Rosberg und Hamilton bei Mercedes:Nächste Eskalationsstufe erreicht

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Führen die WM-Wertung überlegen an: Nico Rosberg (re.) und Lewis Hamilton (Foto: Getty Images)

Schluss mit dem Respekts-Getue: Vor dem Formel-1-Rennen in Monaco verschärfen die in der WM-Wertung führenden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg ihr Duell. Ihre Teamchefs wittern Unheil.

Von René Hofmann, Monte Carlo

Das muss einer erstmal bringen. Als knapper WM-Führender. Beim wichtigsten Rennen der Formel-1-Saison. Dem Klassiker in Monaco, der auf dem winkeligen Stadtkurs ausgetragen wird, auf dem nie getestet wird und auf dem jeder Übungskilometer deshalb besonders wichtig ist.

Als die Mercedes-Mannschaft sich am Donnerstag um neun Uhr, eine Stunde vor dem ersten Training, versammelte, fehlte einer - vielleicht der Wichtigste: Lewis Hamilton. Der Brite hatte verschlafen. Erst kurz, bevor die Ampel am Ende der Boxengasse auf Grün sprang, kam er. Hamilton quetschte sich eilig in sein Gefährt. 90 Minuten später führte er die Zeitenliste trotzdem an. Erneut war er drei Hundertstelsekunden schneller als sein Teamkollege Nico Rosberg.

Hamilton gegen Rosberg. WM-Erster gegen WM-Zweiter. 100 Punkte gegen 97 Punkte. Mercedes-Mann gegen Mercedes-Mann: Auf dieses Duell läuft es auch beim sechsten Saisonrennen hinaus. Es wäre das fünfte Gegeneinander dieser Art in Serie. Die letzten vier Mal hatte Hamilton das bessere Ende für sich. Je nach Intention lässt sich dessen Verschlaf-Anekdote vor der Stadtrundfahrt an der Côte d'Azur ganz unterschiedlich interpretieren: Entweder als Gegenbeispiel für die zuletzt weitverbreitete These, der 29-Jährige arbeite momentan so gewissenhaft wie schon lange nicht mehr. Oder als Beleg für Hamiltons derzeit gewaltiges Selbstvertrauen, das ihm eine fast erschreckende Abgebrühtheit verleiht.

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Die größten Zeichen setzen Rennfahrer mit ihren Autos. Und jedes Zeichen, das Hamilton mit den Pirelli-Reifen an seinem Formel-1-Mercedes derzeit irgendwo auf Asphalt malt, sagt: Hier komme ich! Dieses Jahr will ich meinen zweiten WM-Titel! Ich will zeigen, dass der erste mit McLaren 2008 kein Zufall war! Ich bin nicht nur ein Glühwürmchen, das aufleuchtet, wenn der warme Wind günstig weht! Ich brenne wirklich und dauerhaft!

Der Einzige, der ihm dabei im Weg steht, ist Rosberg, für den im Prinzip das Gleiche gilt: Der Sohn von Keke Rosberg ist inzwischen 28 und hat auch schon mehr als 150 Formel-1-Rennen hinter sich. Zum ersten Mal sitzt er in einem Auto, mit dem er Weltmeister werden kann. Es ist seine große Chance zu zeigen, wie gut er wirklich ist. Sein Vater wurde einmal Weltmeister: 1982, mit bloß einem Sieg. Aber egal. Champion ist Champion. Und bei Nico Rosberg stellt sich länger schon die Frage: Ist er ein Champion?

Sie wollten Freunde bleiben

Hamilton und er kennen sich lange. Und sie kennen sich gut. Sie haben sich schon mit Go-Karts duelliert. Damals gewann Hamilton. Lange versuchten sie, die Kumpels-Fassade aufrecht zu erhalten. Erst hieß es, sie wollten trotz aller Rivalität Freunde bleiben. Wenn er nicht gewinnen könne, freue ihn ein Sieg des Teamkollegen am meisten, sagte Rosberg vor dem Saisonstart im März in Melbourne.

Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Nach Platz zwei in Barcelona sieht Rosberg das nun so: "Wenn der Teamkollege gewinnt, dann ist das nix." Interview mit der FAZ, mit der dpa, der Stuttgarter Zeitung, Kolumnen für Spiegel online, Pizza backen mit Sky, Ausflug zum Motorrad-Grand-Prix in Le Mans und zur DTM: Rosberg nutzt gerade jede erdenkliche Bühne, um sein Profil zu schärfen.

Das Wort "Freundschaft" kommt ihm inzwischen nicht mehr über die Lippen, wenn die Sprache auf Hamilton kommt, stattdessen ist nur noch von "Respekt" die Rede. Und auch damit könnte es bald vorbei sein. Vor dem Monaco-Auftritt hat Hamilton die Tonart gewechselt. Englischen Journalisten sagte er: Seine Siege gegen Rosberg zuletzt hätten deutlicher ausfallen müssen, "ich weiß ja, was ich kann".

Und auf formula1.com, immerhin so etwas wie die offizielle Internetseite der Rennserie, findet sich ein Zitat, mit dem er weit in einen bisher rot markierten Bereich vorstößt: "Ich komme aus keiner besonders tollen Gegend bei London und habe auf einer Couch im Appartement meines Vaters gewohnt", wird Hamilton dort zitiert, "Nico ist in Monaco mit Privatflugzeugen, Hotels und Yachten aufgewachsen - der Hunger ist ein anderer." Und weiter: "Wer den Titel gewinnen will, der muss der Hungrigste sein."

Rosberg darf das ruhig als Signal verstehen, dass die nächste Eskalationsstufe erreicht ist. Schluss mit dem Respekts-Getue! Von nun an kann das Gegeneinander auch schmutzig werden. Jemandem seine Herkunft vorzuhalten, ist so ziemlich die tiefste Schublade, die sich ziehen lässt, weil es das einzige ist, für das nun wirklich niemand etwas kann. Und: Hamilton, der in Stevenage zur Welt kam, hat inzwischen selbst ein Appartement in Monaco, gar nicht weit von Rosbergs entfernt.

Noch gab es keine gefährliche Situation - noch

Dass die beiden sich auch auf der Rennstrecke noch näher kommen werden, als dies zuletzt bereits einige Male geschah, liegt in der Luft. "Noch gab es keine gefährliche Situation zwischen den beiden", sagt Mercedes-Sportchef Toto Wolff. "Noch" seien die beiden nicht kollidiert, betont auch Team-Ober-Aufsichtsrat Niki Lauda. Die beiden Stern-Lenker aus Österreicher rechnen offenbar damit, dass es bald geschehen wird.

Vielleicht schon in Monaco. Dort geht es besonders eng zu. Dort glückte Rosberg im vergangenen Jahr ein dominanter Triumph mit Bestzeiten in jeder Trainingssitzung. Und dort hat er sich für dieses Wochenende fest vorgenommen, Hamiltons Lauf zu stoppen. Mit einem Sieg könnte er die WM-Führung wieder übernehmen. "Das Steuer herumreißen": So nennt Rosberg sein Vorhaben selbst. Das klingt zumindest schon mal nach einer ungestümen Aktion.

Obwohl sie das Unheil wittern, wollen die Chefs das freie Spiel der Kräfte nicht beschneiden. "Es wäre eine Katastrophe, wenn wir eine Teamorder aussprechen würden", hat Konzernchef Dieter Zetsche verfügt. Statt auf starre Spielregeln setzen Lauda und Wolff eher auf so etwas wie eine ständige Gesprächstherapie. Zum Start in das Monaco-Wochenende luden sie die WM-Rivalen zu einem gemeinsamen Abendessen auf eine Yacht. Es soll ein entspannter Abend gewesen sein. Hamilton hat am nächsten Morgen dann ja auch gleich verschlafen.

© SZ vom 24.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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