Sponsoren bei der Tour de France:Abhängig von den Launen eines Mäzens

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Das gebeutelte CCC-Team führte das Feld während der ersten Tour-Tage mit an. (Foto: REUTERS)

Die Corona-Krise setzt dem Radsport besonders zu - das liegt auch an einem Finanzierungsmodell, das die Teams schon lange ändern wollen.

Von Johannes Aumüller, Poitiers/Frankfurt

Die Herren in den orangefarbenen Hemden fallen durchaus auf in diesen Tagen, und das nicht nur wegen der markanten Farbe ihrer Trikots. Zwar hat das Team CCC keinen Anwärter auf eine vordere Platzierung im Gesamtklassement in seinen Reihen, aber dafür einige sehr starke Fahrer wie den Olympiasieger Greg Van Avermaet, den Kletterer Ilnur Zakarin oder den Allrounder Matteo Trentin; auch die beiden Deutschen Simon Geschke und Jonas Koch gehören zu der Equipe. Zwar gelang ihr bislang kein Etappensieg, auch nicht auf dem elften Tagesabschnitt am Mittwoch, den der Australier Caleb Ewan (Lotto-Soudal) in Poitiers im Massensprint für sich entschied. Aber sie zeigte sich schon häufig recht aktiv. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich die Fahrer und das Team gerade besonders präsentieren müssen.

Denn die orangefarbenen Hemden werden bald verschwinden. Der Sponsor CCC - ein polnischer Schuh- und Taschenhersteller - zieht sich zum Saisonende zurück. Die weitere Zukunft ist ungewiss. Teamchef Jim Ochowicz sucht bisher vergeblich nach einem neuen Partner, auch wenn er sich vor Beginn der Tour optimistisch gab.

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Dass eine Mannschaft oder ein Mannschaftsname verschwinden, gehört im Radsport zum Alltag. Trotzdem ist es aktuell eine besondere Situation: Die Corona-Situation setzt dem Radsport besonders zu, CCC ist nicht das einzige Team mit Problemen. Verschiedene Rennställe kürzten während der Rennpause im Frühjahr die Fahrergehälter. Selbst die vom kasachischen Staat alimentierte Astana-Truppe reichte nur 70 Prozent des vereinbarten Salärs aus, wenngleich laut einem Sprecher die Bezahlung seit Juli wieder normal sei.

Auch beim südafrikanischen Team NTT (2019 noch Dimension Data) berichtete das Fachmagazin Wielerflits schon von Problemen und der Suche nach einem neuen Titelsponsor. Die Equipe selbst verweist nur darauf, dass aktuell der Fokus auf der Tour liege und es sich in positiven Gesprächen über die Zukunft befinde. Aber es wäre wenig überraschend, wenn am Saisonende bei NTT oder anderen Teams das Budget sinken würde - und sich Kader verkleinern oder neu sortieren würden.

Der Radsport ist nicht der einzige Sport, dem die Corona-Zeit zusetzt. Aber sein Wirtschafts- und sein Finanzierungsmodell verschärfen die Lage sicherlich. Bei den deutschen Profifußball-Klubs etwa machen die Fernsehgelder den größten Anteil des Budgets aus, bei anderen Teamsportarten wie Hand- oder Basketball sind es die Zuschauereinnahmen. Im Radsport hingegen sind die Sponsorengelder für die Mannschaften entscheidend: 90 Prozent und mehr betragen sie. Von den Fernsehgeldern sehen die Rennställe quasi nichts, und Zuschauer-Einnahmen gibt es in ihrem Sport auch nicht. Aber gerade in der Corona-Zeit tun sich viele Firmen und damit potenzielle Sponsoren schwer, Geld für Sportwerbung aufzubringen.

Die Tour ist auch wirtschaftlich der Höhepunkt des Jahres

Im Schnitt kommen die 19 Erstligisten, die für jedes World-Tour-Rennen ein automatisches Startrecht haben, auf knapp 20 Millionen Euro Budget. Dabei gibt es aber einige Ausreißer nach oben, allen voran die in den vergangenen Jahren bei der Tour stets dominierende Equipe Ineos, die auf fast 40 Millionen Euro taxiert wird. Andere Teams müssen mit einem gerade zweistelligen Millionen-Betrag auskommen.

Die Konzentration auf die Sponsorengelder ist schon in normalen Zeiten ein Problem. Viele Teammanager sind von den Launen eines Mäzens abhängig oder - wie etwa bei Astana - von den Zuwendungen staatlicher oder staatsnaher Einrichtungen. Von daher bemühen sich manche Rennställe seit Langem, andere Finanzierungsmodelle zu entwickeln und mehr Kontinuität und Planungssicherheit zu erhalten. Doch bisher klappte das nicht. Es gibt im Radsport seit jeher einen Interessenskampf zwischen dem Weltverband, den Teams und den Veranstaltern wie der mächtigen Amaury Sport Ortanisation (Aso), die hinter der Tour und einigen anderen wichtigen Rennen steht wie der Spanien-Rundfahrt oder Paris - Roubaix.

Die Tour ist in dieser Situation umso wichtiger für den Radsport. Denn sie ist nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich der Höhepunkt des Jahres. Einen Werbegegenwert in dreistelliger Millionen-Höhe errechnen manche Team-Sponsoren, wobei das oft schwer zu messen ist. 70 Prozent ihres jährlichen Werbewertes generieren die Teams dort, sagte Ralph Denk einmal, der Teamchef der deutschen Bora-Hansgrohe-Equipe. Bei den Raublingern immerhin hat die Corona-Zeit mit Blick auf die Sponsoren keine negativen Konsequenzen: Die beiden Namensgeber verlängerten ihre Kontrakte kürzlich bis 2024.

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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