Ruderer Oliver Zeidler:Der einzige Hingucker

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Ruderer Oliver Zeidler darf sich wieder Weltmeister nennen. (Foto: Darko Vojinovic/AP)

Andere Ruderboote schwächeln, doch Oliver Zeidler zeigt mit seinem dritten WM-Titel, dass er seine Schwächen abgelegt hat. Zuweilen spielt er mit seinen Gegnern.

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Sieht doch ganz einfach aus, ist immer dieselbe Bewegung: Oberkörper nach vorne, Ruderblätter eintauchen, durchziehen, Ruderblätter wieder rausstemmen, das Ganze zwei Kilometer lang, so 38 Mal pro Minute. Klingt ganz leicht, doch Kraft und gute Technik sind nicht genug, wie Oliver Zeidler erlebt hat, in jener Zeit, als er an der Schwelle zur Weltklasse stand. Oder, wie er selber sagt: "Flachwasser is' nicht immer."

Dennoch hat Zeidler schon Erfolge eingefahren, sogar Weltmeister war er bereits. Und heute ist der Münchner der weltbeste Einer-Ruderer, zu den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris fährt er als Topfavorit. Dabei ist das Rudern, das in Deutschland eine längere Tradition mit sich trägt, insgesamt kaum noch mit herausragenden Athleten besetzt. Der Achter, lange das sogenannte deutsche "Flaggschiff", hat sich bei der soeben abgeschlossenen Weltmeisterschaft in Belgrad gerade mal als Fünfter von sechs Booten für Paris qualifiziert; viele andere Bootsklassen des Deutschen Ruderverbandes fehlen. Ein Hingucker für deutsche Olympiasport-Anhänger ist im Rudern eigentlich nur einer: Zeidler.

Auf seiner Heimstrecke in München hatte er zuletzt ein Fiasko erlebt

Ein bisschen gleicht eine Ruderkarriere einem einzelnen Ruderrennen. Die Sirene ertönt, die Boote schieben an, eine ganze Weile passiert kaum etwas, es ist eine Art Lern- oder Eingewöhnungsphase, dann kapieren die Gegner, wen sie schlagen müssen - oder ob alle Mühe umsonst wäre. Zeidler, ein Hüne von 2,03 Metern, befindet sich, obwohl erst 27 Jahre alt, schon in der letzten, der Erfolgsphase. Wie es gerade aussieht, sammelt er Medaille um Medaille ein, zuletzt wurde er in Belgrad wieder Weltmeister, sein dritter WM-Titel.

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Aber er hat auch schwere Niederlagen erlebt, zuletzt vor gut einem Jahr: Es war nur eine Europameisterschaft, jedoch eine EM zu Hause, in München auf der Olympia-Regattastrecke Oberschleißheim. Zeidler, ein vermeintlich wenig emotionaler Mensch, der nicht plaudert, sondern klare Aussagen aneinanderreiht wie im Ruderrhythmus, stieß nicht auf Flachwasser, also eine glatte Oberfläche, auf der er mit seiner Kraft allen davonfahren könnte. Und auch die Variante "Schiebewind" hätte ihn nicht gestört, Wind von vorne ist mit etwas Gefühl beherrschbar. In seinem Fall aber wählten die Naturkräfte die andere Seite, sie kam als Rückenwind. Was wohl nur Ruderer einbremst, denn sie fahren ja mit dem Rücken voraus.

Wie es aussieht, wird er so schnell nicht wieder die Sportart wechseln

Zeidler erlebte auf seiner Hausstrecke ein Fiasko. Er wollte nach der Niederlage bei den Spielen in Tokio zu viel, hatte sich in München zu weit vorgelehnt, früh mächtig Druck gemacht, und in der Phase, in der die Muskeln brennen, in der das Wasser aufgewühlt wurde und schließlich noch Rückenwind blies, da brach er ein. Sein Vorsprung schrumpfte, bald kam der erste Verfolger heran, und einer nach dem anderen überholte ihn, bis er aus den Medaillenrängen fiel. Und weil kaum einer auf den Rängen wusste, dass er eine Corona-Infektion gerade mal hinter sich gebracht hatte, stand das Heimpublikum vor einem Rätsel. Über der Tribüne hing jedenfalls ein unübersehbar großes Fragezeichen.

Doch Zeidler hat auch die Eigenschaft, schnell zu lernen. Tatsächlich betreibt er das Skull-Rudern kürzer als die meisten seiner Gegner. Bis 2015 noch war er im Sport hauptsächlich leistungsmäßig geschwommen, brachte es dabei als Junior zu Titeln als deutscher Meister. Dann erst wechselte er ins Ruderboot, in dem schon sein Großvater (Olympiasieger 1972) und auch sein Vater gesessen hatten. Zeidler ist nun also, obwohl er erst acht Jahre wettkampfmäßig rudert, schon im Herbst seiner Ruderkarriere angekommen. Er hat in Windeseile seine Titel geholt, hat aus schweren Rückschlägen flugs gelernt und sich die psychologischen Tricks angeeignet. Wie es aussieht, wird er so schnell nicht wieder die Sportart wechseln, es macht ihm gerade offenbar Spaß. Seinen dänischen Topkontrahenten Sverri Nielsen hat er zuletzt beim Weltcup in Luzern, einer Art jährliche WM-Generalprobe, bis 1500 Meter herankommen lassen - und ist ihm dann davongefahren.

Solche Zeichen muss ein überragender Sportler wohl hin und wieder setzen. Beim WM-Sieg am Sonntag in Belgrad hat Zeidler jedenfalls niemand ernsthaft attackiert.

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