Schalke 04:Christian Heidel gibt auf

Lesezeit: 4 min

Sah keine Grundlage mehr für seine Arbeit auf Schalke: Sportvorstand Christian Heidel (Archivbild). (Foto: Ina Fassbender/dpa)
  • Christian Heidel verkündet seinen Abschied von Schalke 04 - spätestens im Sommer will er gehen, wahrscheinlich aber früher.
  • Heidel sagt, er verzichte auf eine Abfindung - denn es gehe ihm nicht um Geld.
  • Hier geht es zur Tabelle der Fußball-Bundesliga.

Von Tobias Schächter, Mainz

Dass dies alles sich nun ausgerechnet in Mainz zutrage, sei ihm eher unangenehm, meinte Christian Heidel: "Jeder andere Ort wäre mir lieber gewesen." Damit meinte Heidel nicht die 0:3-Pleite seines FC Schalke 04 beim FSV Mainz 05. Diese tat dem 55-Jährigen natürlich auch weh, wie er versicherte. Aber Heidel erläuterte am Samstagnachmittag nach dem Abpfiff an alter Wirkungsstätte ja nicht die Gründe für die Niederlage - und es war deshalb natürlich eine bizarre Pointe, dass Heidel ausgerechnet an seinem Geburtsort und in dem Stadion jenes Vereins, für den er 24 Jahre als Manager gearbeitet hatte, das vorzeitige Ende seiner Arbeit als Sportvorstand bei Schalke verkündete.

Eigentlich lief der im Sommer 2016 geschlossene Vertrag noch bis Sommer 2020. Nun aber gab Heidel, zermürbt von der Kritik an seiner Arbeit, seinen Rücktritt spätestens im Sommer bekannt. Es gehe ihm nicht um eine Abfindung, erklärte Heidel, er verzichte auf seine Ansprüche. Bis ein Nachfolger gefunden sei, werde er dem Verein dennoch mit "Rat und Tat" zur Verfügung stehen wird. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Heidel dies bis zum Sommer tun wird, Schalke will zeitnah einen Nachfolger präsentieren.

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Die Gründe für seinen Rücktritt lagen nicht nur in der sportlich schlechten Lage der Schalker in der Liga. Nach der Niederlage in Mainz rangiert S04 nur sieben Punkte vor dem VfB Stuttgart auf Relegationsplatz 16. Viel tiefer kann der Fall nach dem zweiten Platz in der letzten Saison nicht sein. Heidel stellt sich der Verantwortung der sportlichen Krise, die er Kraft seines Amtes zu verantworten hat. Seit Wochen steht er wegen seiner Personalpolitik in der Kritik, Namen von Nachfolgern wurden bereits genannt. "Ich hatte nicht mehr den Glauben, in Ruhe arbeiten zu können", erklärte Heidel: "Ich habe in meinem Leben immer aus der Position der Stärke gehandelt. Diese Position habe ich im Moment nicht mehr auf Schalke."

Heidel beklagt unfaire Berichterstattung

Der Klub aber brauche dringend Ruhe, so Heidel, der in der Kritik besonders von den Springer-Blättern Bild und Sport-Bild zuletzt Grenzen überschritten sieht. "Wenn Kritik in den Bereich der Verunglimpfung geht, dann muss ich das nicht haben", sagte er. Erfunden und erlogen seien Geschichten gewesen, nach denen er sich beispielsweise gewehrt habe, die Macht zu teilen. Und wenn er über sich lesen müsse, wenn er, also Heidel, ein Fünkchen Anstand hätte, müsse er zurücktreten, dann gehe das ins Persönliche. Fairness und Anstand gehörten aber aus seiner Sicht dazu.

