Fußball:Fifa suspendiert Rubiales - doch der will weiterkämpfen

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Luis Rubiales trägt Athenea del Castillo Beivide nach dem WM-Finale. (Foto: David Gray/AFP)

Der Weltverband sperrt den spanischen Verbandschef. Während der sich weiter uneinsichtig zeigt, tritt fast das gesamte Trainerteam der Weltmeisterinnen zurück. Zuvor kündigten schon die Spielerinnen einen Boykott an.

Sechs Tage nach dem Kuss-Skandal beim WM-Finale der Fußballerinnen hat der Weltverband Fifa weitere Konsequenzen gezogen und den spanischen Verbandschef Luis Rubiales suspendiert. Unterdessen eskaliert der Streit mit gegenseitigen Vorwürfen weiter und hat einen Aufstand der spanischen Fußballerinnen gegen Sexismus ausgelöst. Auch die spanische Regierung hat den Druck auf Rubiales erhöht und strebt eine rasche Ablösung des 46-Jährigen an.

Die Fifa suspendierte Rubiales für alle fußballbezogenen Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene. Die Sperre gilt vorläufig für 90 Tage, abhängig vom Disziplinarverfahren, das die Fifa am Donnerstag eingeleitet hatte. Gleichzeitig ordnete der Weltverband an, dass Rubiales weder persönlich noch durch eine dritte Person Kontakt zu Nationalspielerin Jennifer Hermoso oder ihrem direkten Umfeld aufnehmen darf. Gleiches gelte auch für den Verband RFEF und dessen Funktionäre sowie Mitarbeiter.

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Die RFEF reagierte wenige Stunden später auf die Suspendierung von Rubiales. Der Präsident vertraue den Fifa-Instanzen "voll und ganz" und erhalte durch das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren die Möglichkeit, "seine Verteidigung zu beginnen, damit die Wahrheit siegt und seine völlige Unschuld bewiesen wird", hieß es in einem Statement.

Kurz danach erklärte fast das gesamte Trainerteam der spanischen Weltmeisterinnen aus Solidarität mit der Spielerin Jennifer Hermoso seinen Rücktritt. Cheftrainer Jorde Vilda, der bisher fest zum umstrittenen Verbandschef Luis Rubiales steht, verlor damit sein gesamtes Team, wie die spanische Zeitung Mundo Deportivo und andere Medien am Samstag berichteten.

Juniorentrainer distanzieren sich vom RFEF-Boss

Auch Trainer und Trainerinnen von Jugendmannschaften hätten sich dem Schritt angeschlossen, darunter die für die Mannschaften der U19 und U17 zuständigen Coaches, Sonia Bermúdez und Kenio Gonzalo. In einer Erklärung, die den Zeitungen vorlag, kritisierten die Unterzeichnenden das Verhalten von Rubiales und dessen aggressive Rede vom Vortag. So seien vor allem weibliche Funktionäre gezwungen worden, bei der außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung des Verbandes in der ersten Reihe zu sitzen, um so den falschen Eindruck zu erwecken, sie stünden zum Fußballboss.

Deutsche Nationalspielerinnen solidarisieren sich mit Hermoso

Auch die deutschen Fußball-Nationalspielerinnen um Kapitänin Alexandra Popp solidarisierten sich am Samstag mit Hermoso und haben den spanischen Verbandschef Luis Rubiales scharf kritisiert. "Solch ein Verhalten ist nicht akzeptabel und noch weit untragbarer ist, es auch noch herunter zu spielen und die Spielerin unter Druck zu setzen. Niemand, absolut niemand sollte dies als Kleinigkeit abtun", heißt es einem unter anderem auf Popps Instagram-Account veröffentlichten offenen Brief, der mit "Mannschaftsrat der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen" unterschrieben ist.

"Es war nicht nur der erzwungene Kuss an Jenni Hermoso, sondern auch das Fassen in den Unterleib oder das Tragen von Athenea del Castillo. Sollte ein Funktionär und Repräsentant so etwas tun? NEIN!", heißt es in dem Schreiben weiter: "Nun müssen wir eigentlich dankbar sein, dass im Überschwang des WM-Finals jemand in Verantwortung wie der spanische Verbandspräsident sein vermeintlich wahres Gesicht gezeigt hat."

