Schwimm-Bundestrainer Lambertz:"Es sind genug Tränen geflossen"

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Will lieber ein fürsorglicher Familienvater sein als ein guter Cheftrainer: Henning Lambertz (rechts, mit seinen Schwimmern und Betreuern bei der Weltmeisterschaft 2017 in Budapest) tritt aus privaten Gründen als Bundestrainer zurück. (Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Henning Lambertz tritt kurz vor Weihnachten als Schwimm-Bundestrainer zurück.
  • Er möchte mehr Zeit mit seiner Familie haben. Ein anderer Auslöser sei aber der Rücktritt von DSV-Präsidentin Gabi Dörries gewesen.
  • Der DSV steht damit vor einem Führungschaos.

Von Sebastian Winter, München

Es passt zu dieser Geschichte, die den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) nun vollends ins Führungschaos stürzt, dass Henning Lambertz sie vier Tage vor Weihnachten kundtat, dem Fest der Familie. Der Chef-Bundestrainer der Schwimmer hat am Donnerstag seinen Rücktritt zum Jahresende erklärt, und damit nicht nur viele Weggefährten überrascht, sondern auch die zweite große Lücke in die Verbandsspitze gerissen. Erst am vorvergangenen Wochenende war DSV-Präsidentin Gabi Dörries überraschend auf dem Verbandstag zurückgetreten, nachdem die Entscheidung über die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge - eine für den klammen Verband dringend benötigte Finanzspritze - vertagt worden war.

Lambertz war da bereits nach Hangzhou zur Kurzbahn-Weltmeisterschaft geflogen. Zurückgekehrt ist er vor wenigen Tagen aus der chinesischen Stadt mit Marco Kochs Bronzemedaille, einigen deutschen Rekorden - und doch nur auf Platz 17 im Medaillenspiegel, gemeinsam mit Trinidad und Tobago.

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Das wenig erbauliche Abschneiden bei den ohnehin unpopulären, weil mitten im Olympiazyklus stattfindenden Kurzbahn-Wettkämpfen war aber nicht der Grund für Lambertz' Entscheidung. Der 48-Jährige, seit knapp sechs Jahren im Amt, habe die Entscheidung "aus persönlichen Gründen" getroffen, hieß es in einer Pressemitteilung des DSV: "Ein fürsorglicher Familienvater und guter Cheftrainer zu sein, ist kaum möglich", ließ sich Lambertz darin zitieren. Und weiter: "Ich habe zwei kleine Töchter zuhause, bin aber über die Hälfte des Jahres nicht bei ihnen. So möchte ich nicht weitermachen. Es sind genug Tränen in den letzten Jahren geflossen, jetzt müssen Zeiten der Freude und des familiären Glückes deren Platz einnehmen."

Die Vision war, 2020 wieder in der Weltspitze mitzuschwimmen

Lambertz war nach dem desillusionierenden Olympia-Auftritt von 2012, wo die deutschen Beckenschwimmer erstmals seit 80 Jahren ohne Medaille geblieben waren, vom Stützpunkttrainer in Essen zum Bundestrainer aufgestiegen. Sein unbescheidendes Ziel: Deutschland wieder zur Schwimmnation Nummer eins in Europa zu machen. Nur scheiterte der Plan nach zwischenzeitlichen Erfolgen bei Welt- und Europameisterschaften kolossal. Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio erlebten Lambertz' Athleten ihr nächstes Debakel, blieben wieder ohne Edelmetall.

Und das, obwohl der Bundestrainer seine Schwimmer bestens vorbereitet wähnte, er hatte sie wegen der späten Finalstartzeiten ins Schlaflabor geschickt, Regenerationskleidung tragen lassen, die Zimmer im Olympischen Dorf mit Alufolie abdunkeln lassen. Nur half all das nichts - und befeuerte seine Kritiker. Lambertz agierte auch bei manchen Aussagen nicht immer geschickt, in Rio kritisierte er ausgerechnet Nachwuchsschwimmer wie Alexandra Wenk und Johannes Hintze in aller Öffentlichkeit. Sein vor den Spielen gezogener Vergleich deutscher Schwimmerinnen mit "dünnen Models" führte auch nicht unbedingt zu wohlwollende Schlagzeilen. Mit Argusaugen wurde daraufhin auch in den Bundesstützpunkten verfolgt, wie Lambertz ein neues Krafttrainingskonzept initialisierte, das verstärkt auf mehr Masse und Muskeln baute. Und das nach Ansicht nicht weniger leitender Trainer so neu gar nicht war, sondern längst Teil ihres Trainings.

Eine Hausmacht hatte der streitbare Lambertz jedenfalls nie im Verband, auch Spitzenschwimmer wie Paul Biedermann und Philip Heintz kritisierten Lambertz, der sie nicht in Ruhe mit ihren Heimtrainern üben lasse, heftig. Die DSV-Präsidentin Dörries war noch eine der wenigen, die ihm uneingeschränkt den Rücken freihielt. "Letztlich war der Rücktritt von Gabi Dörries der Moment, der mich in meiner Entscheidung nochmals bestärkt hat," ergänzte Lambertz nun in der DSV-Mitteilung: "Sie stand in den vergangenen Jahren immer als Freundin und Mentorin an meiner Seite. Mit ihr zusammen habe ich sehr viele Visionen verfolgt, die ich mir ohne sie nicht weiter vorstellen kann."

Eine Vision war, 2020 in Tokio wieder in der Weltspitze mitzuschwimmen. Nun stolpert der DSV ohne Führung Richtung WM im kommenden Sommer in Südkorea. Einen neuen Bundestrainer soll es vorerst nicht geben, die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden, wohl auch auf die der Bundesstützpunkttrainer. Für den DSV hätte das einen unschätzbaren Vorteil: Er muss Lambertz nur noch bis 31. Dezember bezahlen - und könnte sich zugleich das Gehalt für einen neuen Cheftrainer sparen.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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