Seinen Entschluss habe er endgültig vor zehn Tagen getroffen, erzählte Heidel, nachdem er in der Winterpause schon mit dem Gedanken des Rücktritts gespielt habe. Am Montag habe er dann dem mächtigen Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies seinen Entschluss mitgeteilt. Mit Tönnies habe er nie ein Problem gehabt in diesen zweieinhalb Jahren, versicherte Heidel. Entgegen bestimmten Presseberichten habe er nicht nur von Tönnies, sondern auch von Aufsichtsratsmitgliedern Zuspruch bekommen. Auch am Samstag in Mainz hätte ihn ein Aufsichtsrat noch gebeten, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Fakt ist: Heidels Personalpuzzle hat in dieser Saison nicht funktioniert. Zugänge wie Salif Sané, Mark Uth oder Sebastian Rudy enttäuschten auch in Mainz. Heidel aber sagt: Es sei zu einfach, alles auf die verpflichteten Spieler zu schieben, über die epische Verletzungsmisere beispielsweise im Sturm spreche niemand. Im Sommer sei er noch von der Bild-Zeitung, die ihn jetzt so hart für die Personalien kritisiere, für die Zugänge gefeiert worden. Heidel gab in den zweieinhalb Jahren auf Schalke 150 Millionen Euro für Spieler aus. Das Missverständnis mit Trainer Markus Weinzierl löste er schnell auf. Seine erste Saison beendete Schalke dennoch nur auf Platz zehn. Mutig entschied sich Heidel dann für den unbekannten Domenico Tedesco von Zweitligist Aue als Nachfolger, mit dem jungen Trainer gelang im vergangenen Jahr der zweite Platz in der Liga und der Einzug ins Pokal-Halbfinale.

Nun steht Schalke nach der 2:3-Heimniederlage am vergangenen Mittwoch gegen Manchester City vor dem Aus in der Champions-League, in der Bundesliga geht es nur noch um den Klassenerhalt - nur im Pokal ist noch die Qualifikation für den Europapokal möglich. Heidel, der viel Geld in die Infrastruktur des Klubs investierte, war es zudem nicht gelungen, Schalker Hoffnungsträger aus der eigenen Jugend im Klub zu halten (Leroy Sané, Leon Goretzka, Max Meyer, Thilo Kehrer). Aber wäre das anderen Managern in jedem einzelnen dieser jeweils speziellen Fälle gelungen? Wohl nicht.

In Mainz verhalf Heidel einst Trainern wie Jürgen Klopp und Thomas Tuchel zu ihren Karrieren in der großen Fußballwelt. Vor zweieinhalb Jahren sah er nach fast einem Vierteljahrhundert in Mainz den Zeitpunkt gekommen, sich in der Fremde, in Schalke, einen großen Fußballtraum zu erfüllen. Er habe gewusst, dass alles zehnmal größer sei in Schalke als in Mainz, sagt Heidel. Nun gab er auf, so selbstbestimmt, wie ihm das nach der Kritik der vergangenen Wochen noch möglich war. In Mainz ging er freiwillig, in Schalke trat er zurück, weil er keine Arbeitsgrundlage mehr für sich sah. Schalke muss nun wieder mal von vorne anfangen, und es ist eine spannende Frage, ob mit Heidel nun auch die Zeit von Tedesco abläuft.

Heidel hatte Tedesco am Freitagabend über seinen Entschluss informiert. Er sei sehr überrascht gewesen, erzählte Tedesco am Samstag nach dem Spiel in Mainz, zu dem er keine sportliche Analyse geben wolle. Die Geschichte ist ja auch schnell erzählt: Das 0:3 nach Toren von Karim Onisiwo (18., 84.) und dem eingewechselten Jean-Philippe Mateta (73.) war für Schalke schmeichelhaft. In Mainz hatten sie vor dem Spiel etwas Angst, Aufbaugegner für den angeschlagenen Gast zu sein. Doch es war umgekehrt: Schalke erwies sich nach zuletzt drei Niederlagen in Serie als perfekte Aufbauhilfe für Mainz.

Jonas Boldt, zuletzt in Leverkusen, gilt als ein heißer Nachfolgekandidat für Heidel. Ob er in Mainz, wo er noch eine Wohnung besitzt, bleiben werde, oder nach Schalke zurückfahre, wisse er noch nicht, sagte Heidel am Samstagabend. Er schien aber mit sich im Reinen, bevor er das Stadion verließ, und sagte: "Ich bin nicht erleichtert, aber ich habe das Gefühl, dass es so richtig ist."

© SZ vom 24.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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