie - das haben in der Formel-1-Geschichte nur Zwei geschafft: der Argentinier Juan Manuel Fangio (1954-1957) und Michael Schumacher (2000-2003).

Man sollte annehmen, dass die Welt begeistert ist davon, wie ein 26-Jähriger zur Legende seines Sports aufsteigt. Stattdessen wurde Vettels Siegeszug bei den Siegerehrungen jüngst von Pfiffen und Buhrufen begleitet. "Das ist nicht nett", sagt der Red-Bull-Angestellte, "aber es sind ja auch nicht alle, die da buhen. Und am Ende zeigt es doch nur, dass wir eines der fleißigsten Teams sind."

Die Aussage hat Vettel nachträglich in politische Korrektheit gehüllt. Unmittelbar nach dem schweißtreibenden Triumph beim Nachtrennen im tropisch heißen Singapur hatte er noch getönt: "Wenn die anderen nach Hause gehen und die Eier in den Pool hängen, dann sind wir noch da und tüfteln weiter am Auto." So selbstverliebt die Branche auch ist - derartiges Eigenlob ist verpönt. Mercedes-Mann Nico Rosberg beispielsweise ist ziemlich erbost: "Das fand ich abgehoben. Er sollte sich weniger Gedanken über meine Eier machen und mehr auf sich selbst gucken." Unangemessen findet der Wiesbadener es deshalb, weil sich - um in der Vettelschen Anatomiezone zu bleiben - sein Team auch "den Hintern" abarbeite.

Rosberg beklagt mangelnden Respekt, und will den Weltmeister persönlich darauf ansprechen. Der zeigt sich - mal wieder - "enttäuscht über die falschen Interpretationen" seiner Aussage. Denn die sei ja überhaupt nicht gegen die Konkurrenz gerichtet gewesen. Dass sie so aufgefasst werden könnte, hätte Vettel aber durchaus bewusst sein müssen. Denn es ist nicht das erste Mal, dass ihn ein flotter Spruch in Verlegenheit bringt. Nach dem gewonnenen WM-Finale 2012 hatte Vettel in São Paulo gegen seinen Gegenspieler Alonso mit den Worten "Ehrlich fährt am längsten" gestichelt.

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Als er beim zweiten Rennen in dieser Saison eine Teamanweisung ignorierte und seinem Red-Bull-Kollegen Mark Webber in Malaysia den Sieg klaute, geriet Vettel daraufhin in Erklärungsnot: Ja, wie war denn nun was gemeint? Derlei ist auch ein wenig der Fluch der Überlegenheit: Bei einem, der so weit vorausfährt, hört ein jeder eben ganz genau zu.

Bei Vettels Singapur-Solo hat dies auch Giancarlo Minardi getan. Der ehemalige Chef des einstigen Minardi-Teams glaubte, Motorengeräusche beim Red Bull gehört zu haben, die auf den Einsatz einer - seit dem Jahr 2008 verbotenen - Traktionskontrolle hindeuteten. Der Vorwurf birgt Sprengstoff. Mit einer solchen Methode wären die Erfolge erschummelt. Vehement tritt Red-Bull-Teamchef Christian Horner dem deshalb entgegen.

"Sebastians Leistung in Singapur war so überlegen, dass automatisch Fragen aufkommen, wie so etwas möglich ist", sagt Horner, eine Traktionskontrolle einzubauen, sei aber schlicht unmöglich, weil die Elektronik eines jeden Autos von einem Einheits- bauteil gesteuert wird, das der Automobilweltverband vorgibt.

Was Horner indes nicht dementiert: Dass Vettels RB9 tatsächlich - völlig legal - durch eine besonders geschickte Motorenprogrammierung und Getriebeabstimmung außergewöhnlich gut durch die Kurven kommt. Vettel selbst hat die Schummel-Vorwürfe übrigens auch kommentiert. Sehr ausführlich sogar. Und indem er extra oft das Wort "Traktionskontrolle" benutzte, um die Ironie herauszustellen. Mal schauen, ob es jeder verstanden hat.

© SZ vom 04.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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