Prozess um Wettskandal:Muskulöse Begleiter

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Der erste Teil des Wettskandal-Prozesses neigt sich dem Ende entgegen. Der Angeklagte Nürettin G. umgibt sich plötzlich mit Rockern, ein Niederländer stößt Drohungen aus - auch der Name von Oliver Neuville fällt.

Ulrich Hartmann, Bochum

"Ich hatte Angst", sagt der 18-jährige Bielefelder Yousef H., "deshalb bin ich nicht gekommen." Angst wovor, fragt der Richter Carsten Schwadrat, "vor der Wettmafia?" Da nickt der junge Türke, der als Zeuge gegen vier vor dem Bochumer Landgericht angeklagten Männer erst jetzt aussagt. Der ersten Vorladung vor einer Woche war er unentschuldigt fern geblieben, "aus Angst", wie er nun kleinlaut mitteilt.

Bandidos vor Gericht: Der Angeklagte Nürretin G. umgibt sich sogar in Sitzungsunterbrechungen mit muskulösen Begleitern. (Foto: ddp)

Was er dann gegen den 35-jährigen Serben Stevan R. aussagt, ist weitgehend bekannt: Womöglich auch aus sportlichen und nicht nur aus manipulativen Gründen hat die A-Jugend von Arminia Bielefeld 2009 ihr Ligaspiel gegen Bochum verloren; dennoch hatten junge Fußballer Manipulationszusagen gegen mehrere Hundert Euro Bargeld gegeben, und Yousef H. hatte das Ganze lukrativ vermittelt.

Die A-Jugend aus Bielefeld ist Teil des derzeitigen Prozesses, aber 18-Jährige wie Yousef H. und Niklas K. sind kleine Fische in diesem Wettskandal. Die großen Fische kommen in demnächst ins Spiel, wenn der ehemalige Osnabrücker und durch viele Aussagen belastete Thomas Cichon kommende Woche beim DFB aussagen soll und wenn am 24. Februar der große Prozess gegen Ante Sapina und auch Marijo C. beginnt. Die beiden sind die Drahtzieher im neuerlichen Wettskandal und sollen Licht ins Dunkel der 300 manipulierten Spiele bringen.

Auf die Aussagen Sapinas, der im aktuellen Prozess nur als Zeuge auftrat, warten Staatsanwaltschaft, DFB und Öffentlichkeit gespannt, zumal zuletzt sukzessive brisante Details aus der mittlerweile fast 14.000 Seiten umfassenden Wettskandal-Akte bekannt geworden sind. Bild berichtete am Mittwoch, Sapina habe bei einer seiner polizeilichen Vernehmungen ausgesagt, ein türkischer Bekannter seines mitangeklagten Freundes Marijo C. habe 2009 Kontakt zum damaligen Mönchengladbacher Oliver Neuville gehabt, der angeblich bereit gewesen sei, Verabredungen über Spielausgänge zu treffen.

Neuville bestreitet die Vorwürfe vehement. Die Staatsanwaltschaft Bochum machte zu diesem prominenten Namen keine Angaben. "Neuville? Spätes 1:0 gegen Polen bei der WM 2006 - steht doch in jedem WM- Buch", antwortete der Staatsanwalt Andreas Bachmann lakonisch, zum Namen Neuville befragt.

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Nach dem 15. Verhandlungstag dieses Prozesses gegen zwei Türken aus Lohne und Mönchengladbach sowie einen Serben aus Lippstadt und einen Deutschen aus Schweinfurt scheint der erste Teil im neuerlichen Wettskandal allmählich dem Ende entgegen zu gehen.

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Fußballer wie der frühere Osnabrücker Marcel Schuon und Wettpaten wie der bereits 2005 als Betrüger verurteilte Sapina haben als Zeugen ausgesagt und die Angeklagten mehr oder weniger belastet. Weil drei von ihnen geständig sind, könnte es bis März vielleicht zu ersten Urteilen kommen.

Der Wettbürobetreiber Nürettin G. aus dem niedersächsischen Lohne und mit Abstrichen auch der Türke Tuna A. aus Mönchengladbach haben gewissermaßen als Kronzeugen fungiert und umfangreich ausgesagt. Die Angaben von Nürettin G., der sich bei der Kriminalpolizei als Erster geständig gezeigt hatte, haben in der Türkei zu zahlreichen Verhaftungen geführt und sogar dazu, dass der niederländische Wettvermittler Paul Rooij, dessen Name im Prozess oft fiel, ihm in einem Interview des Stern vergangene Woche offen gedroht hatte. "Ich möchte nicht in seiner Haut stecken", sagte Rooij in dem Interview unheilvoll.

Nürettin G., aus der Untersuchungshaft entlassen, hat nach eigener Aussage bislang aber keine Drohungen erhalten, was womöglich auch damit zusammenhängt, dass er sich sogar in Sitzungsunterbrechungen am Landgericht mit muskulösen Begleitern umgibt, die den Namen der Rockerbande Bandidos auf ihrer Kleidung tragen.

Die Verbindungen im Milieu sind vielfältig, und wenn demnächst der Prozess gegen Ante Sapina und fünf weitere Angeklagte beginnt, wird die dunkle Betrugsbranche weiter erhellt. Das Wort "Angst" könnte dann noch das eine oder andere weitere Mal zu hören sein.

© SZ vom 20.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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