Rafael Nadal bei den Australian Open:Chip in der Hand

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Mit neuem Schläger unterwegs: der Spanier Rafael Nadal. (Foto: dpa)

Nur ein Gimmick - oder eine Revolution? Der neue Schläger, den Rafael Nadal benutzt, erregt Aufmerksamkeit vor dem Start der Australian Open. Für das Racket wurde sogar das Regelwerk geändert.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Die Kulisse ist atemberaubend. Vor einem türmt sich das Edelhotel Crown Towers auf wie ein funkelndes Wesen aus einer anderen Galaxie; hinter einem schmückt die Skyline Melbournes die Szenerie, als hätte sich ein Hollywood-Regisseur die passende Location für seinen neuesten Blockbuster ausgesucht. Als Rafael Nadal auf die Terrasse schreitet, blickt er freilich weit weniger verblüfft. Der 14-malige Grand-Slam-Champion reist permanent um die Welt und hat, wenngleich er ein bodenständiger Mensch ist, schon viel Spektakuläres gesehen.

Caroline Wozniacki hinter ihm schaut schon etwas neugieriger. Die Nummer acht der Frauen-Weltrangliste kichert und sucht immer wieder mal den Blick von Nadal. Dann setzen sich die beiden mit Toni Nadal, Rafaels Onkel und Trainer, sowie zwei weiteren Herren auf Barhocker-ähnliche Stühle und fangen an, ihre Botschaft zu entsenden, die tatsächlich bemerkenswert ist: Nadal und die Dänin Wozniacki werden bei den Australian Open erstmals in der Tennisgeschichte mit einem Schläger antreten, der einen Chip enthält. Und dieser Chip, das sagt ein freundlicher Franzose neben Nadal mit markigen Worten, leite nichts anderes als "eine Revolution" ein.

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Der Schlägermarkt im Tennis ist wie jede Produktwelt im Leistungssport hart umkämpft, jede Innovation oder auch vermeintliche Besonderheit könnte entscheidende Marktanteile einbringen. Die französische Firma Babolat hat bereits 2012 damit begonnen, Prototypen eines Rackets herzustellen, mit dem einzelne Aspekte des Spiels in Daten erfasst werden können. 2014 war der Schläger marktreif, und seit Ende des vergangenen Jahres trainiert Nadal stets mit diesem Gerät.

"Es macht Spaß und liefert sehr interessante Daten", berichtet der Mallorquiner, der Änderungen in seinem Rhythmus nicht leichtfertig vornimmt. Der 28-Jährige hat auf dem Platz tausend Rituale, schart seit Jahren dasselbe Team um sich, alles ist abgestimmt in seiner Welt. Doch ausgerechnet er geht jetzt bei seinem Schläger einen neuen Weg.

Für das Racket wurde das Regelwerk geändert

Nach seinem Erstrundenmatch gegen den Russen Michail Juschni am Montag will Babolat, so wird es hier versprochen, alle Werte von Nadals Schläger im Internet veröffentlichen. Wie oft er die Rückhand spielte, wie oft die Vorhand, ob er den Sweetspot traf - jene Zone, mit der der Ball am besten übers Netz gespielt wird -, ob ein Slice (ein Schlag mit Unterschnitt) oder ein Topspin (ein Schlag mit erhöhtem Vorwärtsdrall) ausgeführt wurde. "Es gibt so viele Möglichkeiten, das Spiel in Einzelteile zu zerlegen", sagt Thomas Otton von der Schlägerfirma. Wobei Toni Nadal klarstellt: "Ich weiß nicht, ob man damit die French Open gewinnt. Aber es hilft auf jeden Fall."

Dass diese Technologie überhaupt eingesetzt werden darf, hat mit einer Regeländerung der International Tennis Federation (ITF) zu tun, Rule 31 heißt sie. Sie erlaubt nun, dass Hilfsmaßnahmen wie Chips gestattet sind - allerdings dürfen Profis erst nach ihren Matches auf die Daten zurückgreifen. Ein sofortiges Auswerten auf dem Platz, etwa in den Pausen bei Seitenwechseln, wird als Coaching ausgelegt, und das ist nicht erlaubt. Der Chip ist im Griffende eingebaut, er lässt sich an- und ausschalten, auch ist er mit einer Bluetooth-Funktion ausgestattet; das Symbol ist auf dem Verschluss zu sehen.

Über Smartphones oder Tablets lässt sich dann sofort ablesen, wie das Spiel in messbaren Zahlen aussieht. "Es ist zum Beispiel sehr gut, um zu wissen, wo man den Ball getroffen hat", sagt Nadal, lächelt kurz und fügt hinzu: "Manchmal ist es auch nicht so gut, es zu wissen." Weil nämlich dann klar wird, wo die Schwäche liegt. Nadals Onkel hat seinem Neffen oft gesagt, er müsse den Aufschlag mehr im Sweetspot treffen, Rafael dachte, er tue dies oft genug. "Jetzt hat er die Daten und kann erkennen, dass er falsch lag", berichtet Rafael Nadal feixend. Toni lacht auch. Er sieht die Sache genau anders herum.

Das erste Mal spielte Nadal offiziell bei einem Turnier mit dem Schläger namens "Play Aeropro Drive" in Doha. Er verlor Mitte Januar in drei Sätzen gegen den deutschen Profi Michael Berrer, der als Qualifikant diese Überraschung schaffte. Am Schläger aber lag es nicht, der wiege genauso viel wie das chipfreie Modell, habe dieselbe Gewichtsverteilung, es gebe keinen gefühlten Unterschied, versichert Toni Nadal.

"In zehn Jahren", ist sich Otton sicher, "spielen alle mit Chip". Er meint die Profis, aber auch auf den Hobbyspieler zielt diese Technologie. Das Szenario gehe so weit, dass sich die Amateure in den Sozialen Medien und in Foren austauschen, ihre Werte vergleichen, Spaß am Tüfteln im bisher unbekannten Bereich haben sollen.

Dass es auch um Geld geht, muss dabei fast gar nicht erwähnt werden, das ist selbstverständlich. Der Zeitgeist sei ja auch so, versichert Otton, dass man den Kunden mehr bieten müsse. So ist es wohl. Auch die Konkurrenz fängt, wenn auch verspätet, damit an, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Yonex etwa tüftelt gemeinsam mit Sony an einer eigenen Technologie zur Erfassung von Spieldaten.

Nadal wird ab jetzt immer mit diesem Chip spielen, trotzdem stapelt er in Melbourne so tief, als sei er ein hoffnungsloser Fall. "Es wird sehr schwer, Juschni ist ein harter Rivale", sagt er, wohlwissend, dass er nach monatelanger Verletzungspause noch nicht zu alter Stärke gefunden hat. Nadal sagt, er rechne damit, dass sein Spiel nicht durchgängig funktioniere, aber, das versichert er, "ich will mit der richtigen Einstellung spielen". Dafür gibt es allerdings noch keinen Chip, aber zum Glück hat Nadal ja den ausgefuchsten Onkel Toni. Der wird ihm schon einen ganz menschlichen Plan mit auf den Platz geben.

© SZDigital vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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