Tour de France:Knapp am Ausschluss vorbeigeschrammt

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Vorjahressieger Egan Bernal: Ein Betreuer aus seinem Team wurde positiv auf Corona getestet (Foto: AFP)

Alle Fahrer der Tour de France können nach den ersten Coronatests das Rennen fortsetzen. Positivfälle von Betreuern und von Tour-Chef Christian Prudhomme lösen jedoch Besorgnis aus.

Von Johannes Aumüller, Saint-Martin-de-Ré/Frankfurt

Der Ort für den Tagesappell sah diesmal besonders attraktiv aus. Auf der Île d'Oléron, einem kleinen Eiland direkt vor der Atlantikküste, versammelten sich die Fahrer der Tour de France am Dienstagmittag, um sich abfahrtsbereit für den neuen Etappenabschnitt zu melden. Ebenso eindrücklich wie die Landschaftsaufnahmen war aber die Größe des Teilnehmerfeldes, das sich nach dem Ruhetag zusammenfand, um das windanfällige Insel-Hopping von der Île d'Oléron auf die Île de Ré mitzumachen. 165 Fahrer rollten da auf der Avenue de la Citadelle entlang - und damit bis auf den verletzt ausgestiegenen Italiener Domenico Pozzovivo alle, die am Sonntag die schwere Pyrenäen-Etappe beendet hatten.

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Das war insofern erstaunlich, als dass mancher im Peloton für diesen Tag ein großes Corona-Chaos befürchtet hatte. Denn am Montag, einem Ruhetag, mussten sich alle Fahrer und alle Mannschaftsbetreuer testen lassen - und erst kurz vor dem Etappenstart am Dienstag gaben die Tour-Veranstalter von der Amaury Sport Organisation (Aso) bekannt, dass alle Fahrer weiter mitmachen dürfen. Unruhe schüren die Ergebnisse dieser Corona-Testreihe an der Atlantikküste gleichwohl.

Denn gemäß der Mitteilung wurden bei den insgesamt 841 Tests keine Fahrer positiv getestet - aber vier Betreuer, darunter je einer von Ag2r, Cofidis, Ineos-Grenadier und Mitchelton-Scott. Aufregung gab es zudem um einen Deceuninck-Betreuer, bei dem es einen Nachtest brauchte. Damit kamen diese vier Teams nur knapp um einen Tour-Ausschluss herum. Denn bei der Tour gilt ein striktes Reglement: Eine positiv getestete Person muss die Rundfahrt ohnehin verlassen.

Aber wenn in einem Team (acht Fahrer und 22 Betreuer) zwei Personen positiv sind, muss die komplette Mannschaft gehen. Mit diesen vier Positivfällen zeigt sich, dass das sogenannte "Rennblasen"-Konzept der Veranstalter nicht einhundertprozentig funktioniert. In der Woche vor dem Start der Rundfahrt waren alle Fahrer und Betreuer je zweimal getestet worden. Nur wer beide Male negativ war, durfte überhaupt Teil des Trosses werden - und muss sich seitdem in einer Rennblase mit sehr strengen Vorgaben bewegen. Der Kontakt zur Außenwelt ist gänzlich untersagt. Die Adressen der Unterkünfte werden öffentlich nicht mitgeteilt, um Fans abzuhalten; im Hotel dürfen sich alle nur auf einer bestimmten Etage bewegen, zudem müssen alle Mitglieder dieser Rennblase zu jeder Zeit eine Maske tragen - nur nicht die Fahrer während einer Etappe.

Trotz dieser Vorgaben gab es in der Rennblase nun vier Fälle, und zwar unter Betreuern, die normalerweise engen Kontakt zu den Fahrern haben. Die Aso beeilte sich mitzuteilen, dass kein Fahrer als "ein Kontaktfall, der eine Quarantäne erfordert" eingestuft wird.

Zufälligerweise treffen die Befunde just vier Teams mit sehr starken Klassementfahrern

Zugleich wirken die vier Positivfälle auf einer anderen Ebene nach. Denn sollte sich in den nächsten Tagen bei Ag2r, Cofidis, Ineos oder Mitchelton ein weiterer Positivtest ergeben, würde die jeweilige Mannschaft komplett ausgeschlossen. Zufälligerweise fahren in allen Teams starke Klassementfahrer, insbesondere bei Ineos mit dem Vorjahressieger Egan Bernal aus Kolumbien, aber auch bei Ag2r (Romain Bardet), Cofidis (Guillaume Martin) und Mitchelton (Adam Yates). Die nächste reguläre Testreihe ist für den zweiten Ruhetag am kommenden Montag angesetzt, aber wenn Symptome auftreten, muss es auch außerplanmäßig zu Tests kommen.

Außer den vier Betreuern gab es einen weiteren Corona-Fall, einen prominenten: Tour-Boss Christian Prudhomme. Er verlässt deswegen die Rundfahrt für sieben Tage. Laut Aso gehörte Prudhomme allerdings nicht zu der Rennblase, die die 22 Mannschaften und einige Abgesandte der Renn-Organisatoren bilden - auch wenn er in den ersten Etappentagen in dem roten Direktions-Auto zu sehen war, das dem Peloton vorausfährt. Er habe keinen Kontakt zu den Fahrern gehabt, gab Prudhomme zu Protokoll.

Allerdings empfängt er in seiner Funktion viele Gäste, darunter pikanterweise zuletzt sogar den französischen Premierminister Jean Castex. Ob Prudhommes Kontaktpersonen bei der Tour bleiben dürfen, ist noch unklar. Aber auch aus der Ferne wird sich Prudhomme einem Thema widmen können, dass die Fahrer im Corona-Kontext immer stärker umtreibt: das Verhalten der Zuschauer am Straßenrand.

Denn es gibt zwar einige Beschränkungen, aber grundsätzlich ist es möglich und offenkundig im Sinne des Veranstalters, wenn Fans an die Strecke kommen. Gerade an den Pyrenäen-Gipfeln standen sie allerdings so eng, dass die Fahrer in ihrer radelnden Rennblase auf der Straße mächtig staunten - und für die Alpen in einer Woche ähnliche Bilder befürchten.

© SZ vom 09.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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