Schalke 04:Therapie für das Sorgenkind der Liga

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Die Fußballer von Schalke 04 trainieren wieder. (Foto: AFP)

Der Rettungsplan der DFL ist auch ein Rettungsplan für den Traditionsklub. Denn wenn es hieß, "der eine oder andere Verein" sei wegen Corona bedroht, war vor allem Schalke 04 gemeint.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Nur das Datenschutzgebot und die Regeln des guten Anstands haben verhindert, dass ständig der Name Schalke 04 genannt wurde, wenn DFL-Geschäftsführer Christian Seifert und andere Funktionäre des Profifußballs in den vergangenen Wochen über die Gefahren eines möglichen Saisonabbruchs sprachen. Immer, wenn Seifert eine Bundesliga prophezeite, die anders sein werde als "die, die wir alle kennen", dann meinte er mutmaßlich eine Bundesliga ohne das Sorgenkind Schalke 04.

Insofern ist der Rettungsplan für die Liga auch ein Rettungsplan für den königsblauen Traditionsklub. In der Liste der wertvollsten Fußballfirmen Europas führt die Unternehmensberatung KPMG den S04 zwar auf einem noblen Platz zwischen Atlético Madrid und Inter Mailand. Aber das verschafft den Herren, die am Ernst-Kuzorra-Weg den Klub verwalten, keinen Trost - die Lage bleibt trotzdem lebensbedrohlich. Da brauche man nicht drum herum zu reden, sagte Sportvorstand Jochen Schneider am Freitag auf einer Videokonferenz in absolut zeitgemäßer Diktion: Schalke sei ein Klub "mit gewissen Vorerkrankungen, deshalb trifft uns die Krise vielleicht einen Tick härter als andere". Andere Vereine haben nämlich keine Verbindlichkeiten in der Nähe der 200-Millionen-Euro-Grenze.

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Schneider saß während des Gesprächs vor einem Bild, auf dem der legendäre Vorstopper Rolf Rüssmann mit seinen legendär langen Beinen zu sehen ist. Rüssmann war nicht nur Spieler auf Schalke, sondern auch einer der Vorgänger des heutzutage amtierenden Sportvorstandes - im späteren Leben sind sich beide Männer beim VfB Stuttgart begegnet.

Rüssmann hat Zeiten erlebt, in denen Schalke nicht mal mehr Geld für das Waschpulver hatte, um die Spielertrikots zu waschen, ganz so schlimm ist es derzeit wohl nicht. Schlimm ist es dennoch: "Wenn einem sämtliche Säulen für Einnahmen wegbrechen, ist der Zustand nicht lange haltbar", sagt Schneider.

Einer Diskussion über Schuldfragen geht der vor einem Jahr ins Amt gerufene Funktionär aber lieber aus dem Weg. Schneider gelangt schnell zur Lufthansa, als er über die Probleme des Betriebsstopps spricht. Auch dieses große Unternehmen habe große Probleme, sagt er. Dass zumindest die Bundesliga wieder in Betrieb gehen darf, sollte auch jenseits der Profibranche für Erleichterung sorgen, findet er, als Signal des Aufbruchs.

Nach dem Kampf um die Starterlaubnis beginnt für die Schalker nun wie für 35 weitere Erst- und Zweitligaklubs ein mühsamer Alltag, der, wie alle hoffen, bis zum 34. Spieltag Ende Juni beibehalten werden kann. Die Verwirklichung des medizinischen Sicherheitskonzepts der DFL erfordere "unglaubliche Akribie und Disziplin", berichtete Schneider: "Das bringt uns nicht an die Grenzen, aber es ist ein immenser organisatorischer Aufwand. Es ist alles anders und ungewohnt. Aber es ist machbar - und es ist in dieser Situation erforderlich."

Die Profis wohnen in einem Hotel auf dem Vereinsgelände

Bis zum Anstoß des Derbys in Dortmund am nächsten Samstag werden die Schalker Profis in einem Hotel auf dem Vereinsgelände wohnen. Ihr Weg zum Arbeitsplatz beträgt dann zirka 250 Meter, und ihre Gesellschaft werden die Kollegen und Vorgesetzten bleiben. Die Familie hat keinen Zugang, ihre Angehörigen werden die Profis erst wieder nach dem Spiel sehen dürfen. Doch auch zu Hause müssten "quarantäneähnliche Zustände" herrschen, erklärte Schneider. Für Familienmitglieder bedeutet das, dass sie entweder auch getestet werden oder Buch führen müssen über ihre Kontakte außerhalb der Wohnung. "Das Zuhause soll ein geschlossener Bereich bleiben, damit auch hier keine Gefahrenquelle entstehen kann", sagt Schneider.

Anfang der Woche hat Schneider die Spieler in Gruppen in sein Büro gerufen, um ihnen diese Regeln nochmals näher zu bringen und ihre Bereitschaft zum Mitmachen abzufragen. Wer Angst um seine Angehörigen oder die persönliche Gesundheit habe, müsse nicht mitmachen, "das geschieht auf freiwilliger Basis". Bisher habe sich aber niemand abgemeldet, "die Stimmung ist trotzdem positiv", sagt Schneider. Dass der erste Gegner der Revierrivale Dortmund ist, mag seinen Teil dazu beitragen. An einen Auswärtsvorteil ohne BVB-Fans auf der Südtribüne glaubt Schneider jedoch nicht: Bei den vorigen Derbys in Dortmund - 4:4 und 4:2 für Schalke - seien die Zuschauer "ja auch mehrheitlich schwarz-gelb gekleidet" gewesen.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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