Pyrotechnik beim HSV:Die Botschaft im blau-weißen Rauch

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Pyro von Amts wegen: Rauch im HSV-Block, ganz legal. (Foto: imago images/Eibner)

Der erste legale Einsatz von Pyrotechnik in einem deutschen Fußball-Stadion löst eine schier unendliche Debatte noch nicht. Aber die Aktion war dennoch richtig, weil sie die Fans ernst nimmt.

Kommentar von Sebastian Fischer

Der Hamburger SV hat dem deutschen Fußball einen Gefallen getan, und das hatte nichts mit dem 2:0 am Samstag gegen den Karlsruher SC zu tun. Der Sieg hilft dem HSV zwar beim Verfolgen seines Ziels, in die erste Liga zurückzukehren. Und für jeden unparteiischen Zuschauer wäre es natürlich schön, wenn es ab der kommenden Saison wieder die lieb gewonnenen Katastrophengeschichten vom Hamburger Abstiegskampf in der Bundesliga geben würde. Am Samstag ging es allerdings um das, was vor dem Spiel geschah; wozu Hamburgs Kapitän Rick van Drongelen später sagte: "Das war schön anzuschauen. Das gehört zum Fußball dazu."

Der Hamburger SV hatte für das Einlaufen der Teams gemeinsam mit Ultras den ersten kontrollierten Einsatz von Pyrotechnik in einem deutschen Stadion organisiert. Zehn Fans zündeten vor der Nordtribüne unter Aufsicht zehn Rauchtöpfe, es gab blauen und weißen Qualm. Die Aktion war lange geplant und vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Ausnahme genehmigt worden. Die Bewertung, hieß es, solle später auch davon abhängig gemacht werden, wie die anderen Fans reagieren würden. Und siehe da: Von denen gab es keinen Protest.

Die Debatte über Pyrotechnik - wie gefährlich sie ist, ob sie Teil der Fußballkultur ist, ob sie zu hoch bestraft wird oder immer noch zu unwirksam - drohte zu einer ewigen Debatte zu werden, ohne jeglichen Fortschritt oder Lösungsansatz. Es war zum Beispiel im September 2000, als auf dem fürs Brennen berühmten Kaiserslauterer Betzenberg die Fans Unterschriften sammelten, weil die Bengalos, zuvor auch mal von Vereinsseite kultiviert, aus dem Stadion verbannt werden sollten. Der FCK reagierte damals, indem er rote Strahler unter dem Dach installierte und mobile Nebelmaschinen vor die Tribüne fuhr, was nicht so gut ankam: Sie wurden "Rheumalampen" genannt und wieder abgeschafft.

Pyro ist seither geächtet und wird bestraft. Aber: "Wir müssen akzeptieren, dass wir durch diese Urteile die Missstände nicht beseitigen können" - so lautete zuletzt ein Debattenbeitrag des DFB-Richters Hans E. Lorenz am Rande der Verkündung von Strafen gegen den HSV und St. Pauli wegen Zündelns im Hamburger Derby. Auf der anderen Seite erklärten die HSV-Ultras, die das legale Abbrennen am Samstag mit initiierten, vorher ihre Position: Nicht Pyrotechnik, finden sie, solle hinterfragt werden, sondern der Umgang des DFB damit und die "willkürliche" Verteilung der Strafen durch den Verband. Wirklich weitergekommen ist man in der Sache in den vergangenen Jahren also nicht. Die Aktion am Samstag sollte den Fans zufolge der "Kriminalisierung von Pyrotechnik" entgegenwirken.

Nun waren die blauen und weißen Rauchwolken im Volksparkstadion am Samstag weder sonderlich eindrucksvoll noch die Lösung des Problems. "Es würde mich wundern, wenn das der Schlüssel wäre, den Frieden mit den aktiven Fans herzustellen", sagte unter der Woche Sig Zelt vom Bündnis ProFans. Damit die Aktion nachhaltig etwas bringt, müssten zunächst weitere Vereine folgen und auf die Fans zugehen - vor allem aber müssten die Fans dann häufiger darauf verzichten, ihr eigenes Feuerwerk abzubrennen. Das alles ist ziemlich ungewiss.

Richtig war die Aktion in Hamburg aber aus einem anderen Grund: Es ist ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Fußballs, dass in den meisten Profiklubs die Mitglieder noch mitbestimmen können. Sogenannte aktive Fans, die sich um Choreografien bemühen, sind eine relevante Gruppe unter den Mitgliedern. Ihnen wurde nun ein Weg aufgezeigt, wie man bei einem für viele Fans relevanten Thema zueinander finden könnte. Schon das ist ein Erfolg.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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