Schwimmen:"Ich habe weder Zeit noch Respekt für Doping-Betrüger"

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Olympiasieger Mack Horton schwimmt dem Zweitplatzierten Yang Sun davon - zuvor hatte er ihn scharf kritisiert. (Foto: AP)

Die Schwimmer zeigen öffentlich, dass sie sich untereinander nicht über den Weg trauen - wie der australische Olympiasieger Horton, der den Chinesen Yang angreift.

Von René Hofmann, Rio de Janeiro

Die Frage drängte sich auf. Und es war dann auch die dritte, die Mack Horton gestellt bekam, nach seinem Sieg über 400 Meter Freistil und den Chinesen Sun Yang: Hatte er das absichtlich getan? Hatte er sich vorher überlegt, was er damit lostreten würde, seinen größten Gegner am Tag des Wettkampfs einen "Doping-Betrüger" zu nennen? In der Mixed Zone bei Olympischen Spielen, dort, wo jedes Wort von Dutzenden Aufnahmegeräten aufgefangen wird, wo spitze Aussagen protokolliert werden und für alle Journalisten in einem Computersystem ständig abrufbar sind. "Ja", antwortete Mack Horton, "aber für mich ist das gar kein großes Statement gewesen. Es ist doch richtig, dass er einen positiven Doping-Test hatte."

Sun Yang schwimmt wieder mit wie ein Fisch in einem klaren Gebirgsbach

Ja, das ist richtig. Im Mai 2014 war Sun Yang bei den chinesischen Meisterschaften mit dem verbotenen Stimulansmittel Trimetazidin erwischt worden. Dafür erhielt er vom chinesischen Schwimmverband eine Sperre von - Achtung, kein Witz! - drei Monaten. Seitdem die vorbei sind, schwimmt Sun Yang wieder mit wie ein Fisch in einem klaren Gebirgsbach.

Horton stinkt das. Er habe gar nichts gegen Sun Yang im Speziellen, ließ der Australier wissen. Er habe etwas gegen "alle, die erwischt wurden und nun wieder mitschwimmen". Und nicht nur ihm gehe das so: "Hinter den Kulissen wird viel über Doping geredet, aber kaum einer äußert sich öffentlich dazu. Für mich fühlt es sich aber einfach nicht richtig an, wenn ich auf dieser Bühne gegen jemanden antrete, der schon einmal positiv getestet wurde."

Für alle, die ihn beim ersten Mal nicht richtig verstanden hatten, wiederholte Horton die Sätze auf der offiziellen Pressekonferenz noch einmal - als Sun Yang direkt neben ihm saß. Was der den Vorwürfen entgegnete? "Ich denke, wir alle müssen mehr darüber wissen", begann Sun Yang und ließ eine Beteuerung folgen: "Ich bin sauber. Ich mache alles, was nötig ist, um das zu belegen. Jeder Athlet sollte respektiert werden. In jedem Land gibt es andere Probleme. Aber wir sollten alle respektiert werden." Horton, 20, der jenseits des Beckens eine Brille trägt, die ihn sehr studentisch wirken lässt, hatte in dem Moment sein Kinn auf seine Hand gestützt. Er sagte jetzt nichts mehr, aber ihm war ziemlich deutlich anzusehen, was er von dem Respekt-Geschwafel hielt.

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Die Schwimmer trauen sich untereinander selbst nicht mehr über den Weg und sie zeigen das jetzt sogar öffentlich - das ist die Botschaft, die von der ersten Finalnacht der Beckenzauberer ausging. Eine Überraschung ist das nicht wirklich. Viele Resultate waren ja auch wie Gemälde, die zum Zweifeln einluden: Wie hatte der Künstler das nur hinbekommen?

Die Ungarin Katinka Hosszu schwamm über 400 Meter Lagen der Konkurrenz sogar um mehr als fünf Sekunden davon und dabei verbesserte sie den Weltrekord um schier unglaubliche zwei Sekunden auf 4:26,36 Minuten. Und kaum war sie aus dem Becken geklettert, kündigte die 27-Jährige schon die nächste neue Bestmarke an: "Ich weiß, ich kann noch schneller schwimmen."

Über 4 x 100 Meter Freistil waren die Australierinnen Emma McKeon, Brittany Elmslie, Bronte Campbell und deren Schwester Cate Campbell nicht nur nicht zu schlagen - sie waren auch schneller, als jemals vier Frauen über diese Strecke gewesen waren: 3:30,65 Minuten. Ach ja, und davor war noch die Bestmarke von Adam Peaty zu bestaunen gewesen. Der Brite hatte im Vorlauf über 100 Meter Brust nach 57,55 Sekunden angeschlagen - vier Zehntelsekunden schneller als im vergangenen Jahr, als er den Rekord schon einmal verbessert hatte. Drei Weltrekorde zum Start - das weckt Erwartungen: Die Schwimmwettbewerbe dürften wieder Rekord-verdächtig werden, im doppelten Wortsinn.

Wie das Misstrauen unter den Protagonisten den Wettbewerb verändert, war beim Duell von Horton und Sun Yang trefflich zu beobachten. Die beiden ignorierten sich nach dem knappen Finish (Horton 3:41,55 Minuten, Yang Sun 3:41,68). Es glückte ihnen, ohne einen Handschlag aus dem Becken zu gleiten und - obwohl sie nach dem Rennen beinahe gleichzeitig den Rand erreichten - sich ins Trockene zu ziehen, ohne einmal Blickkontakt aufzunehmen. Erst nach der Siegerehrung, als es wirklich nicht mehr anders ging, schritt Horton auf Sun Yang zu und streckte ihm die Hand entgegen. Für die Fotografen stellten die beiden sich sogar artig nebeneinander und Horton legte lächelnd die Hand auf Sun Yangs Schulter. Es ist wie so oft bei Olympia: Wer nur die Bilder sieht und ihnen traut, der wird genarrt.

Im Training in dieser Woche hatte Sun Yang, 24, die Nähe des Rivalen gesucht. Zur Begrüßung hatte er Horton freundlich nass gespritzt. Der aber ignorierte das Geplänkel. "Weil ich weder Zeit noch Respekt für Doping-Betrüger habe" - das war der Satz, der anschließend hohe Wellen schlug. Ob er sich wünsche, dass auch andere Schwimmer in Rio ein solches Zeichen setzen, wurde Mack Horton noch gefragt, bevor er in die Nacht entschwand. Seine Antwort: "Ja. Heute ist ja erst der erste Tag. Hoffentlich melden sich noch einige zu Wort."

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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