Masters-Sieger Scottie Scheffler:Der Mann mit dem hinreißenden Rhythmus

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Steht ihm selbstverständlich ausgezeichnet: Scottie Scheffler wird mal wieder das grüne Jackett des Siegers von Augusta übergezogen. (Foto: Wu Xiaoling/Imago)

Scottie Scheffler hat zum zweiten Mal in seiner Karriere das legendäre Golf-Masters in Augusta gewonnen. Die Nummer eins der Weltrangliste wirkt unbezwingbar, weil er sich eine Komfortzone eingerichtet hat, über die kein Konkurrent verfügt.

Von Felix Haselsteiner

Es kam am Sonntagnachmittag schließlich der Zeitpunkt, an dem Max Homa, Ludvig Aberg, Collin Morikawa und all die anderen Verfolger nur noch die Hoffnung auf Nachrichten aus Texas hatten. Sie alle hatten einen oder mehrere schwere Fehler zu viel begangen auf der Schlussrunde in Augusta, wo so gut wie nie ein Spieler fehlerlos 18 Löcher Golf spielt, aber am Ende meist der gewinnt, der den geringsten Hang zum Fatalismus zeigt.

Das traf nun erneut auf Scottie Scheffler zu, der dieses Masters bis auf kurze Unterbrechungen seit dem Start am Donnerstagmorgen angeführt hatte - und den eben nur noch eine Nachricht von zu Hause in Texas hätte aufhalten können, kurz vor Schluss. "Offene Kommunikation" habe er mit seiner Frau Meredith, die daheim vor dem Fernseher saß, im neunten Monat schwanger, und daher mit einem sehr speziellen Vetorecht ausgestattet war: Wenn Merediths Wehen einsetzen würden, würde er das Turnier umgehend beenden, hatte Scheffler angekündigt, zur Not auch während der Schlussrunde.

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"Ich glaube, die Geburt des ersten Kindes ist wichtiger", sagte Scheffler, das Masters sei gerade "nicht das Aufregendste" in seinem Leben. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, das Turnier am Sonntag zum zweiten Mal in seiner Karriere zu gewinnen.

Im Lichte Schefflers erblassen auch die Kraftsportler Bryson DeChambeau und Jon Rahm

Meredith nämlich meldete sich nicht, weshalb Scheffler seine finalen Schritte über den grünen Rasen in aller Ruhe absolvieren konnte, mit vier Schlägen Vorsprung auf die Konkurrenz. Es fügte sich einmal mehr das Bild eines einzigartigen, unglaublich talentierten Sportlers zusammen, den inzwischen im dritten Jahr eine Aura der Unschlagbarkeit umgibt, die man im Golfsport nur kaum sieht.

Diese speist sich einerseits aus einer völlig natürlichen Brillanz. Schefflers unkonventionellen, tänzelnden Schwung auf seinen unverwechselbar durchschwingenden Standbeinen kann man nicht erlernen oder kopieren. Er ist wie selbstverständlich entstanden aus dem Bewusstsein, dass im komplexen Golfsport nicht nur technisch gedacht werden sollte, in Videoanalysen und Lehrbeispielen - sondern vor allem in Gefühlen: So wie ein Skispringer das Gespür für den Absprung mitbringt, so bringt Scheffler einen hinreißenden Rhythmus am Schläger mit, auf den diejenigen, die in der Weltrangliste hinter ihm als Nummer eins stehen, keine Antwort finden.

Das gilt sowohl für die Ästheten wie Morikawa, Homa und Aberg, die in Augusta fabulös spielten, aber eben von Maschinen zu Menschen wurden, wenn sie den Druck spürten. Abergs und Morikawas Bälle landeten auf Loch 11 im Wasser, Homas auf Loch 12 in einem Busch. Dass ihre Taktiken im Lichte von Scheffler nicht erfolgreich sind, gilt aber auch für die Kraftsportler und LIV-Spieler Bryson DeChambeau und Jon Rahm, die über ihre Muskelkraft versuchen, den Platz zu overpowern, wie es im Englischen heißt: Augusta einfach niederzuschmettern und die Bäume zu ignorieren, war keine Lösung. Dem Titelverteidiger Rahm etwa blieb am Ende nur die Ehre, Scheffler das grüne Jackett umzulegen, das er erst im vergangenen Jahr von ihm erhalten hatte.

Diesmal verbrachte Golfer Scheffler das Wochenende mit Freunden in einem gemieteten Haus

Es ist viel passiert seit 2022, der ersten Saison der Scottie-Dominanz, als er reihenweise Turniere gewann - und schließlich auch das Masters, unter noch ganz anderen Umständen. Scheffler hatte schon vor dem diesjährigen Turnier davon erzählt, wie Meredith und er noch vor zwei Jahren überfordert waren mit der neuen Situation, in der er sich wiederfand: Am Sonntag vor der Finalrunde damals erlitt Scheffler am Morgen einen Nervenzusammenbruch, musste von seiner Ehefrau aufgefangen und daran erinnert werden, dass er mit Courage spielen könne, weil er es sich verdient und erarbeitet habe.

Diesmal verbrachte Scheffler das Wochenende in Augusta mit Freunden in einem gemieteten Haus, sie machten Frühstück zusammen und schafften eine Wohlfühlatmosphäre, die Scheffler herausragend gut bekommt. Irgendwo zwischen seinem glucksenden Lacher und seinen wackeligen, schlurfenden Schritten, mit denen Scheffler durch das Leben geht, liegt vielleicht der wahre Grund für seine Dominanz: Der 27-Jährige hat sich eine Komfortzone eingerichtet, in der Golf eine enorm wichtige, aber nicht die einzige Rolle spielt. In der er ein ehrgeiziger, höchst kompetitiver Spieler sein kann - und gleichzeitig er selbst.

Scottie Scheffler war am Sonntagabend einfach ein junger Mann aus Texas mit nun zwei grünen Jacketts, der es kaum erwarten konnte, in ein Flugzeug nach Dallas zu steigen, wo letzte Arbeiten im Kinderzimmer anstehen. Und ein Abenteuer, das er als viel größer empfindet als 72 Löcher bei einem Golfturnier.

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