Red Bull beim Formel-1-Auftakt:Zu viel geschluckt

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Zuerst gejubelt, gegen Mitternacht disqualifiziert: Daniel Ricciardo, neuer Teamkollege von Sebastian Vettel. (Foto: Getty Images)

Fragen um mFFMIllegal und fdmFFMFuelFilter: Sebastian Vettels neuer Teamkollege Daniel Ricciardo fährt beim Saisonauftakt in Melbourne auf Platz zwei, wird aber wegen zu hohen Benzinverbrauchs disqualifiziert. Der Fall zeigt, wie wenig selbst Experten die neuen Geräte in der Formel 1 verstehen.

Von René Hofmann

Am Samstag um 16.53 Uhr verschickte Jo Bauer, der Technische Delegierte des Automobilweltverbandes FIA, eine Nachricht an alle Formel-1-Teams. Sie betraf die maximale Benzinmenge, die pro Minute in die Brennkammern der neuen Sechszylinder-Motoren gespritzt werden darf: "mFFMIllegal". Diese darf 100 Kilogramm pro Stunde nicht überschreiten.

Dieser Wert, so Bauer, werde im Benzinfilter mit dem Parameter "fdmFFMFuelFilter" fortan mit der Frequenz von 5Hz statt 10Hz gemessen. Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, wie kompliziert die Formel 1 mit den neuen Hybrid-Motoren und der Vorgabe, ökologischer zu werden, geworden ist: Hier war er.

Gut 26 Stunden später entsponnen sich um mFFMIllegal und fdmFFMFuelFilter Fragen, die den Ausgang des ersten Saisonrennens umwarfen. Im Auto mit der Startnummer 3, das Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo auf den zweiten Platz gesteuert hatte, war konstant mehr Benzin durch den Filter geflossen als erlaubt. Das fanden die Technischen Spezialisten der FIA heraus. Welche Konsequenzen das haben sollte, musste die Rennkommissare entscheiden. Diese ließen sich mit ihrem Urteil Zeit. Erst gegen Mitternacht (Ortszeit) war klar: Ricciardo wird disqualifiziert.

Der Fall zeigte zweierlei: Wie enervierend die Formel-1-Rechtsprechung sein kann. Und wie wenig selbst die Experten all die neuen Geräte durchschauen, die seit diesem Jahr spazierengefahren werden. Die Technik hat die etablierte Hackordnung durcheinandergewirbelt. Sie könnte aber auch dafür sorgen, dass der Wirbel munter weitergeht. Mercedes-Sportchef Toto Wolff mahnte nach Nico Rosbergs überlegenem Sieg in Melbourne: "Normalerweise werden die Autos im Laufe einer Saison etwa zwei Sekunden schneller. Mit der neuen Technik könnte diese Entwicklungskurve wesentlich steiler sein. Die Geschwindigkeit der Red Bulls an diesem Wochenende sollte für alle ein Weckruf sein."

Die Titelverteidiger hatten bei den Testfahrten nie mehr als 22 Runden am Stück absolviert. In Melbourne kam Ricciardo nicht nur an. Am Samstag war der Red-Bull-Neuling auf nasser Piste fast schnell genug für die Pole Position gewesen. Daraus konnte selbst Sebastian Vettel Positives ziehen. "Erleichterung, dass die Kiste geht" - auch das war, trotz aller Enttäuschungen, sein Fazit.

Obwohl es kurios klingt: Gerade die Fehler, die auftraten, können den viermaligen Weltmeister hoffen lassen, dass er schnell wieder in die Erfolgsspur zurückkehren könnte. Im zweiten Training, als Vettel 41 Runden drehen konnte, kam er den dominierenden Mercedes bis auf knapp acht Zehntelsekunden nahe. Das ganze Wochenende war ein Beispiel, wie schnell es vorwärts oder rückwärts gehen kann, weil die Antriebseinheiten nicht mehr nur aus Verbrennungsmotoren bestehen, sondern die elektrischen Zusatzsysteme extrem viele Einstellungsmöglichkeiten bieten, mit denen die Teams nun erst einmal munter experimentieren.

Im dritten Training hatten die Benzinmengen-Messgeräte in einigen Autos Alarm geschlagen. Auch in Vettels Wagen wurden Spitzen gemessen, die über den erlaubten 100 Litern pro Stunde lagen. Die FIA-Inspektoren wiesen daraufhin die Motorenhersteller an, die Software umzuprogrammieren. Dies ließ Vettels Renault-getriebenen Boliden in der Qualifikation stottern. Auch im Rennen lief der RB10, den Vettel "Suzie" getauft hat, nicht.

Bereits in der Einführungsrunde richtete Vettel per Funk eine nicht ganz ernst gemeinte Frage an den Kommandostand: "Ist es normal, dass ich keine Power habe?" Nachdem er am Start von seinem ohnehin schon schlechten Ausgangspunkt auf Position zwölf noch weiter zurückgefallen war, folgte ein zweiter Hilferuf: "Der Motor läuft nicht rund. Ich werde überholt werden. Nur damit ihr's wisst." Kurz darauf bog Vettel zur Box und stellte sein Gefährt ab. Seine Diagnose: "Das Problem von gestern konnten wir beheben. Aus unerklärlichen Gründen habe ich viel Leistung verloren. Das ganze System hängt zusammen. Wenn eine Komponente nicht funktioniert, dann läuft der Motor nicht rund. Wir haben versucht, das Auto noch mal zum Leben zu erwecken. Aber es ging nicht."

Helmut Marko, der einflussreiche Motorsport-Einflüsterer von Red-Bull-Eigner Dietrich Mateschitz, der sich zuletzt noch fatalistisch gezeigt hatte, gab sich kämpferisch. "Wir wissen, was noch im Auto und im Motor steckt", so Vettels Mentor: "Wir wissen über die Probleme jetzt viel besser Bescheid. Mit Renault ist ein Aktionsplan erstellt worden. Damit hoffen wir, alles auszumerzen und näher an Mercedes heranzukommen." Bei den Branchenführern nehmen sie diese Ansage ernst, gerade weil ein paar Mausklicks schnell einen großen Unterschied bringen können. "Das sind ja keine Motoren mehr, für die man erst viele neue Teile produzieren muss", weiß Mercedes-Sportchef Toto Wolff.

© SZ vom 17.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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