Paris in der Champions League:Unverzichtbar für Neymar und Mbappé

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Buntes Vögelchen im Pariser Prinzenpark: PSG-Mittelfeldspieler Marco Verratti. (Foto: Franck Fife/AFP)

Wie ein DJ hinter dem Mischpult steuert Marco Verratti das Spiel von PSG. Im Halbfinale gegen ManCity muss er für Balance sorgen - doch über seine ideale Position streiten sich Experten.

Von Oliver Meiler

"Golfico" - so nennen sie in Frankreich das Derby im Halbfinale der Champions League zwischen Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Besitzern von Paris Saint-Germain respektive Manchester City. Mit Humor also, in Anlehnung an den wirklich gloriosen Clásico. Und Humor ist selbst dann nicht falsch, wenn es wenig zu lachen gibt: Die Milliarden aus dem Ölgeschäft der Golfstaaten tun dem Sport ja nicht so gut.

Es geht den Duellanten, dem Emir aus Doha und den Scheichs aus Abu Dhabi, um viel mehr als nur um das Spiel, nämlich um Politik und Softpower, um die feinen Fäden im internationalen Machtspiel. Fußballkönige in Europa, mehr geht nicht. Der Weg zu diesem Thron führt zunächst einmal an diesem Mittwoch (21 Uhr) über den Pariser Prinzenpark.

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Der kleine Mann aus der italienischen Provinz ist in der Metropole eine feste Größe geworden

Und so fügt es sich ganz wunderbar, dass in diesem Derby der vielen Aristokratien und orientalischen Obrigkeiten ein einfacher Junge aus der italienischen Provinz eine Hauptrolle spielen soll, der noch fast genauso bubenhaft staunend in die Welt blickt wie damals, bei seiner Übersiedelung in die große Stadt: Marco Verratti, 28 Jahre alt, aus Manoppello in den Abruzzen, Mittelfeldspieler, seit 2012 bei PSG. Die französischen Medien nennen ihn "Petit Hibou", kleine Eule: 1,65 Meter groß, die Augen überall.

Verratti ist so etwas wie der DJ des Pariser Spiels, er mischt es ab, dosiert Verlagerungen. Ohne ihn fällt die Mitte auseinander. Und PSG muss oft ohne ihn auskommen. Zum Verletzungspech kam in dieser Saison auch noch Covid-19, gleich zweimal. Auch im Viertelfinale gegen den FC Bayern fiel er aus. Nun ist er zurück. Trainer Mauricio Pochettino sagt von ihm: "Er ist kapital für unser Spiel."

Marco Verrattis Geschichte ist bemerkenswert, ein früher Coup der Katarer. Als ihn PSG von Pescara Calcio holte, seinem Jugendverein, hatte er gerade mal eine gute Saison in der Serie B absolviert, der zweiten italienischen Liga. In der Serie A spielte er noch nie. Doch von jener Saison Pescaras reden sie in Italien bis heute.

Coach war der Tscheche Zdenek Zeman, ein einsilbiger Mann mit spektakulärer Maxime, die ungefähr so lautet: Warum 1:0 gewinnen, wenn auch 5:4 möglich ist? Alles für die Offensive, oft geht das fürchterlich schief. Jenes Pescara aber funktionierte. Es brachte auch Ciro Immobile und Lorenzo Insigne hervor, mit Verratti bilden sie heute ein unverhandelbares Trio in der Nationalmannschaft.

"Er sah aus wie Kind": Als Verratti zu PSG kam, kannte ihn keiner. Nach dem ersten Training kannten ihn alle

Sportdirektor bei PSG war damals der Brasilianer Leonardo, und da der einen schönen Teil seiner Karriere in Italien verbracht hatte, kaufte er fast nur Spieler aus Italien ein, deren Agenten er gut kannte. Große, mittelgroße und völlig unbekannte Namen. "Niemand kannte Verratti", erzählte einmal Mohamed Sissoko, Kamerad in den Anfängen: "Er sprach kein Wort Französisch, er sah aus wie ein Kind. Doch ein einziges Training reichte aus, ein paar Ballberührungen, und er hatte alle überzeugt."

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Die Katarer sollten über die Jahre hinweg viele Stars an ihren Hof locken, für einen Haufen Geld. Verratti war im Vergleich so billig, dass er es nicht einmal in die Top 10 ihrer teuersten Transfers schafft. Das Salär haben sie natürlich längst angepasst, er verdient jetzt wie ein Großer - so viel, wie er in der Serie A nie verdienen würde. Dort könnte man ihn sich auch nicht mehr leisten.

Während andere Symbolfiguren aus der katarischen Ära PSG schon lange verlassen haben, ist "Marcò" (die Franzosen betonen das o, die Italiener das a) in Paris geblieben. Er fühlt sich da daheim, die halbe Verwandtschaft aus den Abruzzen hat er mittlerweile zu sich geholt. Er ist auch Mitbesitzer einer italienischen Trattoria an der Rue du Faubourg-Saint-Honoré, 8. Arrondissement.

Wenn es etwas zu feiern gibt, lädt er auch mal die ganze Mannschaft in sein Lokal ein. Überhaupt, hört man, trägt der Italiener mit seiner chronischen Heiterkeit wesentlich zur guten Stimmung in der Mannschaft bei. Alle Granden der vergangenen Jahre hielten ihn für unverzichtbar, für kapital eben: Zlatan Ibrahimovic, Neymar, Kylian Mbappé.

Mit seinen eleganten Drehungen erinnert er an Barcelonas Xavi Hernández. Ein wenig zumindest

Verratti macht sie aller besser, läuft für sie, presst für sie, stopft Löcher, hin und her. Er ist die Rückendeckung des Starsturms und dreht sich dafür wie ein Kreisel ständig um die eigene Achse. Anderen würde es wohl schnell schwindlig ob so viel Drehung, bei ihm sieht es elegant aus. Wie bei Xavi Hernández, Barças pensionierter Legende. Ein bisschen wenigstens.

Exegeten der Taktik streiten, wo Verratti am besten hinpasst, in welche Zone des Mittelfelds und auf welche Position. Auf die Acht, als Spielmacher aus dem Rückraum? Oder auf die 8,5? Fehlt ihm für die Zehn die Fantasie, der letzte Pass? In Paris jedenfalls sind Verrattis Koordinaten ein Dauerthema, für jede Rolle gibt es eine Denkschule.

Gegen City könnte sich Pochettino für ein 4-2-3-1-System entscheiden. Im defensiven Mittelfeld würden dann wohl Leandro Paredes und Idrissa Gueye stehen, als Dammbefestiger vor der anfälligen Abwehr. Verratti würde einen sogenannten falschen Zehner geben, leicht nach hinten versetzt, der untere Zacken eines Offensivrhombus: zwischen Neymar und Ángel Di María auf den Flügeln und mit Mbappé als Mittelstürmer.

An guten Tagen gelingt Verratti nämlich auch der Pass in die Spitze. "Petit Hibou" braucht nicht viel Platz dafür, an der Technik fehlt es auch nicht, am Auge schon gar nicht.

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