Leipzig gegen Manchester United:Die Fallhöhe ist beträchtlich

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Torgarant des englischen Rekordmeisters: Marcus Rashford traf für ManUnited auch beim 5:0 im Hinspiel gegen RB Leipzig. (Foto: Phil Noble/Reuters)

Abwarten, reagieren, gewinnen: Besonders auswärts funktioniert der auf Konter ausgerichtete Spielstil von ManUnited. Bei RB steht das Weiterkommen in der Champions League auf dem Spiel.

Von Sven Haist, London

Wieder Schlips und Kragen - oder diesmal nur Pullover? Julian Nagelsmann hat darauf verzichtet, seine Abendgarderobe preiszugeben, die er für das entscheidende Champions-League-Spiel zwischen RB Leipzig und Manchester United (Dienstag, 21 Uhr) um den Einzug ins Achtelfinale auswählen wird.

Beim ersten Duell der beiden Klubs gab Nagelsmann vorab bekannt, dass er sich für den Premierenauftritt im Old Trafford mit einem edlen Sakko britischer Couleur einkleiden werde. Mit seinem auffälligen Erscheinungsbild und der ähnlich gewagten Spielweise seiner RB-Elf beim 0:5 tat sich Nagelsmann allerdings weniger selbst einen Gefallen als seinem norwegischen Trainerkontrahenten Ole Gunnar Solskjaer.

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In fast zwei Amtsjahren bei United hat sich Solskjaer den Ruf erworben, angriffslustige Gegner gerne und gut ins Leere laufen zu lassen. Als Vorzeigewerk dafür steht jenes Heimspiel gegen Leipzig vor sechs Wochen, als sein Team die von Nagelsmann so geschätzten offensiven Halbräume geschickt verstellte und sich aus einer soliden Defensive heraus zum Kantersieg konterte. Die Nachwirkungen des Resultats sind immer noch erkennbar: Mit diesem 5:0 im Rücken kann Manchester in Leipzig so auftreten, wie es Solskjaer momentan am liebsten ist: abwarten und reagieren.

In der kniffligen Gruppe H liegen vor dem Abschluss-Spieltag United, Paris Saint-Germain und Leipzig gleichauf, mit je neun Punkten. Aufgrund des Hinspielsiegs reicht Manchester in Leipzig ein Unentschieden, um weiterzukommen. Unter Bedrängnis steht RB, das gewinnen muss fürs Achtelfinale - es sei denn, PSG verliert zu Hause überraschend gegen den Gruppenletzten Basaksehir.

In jedem direkten Vergleich mit United oder PSG hätte Leipzig das Nachsehen, bei Punktgleichheit aller drei Rivalen kämen Manchester und Paris weiter. Die Fallhöhe eines Ausscheidens wäre indes für jeden Klub beträchtlich. In der Vorsaison stand Leipzig im Halbfinale, Paris im Finale, und Manchester misst sich selbst - als einer der erfolgreichsten und finanzstärksten Klubs der Welt - ohnehin nur an Titeln. Der Stellenwert der Champions League ist bei United trotz sieben Jahren ohne Meisterschaft immens.

Bruno Fernandes und Rashford sind die zwei Unverzichtbaren

Den Stresstest zur Vorbereitung auf Leipzig meisterte United am Samstag beim 3:1 in West Ham. Durch den neunten Auswärtssieg in Serie in der Premier League - sieben davon mit mindestens drei eigenen Toren und die vergangenen fünf immer nach Rückstand - hat sich der Rekordmeister ins vordere Tabellendrittel gearbeitet. Seit dem 0:2 in Liverpool im Januar hat United kein Liga-Auswärtsspiel mehr verloren. Das lässt das 1:2 bei Basaksehir noch unnötiger erscheinen, wodurch United leichtfertig eine bessere Ausgangslage einbüßte.

Gegen West Ham versuchte Solskjaer zunächst auf die viel beanspruchten Spitzenkräfte Bruno Fernandes und Marcus Rashford zu verzichten - um nach einer schwachen Halbzeit festzustellen, dass es doch nicht ohne sie geht. Prompt hatten beide bei der Entstehung der Tore ihre Füße im Spiel.

Fernandes gelangen seit seiner Ankunft auf der Insel unglaubliche 36 Torbeteiligungen in 38 Partien; der an Schulterproblemen laborierende Rashford ist mit seiner Explosivität der ideale Abnehmer für die Präzisionspässe des portugiesischen Spielmachers. United ist fast süchtig nach dem Mitwirken dieser beiden.

Wer Uniteds Spielstil positiv sehen will, verweist auf wunderbare Schnellangriffe. Kritiker bemängeln hingegen die anfällige Abwehr um Kapitän Harry Maguire - und die Ideenlosigkeit, wenn sich mal keine Gelegenheit zum Kontern bietet. Die wechselhaften Resultate, speziell in Heimspielen, führt das Sportportal The Athletic auf das "blinde Vertrauen in die Fähigkeiten einzelner Spieler" zurück. Statt einer übergeordneten Spielanlage scheint Manchester den Individualismus zu betonen.

Umso wichtiger, dass Paul Pogba möglichst bald seine Form findet, nachdem ihn das Corona-Virus zu Saisonbeginn zurückgeworfen hatte. Die Einsätze der angeschlagenen Angreifer Martial und Cavani sowie von Torhüter de Gea sind gegen Leipzig fraglich.

Sofern das unangenehme Spiel in Sachsen schiefgehen sollte, läge das sicher nicht an mangelnden Investitionen. In einer Fragerunde mit Fanvertretern hat Geschäftsführer Ed Woodward zuletzt betont, kein anderer Verein habe seit Sommer 2019 so viel Geld auf dem Transfermarkt gelassen wie United. Wobei der Klub seine Verpflichtungen kostengünstiger hätte haben können. Wie mittlerweile fast zur Routine geworden, hat Manchester auch in dieser Saison auf den letzten Drücker einige Spieler verpflichtet, darunter Linksverteidiger Alex Telles (FC Porto) und den ablösefreien Cavani (zuvor PSG).

Grund soll dafür die Fehlkalkulation gewesen sein, bis zum Ende geglaubt zu haben, Flügelstürmer Jadon Sancho aus Dortmund abwerben zu können. Ähnlich hartnäckig hält sich das Gerücht, dass United vor fünf Jahren die Verpflichtung des damals 16-jährigen Dayot Upamecano vermasselte. In Leipzig hat sich Upamecano nun zu einem international vorzeigbaren Innenverteidiger entwickelt - der dem Vernehmen nach jetzt wieder das Interesse aus Manchester anziehen soll. Im direkten Duell fehlt er gelb-gesperrt.

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