Das Problem sei nicht nur auf den spanischen Fußball beschränkt. "Es ist traurig, wenn auch in der deutschen Fußball-Welt anscheinend noch nicht alle aufgeklärt genug sind, das einschätzten zu können." Bayern Münchens Aufsichtsratsmitglied Karl-Heinz Rummenigge meinte dagegen: "Wenn man Weltmeister wird, ist man emotional. Und was er da gemacht hat, ist - sorry, mit Verlaub - absolut okay."

Spanische Regierung will Rubiales absetzen

Geht es nach der spanischen Regierung, sollte Rubiales so schnell wie möglich seinen Posten räumen. Sportminister Miquel Iceta versprach, die Regierung werde sich um eine rasche Entfernung von Rubiales aus dem Amt bemühen. "Soweit es von uns abhängt, sind es die letzten Stunden von Rubiales", sagte er der Zeitung El País. Die oberste spanische Sportbehörde CSD beantragte nach eigenen Angaben beim nationalen Sportgerichtshof (Tad) die Suspendierung von Rubiales. "Herr Rubiales hat in seiner Reaktion enttäuscht, er hat nicht getan, was er hätte tun sollen", sagte CSD-Chef Víctor Francos mit Bezug auf die Rede des höchsten Funktionärs des spanischen Fußballs. In dieser Rede hatte er am Freitag einen Rücktritt abgelehnt.

Rubiales hatte Hermoso nach dem 1:0-Sieg im WM-Finale gegen England am vergangenen Sonntag in Sydney bei der Siegerehrung mit beiden Händen am Kopf an sich gezogen und auf den Mund geküsst. Der Verbandsboss hatte danach von einem Fehler gesprochen, mehr aber auch nicht. Stattdessen hatte er bei der Generalversammlung am Freitag in seiner Rede von einem "falschen Feminismus als großer Geißel des Landes" gesprochen und sich als Opfer dargestellt, das "öffentlich hingerichtet" werden solle. Der spanische Verband bezichtigte Hermoso in der Nacht zu Samstag der Lüge und drohte ihr rechtliche Schritte an. Ihre Darstellung, der Kuss auf ihren Mund bei der Siegerehrung in Sydney sei nicht in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, sei falsch.

Um das zu untermauern, veröffentlichte der Verband vier Fotos, die Rubiales entlasten sollen. Detailliert wird die jeweilige Körperhaltung von Rubiales und Hermoso beschrieben. Die Bilder seien der Beweis, dass Rubiales nicht gelogen habe. Auf ihnen ist zu sehen, wie Rubiales von Hermoso gehalten wird, auf zwei davon sind seine Beine in der Luft. Ob die Stürmerin ihn hochgehoben hat oder er von sich aus hochgesprungen ist, lässt sich anhand der kurzen Bilderserie jedoch nicht belegen.

"Ich habe mich verletzlich und als Opfer gefühlt", schreibt Hermoso

Hermoso hatte auf den verweigerten Rücktritt von Rubiales mit einer ausführlichen Stellungnahme reagiert: "Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert", schrieb die 33-Jährige in einer auf den sozialen Netzwerken verbreiteten Erklärung.

Kurz zuvor hatten alle Spielerinnen des spanischen Nationalteam verkündet, sie würden so lange nicht mehr antreten, wie Rubiales noch im Amt sei. "Es macht uns sehr traurig, dass ein derart inakzeptables Verhalten den größten sportlichen Erfolg des spanischen Frauenfußballs überlagert", stand in der auf X, vormals Twitter, veröffentlichten Erklärung der Gewerkschaft Futpro, die von 81 Spielerinnen unterzeichnet war. "Nach allem, was bei der Frauen-Weltmeisterschaft passiert ist, wollen wir klarstellen, dass alle unterzeichnenden Spielerinnen nicht in der Nationalelf antreten werden, wenn die aktuelle Führungsriege im Amt bleibt."

Der Verband entgegnete, wer zum Kader gehöre, müsse auch antreten. Die Zeitung El País kommentierte am Samstag, das spanische #Metoo habe sich zu einem "Schluss jetzt" kristallisiert. Politiker, Medien und Sportler unterstützten die Frauen in einem Land, das bei dem Schutz von Frauen vor Gewalt durch Männer inzwischen eine Vorreiterrolle einnimmt.

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"Kuss-Eklat"
:Spaniens Fußballverband droht Jenni Hermoso

Die Spielerin habe gelogen und müsse mit einer Klage rechnen. Sie sei mit dem Kuss von Präsident Luis Rubiales einverstanden gewesen, erklärt der Verband. Hermoso bestreitet dies vehement.

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