WM-Silber für Florian Wellbrock:Nur der Schaufelradbagger ist schneller

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Bei dieser Unterwasseraufnahme ist der Ukrainer Michailo Romantschuk (Mitte) noch vor Florian Wellbrock. Doch der Deutsche holt ihn später noch ein. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Florian Wellbrock gewinnt WM-Silber über 800 Meter Freistil - und ärgert sich nur kurz, dass er Gold knapp verpasst. Denn seine Paradestrecke kommt erst noch.

Von Sebastian Winter, Budapest

Florian Wellbrock hat sich zu Beginn dieser Schwimm-Weltmeisterschaft entspannt zurücklehnen können, es waren ja erstmal andere am Start. Der 24-jährige Magdeburger hat auch ein paar Dinge gemacht, die nicht unbedingt zum Repertoire eines Profischwimmers gehören. Beispielsweise hat er seinem DSV-Kollegen Ole Braunschweig die Haare geschnitten - weil der Berliner eine Wette verloren hatte.

Am Dienstagabend wurde es dann aber ernst für den Weltmeister und Olympiasieger in der Duna-Arena von Budapest, und das ausgerechnet auf seiner eher ungeliebten 800-Meter-Freistil-Strecke. Im SZ-Interview hatte Wellbrock eine Woche davor gesagt: "Es wäre cool, wenn ich auch auf den 800 Metern mal eine Medaille holen kann. Aber die sind noch nie so gelaufen, wie sie hätten laufen sollen." Warum, das fragte Wellbrock sich auch selbst.

Mykhailo Romanchuk of Ukraine, Bobby Finke of the United States, Florian Wellbrock of Germany, from left to right, pose with their medals after the Men 800m Freestyle final at the 19th FINA World Championships in Budapest, Hungary, Tuesday, June 21, 2022. (AP Photo/Petr David Josek) (Foto: Petr David Josek/AP)

Die Frage hat sich nun erübrigt, weil Wellbrocks Wunsch nun in Erfüllung gegangen ist. Der Mitfavorit griff sich Silber und holte in 7:39,63 Minuten den deutschen Rekord zurück, den ihm erst im vergangenen Frühjahr sein Trainingspartner Lukas Märtens entrissen hatte. Gold gewann Bobby Finke, der US-amerikanische Doppel-Olympiasieger über 800 und 1500 Meter, nach einer eindrucksvollen Aufholjagd auf der letzten Bahn, auf der Wellbrock zwischenzeitlich in Richtung Titel geschwommen war - Bronze der Ukrainer Michailo Romantschuk.

Es wurde nicht nur WM-Silber, sondern auch noch ein deutscher Rekord

Letzterer trainiert nach dem Kriegsbeginn in seiner Heimat auf Wellbrocks Initiative hin seit mehr als drei Monaten als Kriegsflüchtling mit Wellbrock und Märtens in Magdeburg. Der italienische Weltmeister von 2019 und Olympiazweite von Tokio über diese Strecke, Gregorio Paltrinieri, wurde nur Vierter. "Im ersten Moment habe ich mich ein bisschen geärgert, dass ich Gold verloren habe, obwohl die Zeit sehr, sehr schnell war. Aber ich bin mit dem deutschen Rekord super zufrieden", sagt Wellbrock: "Es ist ein super Einstand, die dritte Silbermedaille fürs Team. Vielleicht kommt ja noch eine andere Farbe dazu, sonst wird's langweilig."

Als Schnellster war Guilherme Costa das Rennen angegangen, auf den ersten Bahnen lag der Brasilianer auf Weltrekord-Kurs, dann holten ihn die Favoriten aber doch ein. Vor allem Romantschuk machte Tempo, Wellbrocks ukrainischer Rivale. Der Deutsche war zwischenzeitlich nur Vierter, doch er hatte sich das Rennen gut eingeteilt - allerdings nicht ganz so gut wie Finke, der wie ein Schaufelradbagger durchs Wasser pflügte und mit diesem kraftvollen Stil Zehntel um Zehntel aufholte.

Als noch rund 50 Meter zu schwimmen waren, hatte Finke dann auch Wellbrock eingeholt. 27 Hundertstel fehlten dem Deutschen schließlich zu Gold. Mit der silbernen Zwischenbilanz darf aber nicht nur Wellbrock zufrieden sein: Drei WM-Podestplätze für das deutsche Beckenteam hat es zuletzt vor sieben Jahren gegeben. Und die 1500 Meter, Wellbrocks Paradestrecke, kommen ja erst noch.

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