Schwimm-WM: Britta Steffen:Die Krönung einer Karriere

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Weltmeisterin über 100 m Freistil: Britta Steffen besteht darauf, es diesmal ohne Psychologin zu schaffen und besiegt ihre Freundin Lisbeth Trickett.

Josef Kelnberger

Im Call Room saßen die Freundinnen nebeneinander, Britta Steffen und Lisbeth Trickett. Call Room heißt der Raum, in dem sich die Starter treffen, bevor sie in die Arena gerufen werden. Noch ein paar Minuten bis zum WM-Finale über 100 Meter Freistil am Freitag, 18.02 Uhr. "Ich bin so nervös", sagte Britta Steffen, und Lisbeth Trickett erwiderte: "Seien wir ehrlich, wenn wir nicht nervös wären, würde es uns nicht so viel Spaß machen."

"Ein Traum ist in Erfüllung gegangen": Britta Steffen hat schon mehrere Weltrekorde aufgestellt, sie hat zwei Olympische Goldmedaillen gewonnen und mehrere Europameistertitel. Nun darf sie sich auch Weltmeisterin nennen. Sie gewann die 100 Meter standesgemäß: mit Weltrekord. (Foto: Foto:)

Die Berlinerin Britta Steffen, 25, und die Australierin Lisbeth Trickett, 24, haben eine lange, gemeinsame Geschichte. Trickett gewann 2007, noch unter ihrem Mädchennamen Lenton, den Titel über 100 Meter Freistil bei ihren Heim-Weltmeisterschaften in Melbourne. Steffen, damals Weltrekordlerin, hatte Mühe, sich über Rang drei zu freuen.

Ein Jahr später bei den Olympischen Spielen in Peking ging die Australierin als Weltrekordlerin ins Rennen. Rang zwei bedeutete eine bittere Niederlage, dennoch gratulierte sie der Deutschen als Erste zum Sieg. Die beiden haben einander schätzen gelernt im Laufe der Jahre. Und es war ein schönes Bild, wie am Donnerstag vor dem Halbfinale eine der anderen beim Zurechtzupfen des Anzugs half, und wie sie danach einander umarmten. Auf ein neues Duell, in aller Freundschaft.

Es war ein ungleicher Zweikampf diesmal, und am Ende stand ein Weltrekord, wie üblich in Rom. Britta Steffen gewann den WM-Titel in der Zeit von 52,07 Sekunden, fast zwei Zehntelsekunden schneller war sie damit als im Staffelrennen am ersten WM-Tag, als die Uhr bei 52,22 für sie stehenblieb. Lisbeth Trickett versuchte die Flucht nach vorne und lag bei der Wende 23 Hundertstel voran, doch am Ende brach sie ein. Mit ihren 52,93 Sekunden musste sie sogar der Britin Fran Halsall (52,87) noch den Vortritt lassen. Und wieder sah man Britta Steffen und Lisbeth Trickett in einer innigen Umarmung.

Diesmal ohne Psychologin

Die Australierin gratulierte derart überschwänglich, dass man ahnte: Sie hatte nicht an ihre Chance geglaubt. Denn sie schwamm, anders als in der Staffel, wieder im Anzug ihres persönlichen Sponsors, und der ist nicht von der Qualität des Hightech-Modells, das Britta Steffen auf der Haut trägt. "Ich bin stolz auf diese Medaille", sagte sie, "und Britta ist Weltmeisterin. Diesen Titel kann ihr niemand wegnehmen, trotz der Anzugdebatte."

Für Britta Steffen, die sich oft in der eigenen Psyche verheddert, war gerade ihre Rolle als Favoritin die Herausforderung des Rennens gewesen. Sie dachte, was die anderen denken könnten: "Wenn du schon am ersten WM-Tag Weltrekord schwimmst, kann es ja wohl kein Problem sein, dieses Rennen zu gewinnen." Trickett war im Halbfinale in 52,84 Sekunden um drei Hundertstel schneller gewesen, aber Steffen hatte geblufft.

Als sie 25 Meter vor dem Ziel merkte, dass sie allzu weit zurücklag, sprintete sie mühelos an die Spitze. Was andere als Selbstbestätigung empfinden, das verunsichert Britta Steffen eher. Vor dem Finale war sie derart durch den Wind, dass ihre Managerin Regine Eichhorn überlegte, die Psychologin Friederike Janofske aus Berlin einfliegen zu lassen. Aber Steffen wollte den Nervenkrieg gegen sich selbst diesmal allein gewinnen. "Man will sich ja weiterentwickeln", sagt sie, "man will ja nicht als Marionette enden."

Für eine Marionette wird Britta Steffen jetzt niemand mehr halten. Sie schwamm ihr Rennen streng nach dem Plan, bei 75 Metern blickte sie sich erstmals um, und sie sah, dass alles gut war. Mit diesem selbstbestimmten Sieg hat sie ihre Karriere vollendet. Sie hat zwei olympische Goldmedaillen gewonnen, Weltmeister- und Europameistertitel, dazu mehrere Weltrekorde aufgestellt. "Nicht viele haben das Glück, Olympiasiegerin und Weltmeisterin zu werden", sagt sie, "ein Traum hat sich erfüllt." Ihre Laufbahn wird sie aber nicht beenden. Bis Olympia 2012 blickt sie voraus, und sie freut sich schon auf nächstes Jahr, wenn sie alle wieder in Badeanzügen schwimmen. Dann wird auch ihre Freundin Lisbeth wieder eine Chance haben.

Tanzend auf dem Podium

Das deutsche Team hat dank Britta Steffen und Paul Biedermann in Rom schon drei Titel gewonnen, dazu drei zweite Plätze durch die Freistilstaffel der Frauen, Daniela Samulski (50 Meter Rücken) und Helge Meeuw (100 Meter Rücken). Biedermann hielt am Freitag in der 200-Meter-Staffel in 1:42,81 Minuten als Startschwimmer ein weiteres Mal Michael Phelps in Schach - die Amerikaner gewannen, die Deutschen landeten auf Rang fünf - und ist an diesem Samstag dazu ausersehen, bei der Papst-Audienz die internationale WM-Delegation anzuführen.

Er wird Benedikt XVI. eine Mütze als Geschenk überreichen. Britta Steffen fehlt bei dem Termin, sie will sich für das Finale über 50 Meter am Sonntag qualifizieren. Aber ein weiterer Titel wäre nichts als eine Zugabe. Auf dem Siegerpodium tanzte Britta Steffen am Freitag Arm in Arm mit Lisbeth Trickett, und Fran Halsall tanzte als Dritte im Bunde.

© SZ vom 01.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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