Der große Stoiker des Weltfußballs geht. 83 Mal musste Giampaolo Mazza als Nationaltrainer von San Marino zusehen, wie die Amateur-Auswahl des Zwergstaates gegen Profis aus aller Herren Länder unterging. So regelmäßig und unausweichlich ging Mazzas Team als Verlierer vom Platz, als folge es einem ehernen Naturgesetz. Als seien die Niederlagen festgeschrieben wie die Abfolge der Jahreszeiten, mit der einzig offenen Frage: einstellig oder zweistellig.
Nur ein einziger Sieg war Mazza vergönnt, 2004 gewann San Marino 1:0 gegen Liechtenstein. Leider nur ein Testspiel der Fußballzwerge. Denn so blieb es bis heute unweigerlich bei einem einzigen Pflichtspiel-Punkt, den Trainer Mazza mit seiner Nationalmannschaft ergatterte: 2001, bei einem 1:1 gegen Lettland in der WM-Qualifikation.
Ein Punkt in 16 Jahren, was für eine niederschmetternde Bilanz. Und doch geht Mazza hoch erhobenen Hauptes und wehmütig gefeiert von einem dankbaren Publikum, dem dieser unscheinbare Mann immer wieder aufs Neue die Banalität von Fußball-Statistiken bewiesen hat.
Der ewige Verlierer Mazza zeigte, dass es um etwas anderes gehen kann als um nackte Zahlen. Nämlich um Haltung und Würde. Darum, die Widrigkeiten des Lebens mit Philosophie an sich abperlen zu lassen. Ohne Geschrei, ohne Gezeter, ohne Getue. Die eigene Unzulänglichkeit mit Nonchalance zu akzeptieren, das Unabänderliche mit größtmöglicher Eleganz hinzunehmen - darin war Mazza Dauer-Weltmeister.
Melancholisch wie die ersten Herbstnebel um den Titanenberg der ältesten Republik der Welt, trutzig wie ihre mittelalterlichen Palazzi: Mazza war nie ein charismatischer Motivator oder ein Guru der Taktik-Systeme. Er ist der Pragmatiker, der seinem Team immer wieder versichern musste, dass Dabeisein alles ist. Und dass man 90 Minuten auf dem Platz ausharren muss, egal, wie hart das sein kann. Wenn die anderen einem 13 Tore vor den Latz knallen, wie die Deutschen - das geschah 2006 und war San Marinos höchste Niederlage - muss man ruhig bleiben und dem Sieger ein Kompliment machen.
Darauf vertrauend, dass in diesem Fall der Gewinner die schlechtere Figur gemacht hat. 13 Tore gegen San Marino, das war der Triumph unersättlicher Schnäppchenjäger, die gnadenlos ihr großes Fressen beim kleinsten Nachbarn veranstalteten. Die Zwerge von der Adria nahmen es achselzuckend hin. Sie haben hinreichend bewiesen, wie stilvoll man verlieren kann. Und wie stillos allzu oft die anderen gewinnen. Um die Maus des Weltfußballs zu verschlingen, muss der Gegner keine größere Fähigkeiten besitzen als ein räudiger Straßenkater. Mit ihr zu spielen, das ist die Kunst.