Schwimmen:Michael Phelps erlaubt anderen das Träumen

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Michael Phelps: Immer noch schnell, aber plötzlich auch schlagbar (Foto: Tom Pennington/AFP)

Der Amerikaner hat das Schwimmen dominiert wie keiner vor ihm. In Rio könnte nun aber alles anders werden.

Von Saskia Aleythe

Athletische Körper wühlten sich durchs Wasser, der kleine Phelps döste auf der Tribüne. Dann sabberte er ein bisschen, gluckste ab und zu, lächelte und schloss die Augen wieder - meist in den Armen seiner Mutter. Boomer Robert Phelps ist schließlich erst acht Wochen alt und so aufregend diese Wettbewerbe kurz vor Olympia für seinen Vater Michael auch sein mögen: Schlaf muss sein.

Es waren emotionale Tage für Michael Phelps in Omaha, die US-Meisterschaften und die damit verbundenen Qualifikationsrennen markieren schließlich den Anfang vom Ende einer großen Karriere - dieses Mal wirklich. 2012 in London sollte schon einmal Schluss sein beim erfolgreichsten Olympioniken überhaupt. Doch irgendwie war dann da ein Loch bei diesem heute 31-Jährigen, der sein ganzes Leben ja nur geschwommen war. Nun hat sich Phelps zum fünften Mal für Olympia qualifiziert - und er wird ein Team anführen, das anders aussieht als in den Vorjahren.

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Im Jahr 2000 war Phelps zum ersten Mal bei den US-Trials als Olympionike aus dem Becken gestiegen, da war er 15 Jahre alt. "Damals war er der Jüngling und jeder fand ihn niedlich", erinnert sich sein Trainer Bob Bowman, der gleichzeitig Nationaltrainer der Männer ist. Später fand ihn die Konkurrenz gar nicht mehr so niedlich, als er sagenhafte 22 Olympia-Medaillen einheimste. Noch heute hält er drei Weltrekorde. Nun reist Phelps als erfahrenster Athlet im Team nach Rio: Von 47 qualifizierten US-Schwimmern erleben 32 dort ihre ersten Spiele. Der Sport erfährt in den USA gerade einen Umbruch, was es dem Rest der Schwimmwelt erlaubt, zumindest mal von einer Medaille zu träumen.

"Wenn ich in Rio eine Medaille holen will, muss ich mich steigern"

London, Peking, Athen, Sydney, Atlanta, Barcelona - bei den vergangenen sechs Olympischen Spielen war das US-Team die erfolgreichste Nation im Becken, dieses Jahr ist die Ausgangslage unübersichtlicher. Neu ist, dass in der internationalen Weltjahresbestenliste in acht Disziplinen australische Athleten ganz vorne stehen. Im Weltschwimmen sind die Sportler aus Australien damit führend. Dahinter kommen die Amerikaner mit sechs Bestzeiten. Insgesamt finden sich auf dem australischen Kontinent aktuell mehr Medaillenkandidaten als irgendwo sonst auf dem Planeten.

Phelps schaffte über seine drei anvisierten Strecken die erforderlichen Platzierungen. Gemessen an dem, was er in den vergangenen Jahren bewältigt hat und natürlich an seinem Alter, ist das eine immer noch überragende Leistung. Nach den Spielen in London, die seine letzten sein sollten, wurde er durch falsche Gesellschaft und Orientierungslosigkeit zum Gelegenheitstrinker, verlor durch eine Trunkenheitsfahrt sogar die Schwimmlizenz. Erst eine Therapie half ihm.

In Rio wird er über die 100 Meter und 200 Meter Schmetterling an den Start gehen sowie über 200 Meter Lagen und in der dazugehörigen Staffel. Doch als Favorit reist er nicht nach Brasilien, über seine eigenen Zeiten war er in Omaha überrascht. Im negativen Sinne. "Wenn ich in Rio eine Medaille holen will, muss ich mich deutlich steigern", sagte Phelps nach dem letzten Rennen, das er auf amerikanischem Boden absolvierte. In seinen beiden Schmetterling-Disziplinen hält er noch den Weltrekord, aber nach aktuellen Zeiten reicht es über 100 Meter nur noch zu Rang zwei hinter dem Ungarn László Cseh. Und über die doppelte Distanz nur zu Rang sechs. Die 200 Meter Lagen schwamm in diesem Jahr der Japaner Kosuke Hagino schneller.

"Ich habe mich eigentlich deutlich fitter gefühlt als in den vergangenen Jahren", sagte Phelps noch, "so stark wie seit 2009 nicht mehr". Damals war ihm bei der WM Paul Biedermann im mittlerweile verbotenen Hightech-Anzug davongeflogen, eine Begegnung der beiden wird es in Rio nun nicht wieder geben: Über die Freistil-Strecken ist Phelps in Omaha erwartungsgemäß gar nicht erst angetreten.

Ryan Lochte, elffacher Olympiasieger und mittlerweile ebenfalls 31, verletzte sich kurz vor seinem ersten Start unglücklich an der Leiste und schaffte die Qualifikation nur über 200 Meter Lagen und für die Freistil-Staffel. Missy Franklin, die 2012 in London noch Olympiasiegerin über 100 Meter Rücken wurde, scheiterte in Omaha nun als Siebte an der Qualifikation, sie tritt nur über 200 Meter in einem Einzelwettbewerb an.

Trotzdem sieht Coach Bob Bowman die Ergebnisse dieser Meisterschaften gelassen: "Eine Sache, die wir immer gekonnt haben: Uns von den Trials bis zu Olympia noch einmal zu steigern." Und tatsächlich kommen schon jetzt Schwimmer nach, die hoffen lassen: Brustschwimmer Josh Prenot etwa, der Marco Koch bei den Trials die Weltjahresbestleistung über 200 Meter abknöpfte, auch Rückenschwimmer David Plummer und Brustschwimmerin Lilly King krallten sich Bestzeiten im Jahr 2016.

Vor allem aber steht eine parat: Freistil-Schwimmerin Katie Ledecky. Sie ist mit 19 Jahren schon neunmalige Weltmeisterin, hält derzeit drei Weltrekorde und ist über drei Freistil-Distanzen in Rio die absolute Favoritin - weil diese in diesem Jahr noch niemand schneller geschwommen ist. Die richtig großen Sorgen muss man sich ums US-Schwimmen dann doch nicht machen.

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