Schalke in der Europa League:Tumulte um den Señor

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Der FC Schalke 04 steht vor dem Viertelfinal-Rückspiel bei Athletic Bilbao vor dem Aus in der Europa League. Doch in Spanien dreht sich alles um die Rückkehr von Raúl: Am Flughafen müssen ihn vermummte Sicherheitskräfte durch seine Fans geleiten, das Training im Stadion wird zur Raúl-Show. Ob er noch ein Jahr in Schalke dranhängt, hat er indes noch nicht entschieden.

Wer beim FC Schalke 04 noch nicht gewusst hat, welches Ansehen ihr Fußballspieler Raúl González Blanco in Spanien genießt, der wunderte sich am Mittwoch nach der Ankunft in Bilbao über die vielen Menschen am Flughafen. Etliche Fußballfreunde warteten am Ausgang, sie begrüßten den 34-Jährigen mit "Señor"-Rufen, mehrere Kamerateams filmten die Rückkehr Raúls nach Spanien, auf einem Plakat stand: "Raul, der König ist wieder da". Stühle und Tische fielen um, die Szene geriet zum Tumult. Um zum Mannschaftsbus zu gelangen, waren vermummte Sicherheitsleute der baskischen Autonomiepolizei Ertzaintza nötig.

Ankunft Schalke in Bilbao: Schalkes Raúl schreibt am Flughafen unter Polizeischutz Autogramme. (Foto: dpa)

So sieht das wohl aus, wenn ein nationaler Held zurück in die Heimat kommt. Raúl hat mit Real Madrid sechsmal die spanische Meisterschaft gewonnen und dreimal die Champions League, er war viermal Torschützenkönig der Primera Division, er ist Rekordtorschütze in der Champions League und hat in 102 Länderspielen 44 Mal getroffen.

Dass Raúl jetzt mit dem FC Schalke 04 versuchen wird, den 2:4-Rückstand aus dem Hinspiel umzubiegen und doch noch ins Halbfinale der Europa League zu gelangen, verringert die Zuneigung der Spanier nicht. Mehr als 1000 Fans, viele davon im Schalke-Trikot mit der Nummer sieben, verfolgten das Abschlusstraining im Stadion San Mames von Athletic Bilbao.

Raúl nimmt sich Zeit

Immer wieder brandete Beifall auf, "Raul"-Rufe schallten durch die Arena. Als seine Mitspieler längst in der Kabine verschwunden waren, schrieb Raúl noch immer Autogramme. Egal, was ihm die spanischen Fans herunterreichten, Trikots, Plakate, Fotos, Bücher, der 34-Jährige setzte überall seinen Schriftzug drauf.

"Ich bin sehr glücklich über die Freundlichkeit der Leute. Es ist schade, dass ich nicht mehr Zeit habe, ihnen das angemessen zurückzugeben", sagte Raúl. Dabei blieb er im Stadion immer wieder bei einem Zuschauer oder Ordner stehen für ein kleines Gespräch. Er nahm sich Zeit und gab ein wenig Aufmerksamkeit zurück - Dinge, die rar geworden sind im modernen Fußballbetrieb. Und die erklären, warum Raúl gerade in Spanien so verehrt wird. Er ist eben ein Señor.

Manch einer fordert seit der Verletzung von David Villa schon die Rückkehr des Señor in die Nationalmannschaft. Dabei erlebte diese gerade ohne Raúl die erfolgreichste Zeit ihrer Geschichte mit den Erfolgen bei der Europameisterschaft 2008 und Weltmeisterschaft 2010.

Wie in der Nationalmannschaft, so überlegte auch der FC Schalke 04 in dieser Saison, ob denn der 34-Jährige noch zum Fußball einer modernen Elf passt. Mit dem Trainer Ralf Rangnick krachte es angeblich mehrfach und Raúl dachte schon im vergangenen Sommer an ein Ende seines Schalke-Engagements. Unter Huub Stevens erging es Raúl besser und inzwischen ist er ein wichtiger Bestandteil des Tabellendritten der Bundesliga. Nun steht die Frage im Raum, ob Raúl noch ein Jahr dranhängt in Gelsenkirchen.

In Bilbao äußerte er sich dazu auf der Pressekonferenz: "Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Ich kann nur sagen, dass mir Schalke ein gutes Angebot gemacht hat. In den kommenden Wochen werde ich entscheiden, es wird von persönlichen, familiären Dingen abhängen."

Abschied vom San Mames

Schalke soll dem 34-Jährigen einen Einjahresvertrag mit deutlich reduzierten Bezügen vorgelegt haben. Schalke-Manager Horst Heldt hatte sich zum zweiten Mal mit Raúls Berater Gines Carvajal getroffen, anschließend bat Raúl noch einmal um Bedenkzeit. Er müsse eine Grundsatzentscheidung fällen, erklärte Heldt. Die Verhandlungen, die in der Winterpause begannen, könnten sich auch noch bis nach Saisonende hinziehen.

In Bilbao jedenfalls verabschiedete er sich schon mal von seinen Fans und auch vom ältesten Stadion des Landes. "Es ist ein besonderer Moment, weil es wird das letzte Mal sein, dass ich in San Mames spielen werde", sagte Raúl. Athletic Bilbao baut ein neues Stadion, "und ich werde dann nicht mehr mitspielen".

Ob er überhaupt noch einmal als Spieler nach Spanien zurückkehrt? Selbst bei einem völlig unerwarteten Weiterkommen gegen ein sehr starkes Athletic Bilbao (es wäre mindestens ein 3:0 für Schalke nötig), müsste Raúl dafür noch ein Jahr weiterspielen. Im Halbfinale würden Sporting Lissabon oder Metalist Charkow warten, das Finale findet in Bukarest statt. Bliebe also nur die Vertragsverlängerung. Bleibt Schalke in der Bundesliga auf Champions-League-Platz drei, wäre bei ein wenig Losglück sogar eine Rückkehr ins Stadion Santiago Bernabeu möglich. Die Sicherheitskräfte in Madrid hätten dann sicherlich ein paar anstrengende Tage.

© Süddeutsche.de/hum/sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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