Schalke 04 in der Champions League:Ultimativer Lichtblick gegen Reals Übermacht

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"Keine Angst vor nichts": Kühn sucht sich der junge Schalker Felix Platte das Champions-League-Duell mit Real Madrid aus, um seine Fähigkeiten zu zeigen. Trotzdem macht sich nach dem 0:2 Ernüchterung breit.

Von Andreas Morbach, Gelsenkirchen

Hinter den dunklen Stellwänden ertönte plötzlich lautes Gelächter, darauf näherten sich eilige Schritte. Der Brasilianer Marcelo hatte offenkundig seinen Spaß an diesem Abend, auf dem Gesicht ein Lächeln, auf dem Rücken einen schwarzen Rucksack, und dazu wippte sein langes gekräuseltes Haar fröhlich. Sagen wollte Reals Linksverteidiger vor lauter Eile nichts mehr - auch nicht über die kunstvolle Rarität, mit der er eineinhalb Stunden zuvor sogar seinem Trainer Beine gemacht hatte.

Kaum war Marcelos Geschoss zum finalen 2:0 von Real Madrid auf Schalke im Torwinkel eingeschlagen, stürmte Carlo Ancelotti auf den Rasen. "Ich war sehr euphorisch in dem Moment", erklärte der 55-Jährige seinen spontanen Sprint. Denn: "Es kommt nicht alle Tage vor, dass Marcelo mit rechts trifft."

Dieses Detailwissen teilte der kräftige Coach mit Benedikt Höwedes, der dem zweiten Tor der Madrilenen jedoch deutlich weniger Begeisterung entgegenbrachte. "Ein blödes 0:2", murrte der Kapitän der Gelsenkirchener, ehe er unwillig nacherzählte: "Da trifft ein Linksfuß den Ball mit rechts perfekt und haut ihn oben in den Knick."

Weniger bekannt waren bislang die speziellen Fähigkeiten von Felix Platte. Das hat sich am Mittwochabend nachhaltig geändert: Da kam der furchtlose Angreifer, eine Woche nach seinem 19. Geburtstag, in der 33. Minute für den am Schienbein verletzten Klaas-Jan Huntelaar ins Spiel, mauserte sich zum ultimativen Lichtblick in der ansonsten mauen S04-Offensive und drosch den Ball fünf Minuten vor Marcelos 0:2 gegen die Querlatte. "Ich stand da rum und hab' einfach mal draufgehalten. Schade, dass der nicht reingegangen ist - ich hatte eigentlich schon damit gerechnet, dass der Schuss passt", so Platte später.

Mit seinem jugendlichen Mumm und Drang, der auch vor großen Namen nicht Halt macht, ist der junge Mann aus dem Wesertal ganz nach dem Geschmack von Roberto Di Matteo. "Er hatte keine Angst vor nichts. Wenn er so weitermacht, hat er eine Zukunft bei uns", goutierte Schalkes Cheftrainer die Leistung des Huntelaar-Vertreters. Noch mehr lobende Worte für Platte fand Horst Heldt. "Felix ist ein ähnlicher Spielertyp wie Klaas-Jan. Der Junge ist ehrgeizig, hört zu, ist bodenständig - er ist unauffällig auffällig", zählte der Manager schwiegersohnverdächtige Qualitäten auf.

Nicht minder selbstverständlich erledigte ein anderer 19-jähriger Schalker seinen Job gegen Real. "Ich habe dieses Spiel sehr genossen", versicherte Torwart Timon Wellenreuther glaubhaft, nachdem er mit seinen Paraden gegen Cristiano Ronaldo, Gareth Bale oder Karim Benzema größeres Unheil verhindert hatte als die beiden Treffer durch Ronaldo und Marcelo.

Und zum Lohn für seine Taten marschierte er nach Abpfiff zu Iker Casillas, sicherte sich das Trikot von Madrids berühmtem Keeper, der mit seinen 33 Jahren und 145 Champions-League-Einsätzen im giftgrünen Unterhemd dastand und dem jungen Ballfänger aus Alemania anerkennend auf die Schulter klopfte.

Schalke in der Einzelkritik
:Platte trifft Latte

Der 19-jährige Felix Platte hat ordentlich Mumm, aber kein Glück. Roman Neustädter sorgt für Stierkampfatmosphäre - und Dennis Aogo trickst Real akrobatisch mit der Hacke aus. Der FC Schalke beim 0:2 gegen Madrid in der Einzelkritik.

Von Andreas Morbach, Gelsenkirchen

Wellenreuther und Platte - zwei unbekümmerte Königsklassendebütanten, denen Horst Heldt im Anschluss an die internationale Feuertaufe einen etwas umständlichen Rat gab. "Ich würde mich wahnsinnig ärgern, wenn sie sich nicht den Raum dafür geben würden, wegen ihrer persönlichen Leistung ein Lächeln über die Lippen zu bringen", empfahl der Manager den beiden Teenagern. Schwerer fielen den Schalkern dagegen Empfehlungen für das Rückspiel in drei Wochen.

"Die Qualität hat heute den Unterschied ausgemacht", sagte der einsichtige Chefcoach Di Matteo über die meist in gedrosseltem Tempo agierenden Gäste. Im Gegensatz zum 1:6 aus dem Vorjahr zogen sich die Königsblauen gegen Real diesmal immerhin achtbar aus der Affäre - mehr aber auch nicht. "Im Fußball ist alles möglich. Wir müssen daran glauben, dass wir in Madrid etwas holen können", schwor Di Matteo sein Team dennoch tapfer auf das zweite Duell ein.

"Die Ausgangsposition ist denkbar ungünstig", gab Abwehrchef Höwedes allerdings zu bedenken, kündigte für den 10. März erneut verschärfte Konzentration auf die Verteidigungsarbeit an - ehe er die vage Hoffnung äußerte: "Vielleicht sind wir in Madrid bei Standards so gefährlich, dass wir dort mal treffen."

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