Politik und Fußball:Ronaldo und Messi, bitte hinhören!

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US-Weltmeisterin Megan Rapinoe nutzt ihre Popularität, um den politischen Diskurs mitzubestimmen. An ihrem Engagement sollten sich mehr Fußballer und Fußballerinnen ein Beispiel nehmen.

Kommentar von Tim Brack

Die Frage, ob der Fußball auch politisch ist, beschäftigt diese große Sportart immer wieder. Als Argument dafür wird gerne angeführt, dass der Fußball regelmäßig von Machthabern als Werkzeug zur Imagepflege benutzt wird. Aber ist er allein deswegen politisch? Politisch ist er wohl vor allem wegen seiner großen gesellschaftlichen Bedeutung. Er ist wichtig genug, dass die besten Fußballerinnen und Fußballer aufgrund ihrer Prominenz eine erhöhte Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit tragen. Ihnen lauschen Fans unvoreingenommener als Politikern, sie sind vielen ein Vorbild, sie können den politischen Diskurs mitbestimmen.

Die US-Spielerin Megan Rapinoe, 34, ist sich dieser Verpflichtung bewusst, sie erfüllt sie wie nur wenige in diesem Sport. Bei jeder Gelegenheit nutzt die beste WM-Spielerin das politische Potenzial des Fußballs, weil sie die Gesellschaft auf dem falschen Weg sieht. Sie setzt diesen Weg auch nach dem Turnier fort: In New York hielt sie jetzt eine Rede, wie sie von deutscher Fußballern schwer vorstellbar ist - obwohl es wünschenswert wäre.

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Bei ihrer Rückkehr aus Frankreich war Rapinoe zusammen mit den US-Weltmeisterinnen von zahlreichen New Yorkern hofiert worden. Die Fußballerinnen nahmen den Schlüssel der Stadt entgegen, es gab eine Parade und Konfetti, Zehntausende jubelten an den Straßen. Doch im Moment der Heimkehr, als sich die größte Zuneigung und Aufmerksamkeit auf die Gefeierten verdichtete, schwelgte Rapinoe nicht siegestrunken im Beifall. Sie rief vor dem New Yorker Rathaus zu einer offenen Gesellschaft auf. "Wir müssen mehr lieben, weniger hassen. Mehr zuhören, weniger reden. Das ist unsere Verantwortung", sagte sie.

Es war eine einende Botschaft in Zeiten gesellschaftlicher Zerrissenheit, die sie von der Bühne herunterrief. Jeder solle besser und größer sein, als er jemals zuvor gewesen sei, das klang ziemlich amerikanisch. Rapinoe ist als Lautsprecherin bekannt, sie ist lesbisch und setzt sich für LGBTQ-Rechte ein. Während der WM wurde sie immer weiter zu gesellschaftspolitischen Themen befragt. Auch und vor allem, weil sie offen der Politik des US-Präsidenten Donald Trump entgegentritt und keinen Konflikt mit dem twitternden Macho scheut. Einen Besuch im Weißen Haus, wie schon vor der WM mit markigen Worten angekündigt, verweigert sie auch nach dem Triumph in Frankreich konsequent.

Mit ihrem Engagement für Offenheit vertritt Rapinoe Werte, die tief im Fußball verwurzelt sind. Es ist ein Spiel, das verbindet und nicht ausgrenzt, bei dem jeder Mensch gleich sein soll. Zwar schmückt sich der Weltverband Fifa mit Anti-Rassismus- und Anti-Diskriminierungs-Kampagnen. Wertvoller für die Wirkung des Fußballs in der Gesellschaft sind aber Akteurinnen wie Rapinoe.

An ihr können sich viele Fußballer und Fußballerinnen orientieren. Man stelle sich nur mal vor, Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Neymar würden sich vor großem Publikum ähnlich politisch äußern. Dazu ist aber leider eine sehr große Portion Vorstellungskraft erforderlich.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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