Rassismus in der 3. Liga:Zwischenruf mit Nachhall

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Aaron Opoku, Mitte, informiert Schiedsrichter Nicolas Winter darüber, dass er soeben rassistisch geschmäht worden sei. Winter bricht das Spiel daraufhin ab. (Foto: Maik Hölter/Team 2/Imago)

Nach dem ersten Spielabbruch im deutschen Profifußball wegen Rassismus ist die Solidarität mit dem betroffenen Spieler Aaron Opoku groß. Duisburg und Osnabrück plädieren für ein Wiederholungsspiel, die Polizei ermittelt gegen einen 55-Jährigen.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg/München

Während sich die Fußballer vom MSV Duisburg am Sonntag im Stadion mit einem gemeinsamen Weihnachtsessen in den kurzen Winterurlaub verabschiedeten, empfingen die Spieler vom VfL Osnabrück kurz vor der zweistündigen Heimfahrt am Bus noch aufmunternde und unterstützende Worte von ihren mitgereisten Fans. Nur 35 Minuten hatte für beide Klubs ihre letzte Drittligapartie des Jahres 2021 gedauert. Dann wurde das Spiel nach einer fremdenfeindlichen Beleidigung von der Tribüne beim Stand von 0:0 abgebrochen.

Zum ersten Mal im deutschen Profifußball war ein rassistischer Zwischenruf Auslöser für einen Spielabbruch. Osnabrücks schwarzer Flügelstürmer Aaron Opoku, 22, für diese Saison ausgeliehen vom Hamburger SV, war unmittelbar vor der Ausführung eines Eckballs von einem Zuschauer auf der Tribüne mit dem Satz beleidigt worden: "Du Affe kannst eh keine Ecken schießen." Daraufhin unterbrach Schiedsrichter Nicolas Winter das Spiel, bevor Osnabrück nach interner Besprechung mitteilte, nicht weiterspielen zu wollen. "Da war die Mannschaft mit Aaron komplett solidarisch", erklärte VfL-Geschäftsführer Michael Welling, "auch wenn wir in dem Moment nicht gerade statutensicher waren."

Jetzt entscheidet das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), für wen das Spiel gewertet oder ob es wiederholt wird. Entweder wird es für Osnabrück gewertet, weil sich die Beleidigung im Duisburger Stadion, vermutlich von einem MSV-Anhänger geäußert, ereignet hat, oder es wird für Duisburg gewertet, weil es die Osnabrücker waren, die beschlossen haben, nicht mehr weiterzuspielen. Beiden Klubs am liebsten wäre allerdings eine Wiederholung. Welling sagt: "Der MSV Duisburg darf nicht bestraft werden für einzelne Vollidioten. Gemeinsam mit den Kollegen vom MSV finden wir, dass ein Wiederholungsspiel die richtige Entscheidung wäre." Man würde aber sogar eine Niederlage vor dem Sportgericht akzeptieren.

Der Zwischenrufer erklärt bei der Polizei, er habe einen anderen Spieler gemeint

Der unmittelbar von Zeugen identifizierte tatverdächtige Zuschauer, ein 55 Jahre alter, polizeilich unbekannter Mann, war von sogenannten szenekundigen Beamten noch auf der Tribüne angesprochen worden und reagierte offenbar erstaunt. Er erklärte sich bereit, auf die Stadionwache mitzukommen, um vernommen zu werden. Dort bestätigte er Zeugenaussagen, wonach er vor der Ausführung eines Eckballs auf das Spielfeld die erwähnte Beleidigung hinuntergerufen habe. Gegenüber den Beamten behauptete der Mann allerdings, mit seiner Beleidigung den ebenfalls in der Nähe stehenden Osnabrücker Spieler mit der Rückennummer 3, Felix Kleinhansl, gemeint zu haben, weil er davon ausgegangen sei, dass dieser den Eckball schießen werde. Nach der polizeilichen Vernehmung durfte der Mann wieder gehen.

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Die Ermittlungen der Duisburger Polizei dauern an. Es werden weitere Zeugen gehört und überdies Videos gesichtet, die darauf überprüft werden, ob auf der Tribüne vor dem Eckball auch noch Affenlaute imitiert wurden, um Opoku zu brüskieren. Dazu gibt es bislang offenbar keine gesicherten Erkenntnisse. Der Schiedsrichter Winter hatte dies in einem Interview mit dem übertragenden Sender Magentasport gesagt: Der Spieler selbst und auch der Schiedsrichterassistent hätten "Affenlaute von der Tribüne" gehört.

Vor diesem Hintergrund hat die Duisburger Polizei gegen den Mann nun Anzeige "wegen Beleidigung" erstattet. Der Staatsschutz der Duisburger Polizei wurde allerdings auch bereits informiert. Er greift ein, sobald die Ermittlungen ergeben, dass die Beleidigung durch den 55-Jährigen rassistisch gemeint war. Der polizeiliche Staatsschutz bekämpft politisch motivierte Kriminalität.

Fans beider Teams rufen nach der Spielunterbrechung gemeinsam: "Nazis raus!"

Unmittelbar nach der Unterbrechung des Spiels hatten die Fans beider Mannschaften begonnen, im Gleichklang "Nazis raus!" zu rufen. Auf der Anzeigetafel erschien der Slogan einer Toleranzkampagne des MSV Duisburg ("Gepflegt eskalieren statt diskriminieren!") und über die Lautsprecher spielte die Stadionregie das Anti-Faschismus-Lied "Schrei nach Liebe" der Berliner Band Die Ärzte, in dem es unter anderem heißt: "Weil du Angst vorm Schmusen hast, bist du ein Faschist."

Die Reaktion der umsitzenden Zeugen, der Fans und der Stadionregie lösten in ganz Deutschland positive Resonanz aus. Auch der Spielabbruch durch den Schiedsrichter Winter, 29, aus Freckenfeld in Rheinland-Pfalz fand breite Zustimmung. Die sportrechtliche Grundlage für den Abbruch ist der sogenannte Drei-Stufen-Plan zum expliziten Schutz der Spielerinnen und Spielern vor Diskriminierungen.

Der DFB-Integrationsbotschafter Jimmy Hartwig fand den Spielabbruch "hervorragend". Die Staatsministerin für Integration der neuen Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), bewertete den Abbruch als "konsequent richtig". Das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium nannte die Reaktion der Fans beider Klubs "vorbildhaft". Die Vereine der Dritten Liga posteten im Kollektiv: "Aaron, wir stehen hinter dir!"

Am Montag berichtete VfL-Geschäftsführer Welling, es gehe Opoku "den Umständen entsprechend gut". Die Beleidigung habe ihn zwar "sehr, sehr getroffen", allerdings habe er auch die große Anteilnahme von allen Seiten wahrgenommen. VfL-Sportdirektor Amir Shapourzadeh sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Ich fand überragend von beiden Fan-Lagern, was sie gerufen und wie sie sich solidarisiert haben."

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