Radsport:Schumacher «dankbar» nach Freispruch in Betrugsprozess

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Stuttgart (dpa) - Im Zweifel für den Angeklagten: Im ersten Strafprozess gegen einen deutschen Doping-Sünder ist Stefan Schumacher vom Landgericht Stuttgart vom Vorwurf freigesprochen worden, seinen ehemaligen Teamchef um Gehalt betrogen zu haben.

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Stuttgart (dpa) - Im Zweifel für den Angeklagten: Im ersten Strafprozess gegen einen deutschen Doping-Sünder ist Stefan Schumacher vom Landgericht Stuttgart vom Vorwurf freigesprochen worden, seinen ehemaligen Teamchef um Gehalt betrogen zu haben.

Die Erleichterung des Radprofis war aber größer als die Freude. Mit glänzenden Augen stand Schumacher vor Saal 6 des Landgerichts. Umringt von einem Pulk Journalisten brachte er kaum ein Lächeln zustande. „Ich bin dem Gericht dankbar, dass es aus meiner Sicht ein faires Urteil gefällt hat“, sagte der Schwabe, der kurz vor dem Prozessauftakt Doping gestanden hatte.

Dem 32-jährigen Schumacher war vorgeworfen worden, seinen Ex-Chef Hans-Michael Holczer um rund 150 000 Euro Gehalt betrogen zu haben. Der Lehrer reagierte zurückhaltend und meinte, er müsse die Entscheidung des Gerichts „akzeptieren“. Das Prozess-Ende in Stuttgart hat für ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland womöglich weitreichende Folgen. Die Debatte wurde weiter angeregt.

Die 16. Große Strafkammer berief sich in ihrer knapp halbstündigen Urteilsbegründung auf den Leitsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Die Aussagen des ehemaligen Gerolsteiner Teamchefs Holczer reichten nicht, „um von der Schuld des Angeklagten überzeugt zu sein“, sagte der Vorsitzende Richter Martin Friedrich. „Wenn der Zeuge Holczer ein leidenschaftlicher Anti-Doping-Kämpfer ist, wie er sich dargestellt hat, überrascht es, dass er erst am 17.7.2008“ vom Dopingmittel CERA „erfahren haben will“. Das Doping-Klima im Team Gerolsteiner sei insgesamt „doch eher freundlich“ gewesen.

Staatsanwalt Peter Holzwarth hatte für Schumacher eine Geldstrafe in Höhe von 16 800 Euro gefordert. Ob er in Revision gehe, müsse er erst überdenken „und eine Nacht darüber schlafen“, sagte er. Dass er nun Ermittlungen gegen ehemalige Gerolsteiner-Ärzte aufnehme, deren Aussagen das Gericht als „erhellend“ auf dem Weg zum Freispruch bezeichnet hatte, sei unwahrscheinlich: „Das ist verjährt.“ Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Ohne Folgen bleibt das Urteil aber wohl nicht. Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger forderte nach dem Urteil erneut ein Anti-Doping-Gesetz. Der Prozess habe „klar gezeigt, dass dopende Berufssportler derzeit mit den Mitteln des Strafrechts kaum zu belangen sind“, teilte der SPD-Politiker mit. „Deshalb brauchen wir einen neuen Straftatbestand des Dopingbetrugs.“

Vorstandsmitglied Lars Mortsiefer von der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, sagte der dpa: „Wir sind ausdrücklich dafür, dass die Dopingbekämpfung auch strafrechtlich gestärkt wird.“ Es müsse ein Nebeneinander von Sport- und Strafrecht geben, das eine könne das andere nicht ersetzen.

Der Deutsche Olympische Sportbund betonte die Vorteile der Sportgerichtsbarkeit. „Es ist ein quälend langes Verfahren gewesen. Das zeigt einmal mehr, dass das sportrechtliche System, das auf der Schuldvermutung basiert, schneller und härter sanktioniert als das Strafrecht“, sagte Generalsekretär Michael Vesper in Frankfurt.

Schon vor dem Richterspruch hatte Doping-Bekämpfer Werner Franke die möglichen Folgen thematisiert. Eine Verurteilung wäre in seinen Augen gleichbedeutend gewesen mit dem Schluss, dass Ärzte, die Dopingmittel verabreichten, sich nicht strafbar machten. „Der Arzt würde nicht bestraft werden, aber das Opfer, das ist Schumacher, der die ganzen Nebenwirkungen nicht wissen kann, der wird bestraft“, hatte der Molekularbiologe gesagt.

Noch in der Urteilsbegründung hatte sich Richter Friedrich aber dagegen gewehrt, dem Fall Präzedenzcharakter zuzugestehen. „Aus unserer Sicht ist das ein reiner Einzelfall“, sagte Friedrich stellvertretend für die Kammer, der „nicht für alle Dopingfälle herhalten“ könne, „die man möglicherweise bestrafen will“.

In dem vielbeachteten Verfahren war Schumacher vorgeworfen worden, er habe seinen ehemaligen Teamchef Holczer um drei Monatsgehälter betrogen. Der Nürtinger hatte bei der Tour de France 2008 Doping zunächst geleugnet. Später war er positiv getestet und gesperrt worden. Schumacher hatte argumentiert, Holczer habe von Doping im Team Gerolsteiner gewusst und könne daher nicht betrogen worden sein. Das sei „nicht zu widerlegen“, befand das Gericht 202 Tage nach dem Auftakt und der Befragung von insgesamt 14 Zeugen.

Holczer, als Zeuge an dem Prozess beteiligt, hatte das stets vehement bestritten. „Wenn das die Entscheidung des Gerichts ist, dann muss man das akzeptieren“, sagte Holczer der Nachrichtenagentur dpa. „Ich kann es insofern nachvollziehen, als dass es für das Gericht schwierig ist, eine Schuld nachzuweisen.“

Der Ex-Radprofi und geständige Doper Jörg Jaksche begrüßte den Freispruch für Schumacher. „Das ist ein richtiges Urteil, denn ich kenne den Radsport und ich kenne Hans-Michael Holczer. Er hat auch mit mir über „medizinische Betreuung' gesprochen“, sagte Jaksche den „Stuttgarter Nachrichten“.

Mit ähnlichen Vorwürfen wie Schumacher war auch Jan Ullrich schon konfrontiert worden. Die Staatsanwaltschaft Bonn stellte 2008 die Ermittlungen gegen den Tour-de-France-Sieger aber ein, nachdem er 250 000 Euro für gemeinnützige Zwecke gezahlt hatte. Ein Betrugsprozess gab es nicht.

Wie Schumachers Karriere nun weitergeht, ist offen. Sein Vertrag beim dänischen Team Christina Watches Onfone läuft Ende des Jahres aus. Er habe aber „eine Option bei meinem jetzigen Team weiterzufahren“. Der Sprung in ein WorldTour-Team erscheint dagegen weiter ausgeschlossen.

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