Radsport: Lance Armstrong:Die letzte Freakshow

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Jan Ullrichs früherer Mentor Rudy Pevenage benennt Lance Armstrong offen als Maß aller Doping-Dinge, an dem sich die Szene wohl oder übel orientieren musste. Wer glaubt noch an die Mär vom sauberen Texaner?

Thomas Kistner

Wenn Lance Armstrong nicht all die Jahre konsequent gedopt hat, gibt es keinen Sportbetrug; dann sollte man das Wort Doping aus den Sportregelwerken streichen und nie wieder in den Mund nehmen, wenn es um Profisport geht. Das ist der Schluss, der sich aus allen Fakten, Befunden und Zeugenaussagen ziehen lässt. So zwingend ist die Logik, dass die aktuellen Bilder der Frankreich-Tour nur noch lächerlich wirken: Wie Armstrong dort herrschaftlich dominiert, während die Fachpostille des veranstaltenden Amaury-Konzerns, L'Équipe, den nächsten Paukenschlag setzt.

Für den einstigen Ullrich-Rivalen Lance Armstrong (Mitte), der noch immer in der Tretmühle der Tour steckt, könnten die Bekenntnisse von Rudy Pevenage unruhige Tage bringen. (Foto: rtr)

Rudy Pevenage, einst Sportlicher Leiter beim T-Mobile-Team, benennt den Texaner offen als Maß aller Doping-Dinge, an dem sich die Szene wohl oder übel orientieren musste. "Wir waren keine Idioten", so Jan Ullrichs langjähriger Mentor, "wir kannten Armstrong vor der Krebserkrankung, die Verwandlung nach seiner Rückkehr war unglaublich. Wir haben schnell begriffen, dass es keine Wahl gibt."

Wer, um in Pevenages Bild zu bleiben, ist idiotisch genug, weiter an die Mär vom sauberen Lance zu glauben? Dass ihn bisher nicht mal sechs Epo-Befunde aus der Spur schlugen, verdankt sich den sinistren Anstrengungen des Radweltverbands UCI sowie der Sponsorindustrie, die hinter dem offenkundig falschen Spiel steht. Zu diesem gehört sogar, dass Armstrongs Ex-Stallgefährte Floyd Landis konkreteste Dopingbeschuldigungen vortragen darf, ohne dafür juristisch belangt zu werden.

Auch hier bleibt nur ein Schluss: Armstrong muss es offenbar um jeden Preis vermeiden, vor einem US-Gericht zu landen. Denn dummerweise wandert, wer einen Bundesrichter unter Eid belügt, in den Knast - frag nach bei Olympiasiegerin Marion Jones. Armstrong ist wohl gut beraten, wenn er nun harte Betrugsvorwürfe lammfromm über sich ergehen lässt.

Zumal ja in den USA Ermittlungen schon laufen. Und weil es dort kein Doping-Gesetz gibt, sucht Spezialfahnder Jeff Novitzky die Einstiegsluke über Steuerfragen, die sich im Hinblick auf Landis' Vorwürfe eröffnen. Hat Armstrongs damaliges Team US Postal staatliche Mittel für Betrugszwecke eingesetzt? Hat sein Rennstall Räder des Sponsors im Internet vertickt, um mit dem Erlös Dopingsubstanzen zu erwerben? Solche Fragen sind realitätsnäher als des Texaners Roadshow bei dieser Tour. Sie könnte bald als Schlusspunkt der größten Freakshow des modernen Sports entlarvt werden.

© SZ vom 09.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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