Sadio Mané:"Wofür will ich zehn Ferraris und 20 Uhren mit Diamanten?"

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Sein Abschied aus Liverpool ist ein Fingerzeig in viele Richtungen: Sadio Mané. (Foto: Jon Super/AP)

Sadio Mané ist Afrikas Fußballer des Jahres, bei der Weltfußballerwahl dagegen wurde er übergangen. Dabei gilt er als der wichtigste Spieler beim FC Liverpool - und ist mehr als nur Fußballer.

Porträt von Javier Cáceres, Hurghada/München

Man erfährt nicht alles, aber viel über einen Menschen, wenn man etwas über die Tage seiner Kindheit erfährt. Und manchmal erfährt man auch etwas über einen Menschen, wenn man mitbekommt, wie präsent seine Kindheit auch im Erwachsenenalter noch ist. Oder, anders formuliert, wie wenig er sie vergessen hat, obwohl er sie in so vielfacher Hinsicht überwinden konnte.

Am Dienstagabend stand Sadio Mané, 27 und als Stürmer beim englischen Champions-League-Sieger FC Liverpool angestellt, in einem Hotel des ägyptischen Badeorts Hurghada, und erhielt bei einer pompösen Gala des afrikanischen Verbandes CAF die Trophäe überreicht, die ihn als den besten Fußballer Afrikas des Jahres 2019 akkreditierte. Mané musste aus dem Stegreif eine Rede halten, was ja, wie er selbst einräumte, nicht seine Sache ist und jeder Zuhörer unter anderem daran merkte, dass seine Gedanken schneller sprangen als sein Herz. Bis er doch bei einem Satz ankam, der ihm sehr wichtig war: "Ich komme aus einem sehr kleinen Dorf, Bambali, und ich bin sicher, dass sie mir dort alle im TV zuschauen ..."

Unter Klopp zu einem der besten Stürmer der Welt gereift

Bambali ist eine Ortschaft in der Casamance, und diese wiederum eine Landschaft im Südwesten Senegals, die am gleichnamigen Fluss liegt, und die im Norden an Gambia und im Süden an Guinea-Bissau grenzt. Die Casamance konnte im Grunde nur deshalb als nicht gottvergessen angesehen werden, weil sich ein paar Nichtregierungsorganisationen ihrer erbarmten. Sie halfen ein wenig die Armut zu lindern, die ein seit 1982 schwelender Bürgerkrieg verschlimmerte, den kaum jemand wahrnahm. Und der von Politikwissenschaftlern mit dem zynisch klingenden Etikett "low intensity war" versehen worden war. Notiz nahmen Medien in den Metropolen von den Kämpfen so gut wie nie, es sei denn, es starben mal vier französische Touristen wie in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Seit Beginn der Amtszeit von Senegals Präsident Macky Sall im Jahr 2012 - den Sadio Mané dann am Mittwoch im Regierungspalast in Dakar aufsuchte, um ihm die Trophäe zu zeigen - gilt der Konflikt als weitgehend entschärft. Und Bambali und die Casamance haben den vielleicht bestmöglichen Botschafter gefunden: Mané, der unter dem deutschen Trainer Jürgen Klopp zu einem der besten Stürmer der Welt gereift ist.

Unter Eingeweihten gilt Mané als der Stürmerstar Liverpools, mehr noch als Roberto Firmino und sogar als der Ägypter Mohammed Salah, auf dem alle Scheinwerfer ruhten und der 2017 und 2018 zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt wurde. "Ist Salah eigentlich Ihre Erfindung?", wurde Mané von einem Journalisten der Zeitung El País gefragt - unter Verweis auf all die Vorlagen, die Salah von Mané erhielt. "Er ist mein Freund", sagte Mané: "Ihm den Ball zu geben, ist doch normal!"

Zuletzt war die Anerkennung für Mané merklich gestiegen. Und dennoch, selbst jetzt ist da noch Luft nach oben. Im Grunde war die Auszeichnung zum afrikanischen Fußballer des Jahres, die Mané immens viel bedeutet, eine kleine Wiedergutmachung. Als die Zeitschrift France Football vor ein paar Wochen das Ergebnis der Wahl zum Ballon d'or bekannt gab, also zum "Goldenen Ball" für den Weltfußballer 2019, da war Mané nicht einmal auf dem Podium zu finden, sondern hinter Barcelonas Lionel Messi, Liverpools Verteidiger Virgil van Dijk und Cristiano Ronaldo von Juventus Turin auf dem vierten Platz. Nicht nur Manés senegalesischer Landsmann Cheikhou Kouyaté (Crystal Palace) rieb sich darob die Augen. "Wäre er Brasilianer oder Europäer, so hätte er den Ballon d'or gewonnen. Und das sage ich nicht, weil ich mit ihm in der Nationalelf spiele. Man muss sich nur anschauen, was er im letzten Jahr gemacht hat", sagte Kouyaté.

In der Tat: Mané schoss in 53 Spielen 32 Tore, teilte sich mit dem Liverpool-Kollegen Salah und dem früheren Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang (FC Arsenal) den Titel des Torschützenkönigs der Premier League (22 Treffer). Und er war in den Augen nicht weniger Experten der entscheidende Spieler des Teams, das mit Klopp erst die Champions League, dann den europäischen Supercup und schließlich den Weltpokal holte. Im Grunde blieb ihm - neben der englischen Meisterschaft, die Liverpool seit 1990 nicht mehr gewonnen hat, was aber wohl in diesem Jahr gelingen wird - nur der Afrika-Cup verwehrt. Am Ende einer brutal langen Saison verlor Mané mit Senegal das Finale der Kontinentalmeisterschaft gegen Algerien mit 0:1. Danach flog Mané in die Casamance. Aber nicht, um auszuspannen, sondern vor allem, um zusammen mit seinem deutschen Berater Björn Bezemer von der Agentur Arena11 nach dem Rechten zu schauen.

"Wofür will ich zehn Ferraris, zwanzig Uhren mit Diamanten und zwei Flugzeuge?"

Denn Mané hat sich längst in einen der wichtigsten Investoren in die Infrastruktur seines Geburtsortes verwandelt. Ganz im Geiste eines Interviews, in dem er nicht nur Antworten lieferte, sondern auch ein paar Fragen stellte, die viele Kollegen seiner Branche eher selten umtreiben: "Wofür will ich zehn Ferraris, 20 Uhren mit Diamanten und zwei Flugzeuge? Inwiefern würde das der Welt weiterhelfen?", fragte Mané bei TeleDakar. Und lieferte die Antwort selbst, indem er an seine Kindheit in der Casamance erinnerte: "Ich habe gehungert. Ich habe in den Feldern gearbeitet, ich habe barfuß gespielt, ich bin nicht in die Schule gegangen", sagte er. Nun sei er stolz, in der Lage zu sein, zu helfen.

Er macht es wirklich. Eine Schule ist bereits fertiggestellt, zwei Krankenhäuser und ein Stadion sind im Bau. Und es kommt noch mehr.

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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